Berlin. In Sachen Selbstinszenierung ist sich Markus Söder für nichts zu schade. Dabei sollte er nicht vergessen, dass er auch Politiker ist.
Es gibt wohl keinen anderen Politiker in Deutschland, der es so gut versteht, sich selbst zu inszenieren wie Markus Söder. Sein größter Trumpf: Scheinbar nichts ist ihm peinlich. Wo andere längst beschämt den Rückzug antreten würden, geht der CSU-Chef nicht noch einen, sondern mindestens drei Schritte weiter. Besonders zu Weihnachten scheint er jegliche Hemmungen zu verlieren: Söder verschenkt Christbaumkugeln mit seinem Gesicht darauf und zeigt sich online im ebenfalls von seinem Konterfei gezierten „Markus-Söder-Weihnachtspullover“. Und jetzt, kein Scherz, singt der bayerische Ministerpräsident auch noch.
Nein, es handelt sich nicht um ein spontanes Ständchen. Das hat er in der Vergangenheit schon mehrfach geliefert. 2024 geht Bayerns Ministerpräsident noch weiter: Söder singt. Professionell aufgenommen, wie ein Video zeigt. Sein Song: „Winter Wonderland“. Natürlich auf Deutsch, ganz im Sinne der Leitkultur, inklusive fränkisch gerolltem „R“. „Hoffe, euch gefällt es“, kommentiert der CSU-Chef sein Werk.
Söder als Politiker oder Popstar? Die Masche geht auf
Das Video wirkt wie der Versuch eines abgehalfterten Schlagersängers, noch einmal Schlagzeilen zu machen. Doch der vermeintliche Peinlich-Auftritt ist wohl kalkuliert – so wie alles, was Söder tut. Der Politiker ist ein absoluter Medien-Profi, der nichts dem Zufall überlässt. Er weiß, wie solche Aktionen wirken und nutzt das für seine Zwecke. Ganz nach dem Motto „Jede Presse ist gute Presse“ akzeptiert er den Spott – solange er im Gespräch bleibt.
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Die Strategie scheint aufzugehen: Söder ist in den Medien omnipräsent und in seiner bayerischen Heimat so beliebt wie lange nicht mehr. Er hat vor allem das Spiel mit den sozialen Medien verstanden, mit dem sich viele andere Politiker so schwertun. Seine Mischung aus Volksnähe und Entertainment sichert ihm die Aufmerksamkeit, die er braucht, um im Gespräch zu bleiben.
Söder macht die Politik zur Nebensache
Doch der Kurs birgt Risiken: Söder stellt sich selbst in den Mittelpunkt, seine Politik wird zur Nebensache. Es geht um ihn, sein Image, seinen Erfolg. Viele Menschen wissen nicht mehr, wofür der Konservative politisch genau steht. Seine peinlichsten Videos kennt dagegen fast jeder. Das politische Vakuum füllt der Ministerpräsident mit Entertainment. Wo Inhalte fehlen, bietet er Popkultur an – und trifft damit einen Nerv in unserer mediendominierten Gesellschaft.
Es ist ein Personenkult, wie er im Buche steht. Besonders absurd: Genau diesen wirft er seinem Lieblingsgegner Robert Habeck vor, der mit den Grünen angeblich einen „Robbie-Club“ um sich schart, kritisiert Söder. Dass er selbst wie ein Popstar auftritt? Geschenkt.
Noch hat Söder mit seiner Strategie der schamlosen Selbstinszenierung großen Erfolg. Doch der Spagat zwischen Entertainment und Ernsthaftigkeit wird immer schwieriger. Die Kritik, wie zuletzt nach seinem umstrittenen „Kniefall“ in Warschau, wächst. Wer nur Show liefert, riskiert, irgendwann nicht mehr ernst genommen zu werden. Und wer den Inhalt opfert, wird irgendwann selbst zum reinen Unterhaltungsprogramm.
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