Berlin. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst erklärt das Wahlprogramm der Union mit Merz-Zitaten. Dem Kanzler wirft er eine „Verrohung“ vor.
Wenn Parteifreunde sich öffentlich beharken, wirkt das lange nach. Und so war es bei Sandra Maischbergers Talk am Dienstag wieder mal ein Thema, dass der als Gast geladene NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) im Sommer 2023 die Politiker davor warnte, sich mit den Populisten „gemein“ zu machen.
CDU-Chef Friedrich Merz hat das damals auf sich bezogen, war „angefasst“ gewesen. Bei „Maischberger“ betonte Wüst nun, man habe sich „ausgesprochen“ und das Verhältnis zu Merz sei „okay“. Wie treu er dem Unions-Kanzlerkandidaten verbunden ist, stellte Wüst noch im Laufe der Sendung unter Beweis.
Zunächst aber mal recycelte Wüst seinen Populistenvorwurf, um Kanzler Olaf Scholz (SPD) an den Pranger zu stellen. Das sei doch ein „merkwürdiges Verhalten“ von Scholz, früheren Koalitionspartnern die „sittliche Reife“ abzusprechen und den Namen von Friedrich Merz zu „verhohnepipeln“. Da zeige sich eine Verrohung im Wahlkampf. „Das ist der Hang, billig Punkte zu machen und der wird angetrieben von den Social Media.“
Vertrauen auf starke Wirtschaft
Zur Stilkritik an Scholz holte Wüst noch weiter aus. Nach der Regierungszeit der Ampel müssten die Menschen wieder glauben können, dass man sie mit ihren Sorgen verstehe. „Wir als Ministerpräsidenten haben das ja erlebt: Wer zu Scholz mit seinen Sorgen ging, hörte nur den Spruch, des Kaufmanns Klage sei sein Gruß. Scholz hat doch alle kalt abgewatscht.“
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So präzise die Kritik von Wüst an Scholz, aber auch am Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wegen seiner nur auf Lenkung, Verboten und „Strohfeuer“ erzeugenden Subventionen auch ausfiel. Zur Leitfrage der Sendung fielen seine Beiträge eher vage aus: Wie will die Union ihre Versprechungen finanzieren? Ökonomen bilanzieren die Finanzlücke durch das Programm auf 100 Milliarden Euro.
Wüst wiederholte nun die alte Unionsthese, dass eine Verbesserung der Rahmenbedingungen – niedrigere Energiepreise, geringere Steuerlast, weniger Bürokratie – auch die Wirtschaft entlasten, das Wachstum ankurbeln und mehr Steuereinnahmen bringen werde.
Wüst unterstützt Einsparungen beim Bürgergeld
Allein in NRW bedeute ein Prozent mehr Wachstum eine Milliarde mehr Steuereinnahmen, bilanzierte Wüst. Aber selbst bei Unternehmen wie ThyssenKrupp, Ford oder Scheffler krisele es, deutsche Konzerne bauten ihre modernsten Anlagen lieber im Ausland wegen der dort besseren Rahmenbedingungen. Der Kapitalabfluss habe in den letzten zwei Jahren 200 Milliarden Euro betragen.
Aber allein aufs Wachstum zu setzen, sei doch „eine Wette auf die Zukunft“, warf Maischberger ein. „Wir haben einen Bundeshaushalt von 490 Milliarden Euro, da ist Potential drin. Wir werden den komplett überprüfen“, entgegnete Wüst – und zwar auf Sparmöglichkeiten.
Laut Merz, so Wüst, könnten beim Bürgergeld 50 Milliarden Euro eingespart werden, wer nicht arbeiten könne, dem werde geholfen, wer aber arbeiten könne, der müsse auch mit „anpacken“. Das löste bei Maischberger die Frage aus, mit welcher „Magie“ man 1,7 Millionen erwerbsfähige Bürgergeldempfänger zum Arbeiten bringen wolle.
Ein weitere Streichmöglichkeit sieht Wüst im öffentlichen Dienst, dort sei es möglich, mit weniger Mitarbeitern auszukommen. Den Ausbau von Bundesbehörden könne man rückgängig machen. An der Schuldenbremse werde die Union allerdings „nicht rütteln“, so der Nordrhein-Westfale. „Das Prinzip ist absolut richtig.“ Man könne sich allenfalls „über Details unterhalten“.
Söders Strategie sei „nicht clever“
Auf leichte Distanz ging Wüst nur zum bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) wegen dessen Ablehnung von Schwarz-Grün. Wüst regiert in Düsseldorf mit den Grünen und er halte es „nicht für clever“, sagte er, zwei Monate vor der Bundestagswahl alles auszuschließen. Wenn es eine „gute Option“ mit den Grünen gebe, „werden wir es anders bewerten“.
Auf den Hinweis von Maischberger, ob Markus Söder nicht Recht habe mit seiner Warnung – schließlich liege die CSU in Bayern bei 45 Prozent in den Umfragen und Wüsts CDU in NRW nur bei 36 Prozent – reagierte Wüst gelassen. Man müsse die Dinge im ländlichen Raum Bayerns wohl anders sehen als in westlichen Großstädten: „Wir müssen Politik machen, die viele erreicht.“
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Unter den Journalisten im Studio herrschte leichte Skepsis angesichts des Unionsprogramms. Merz habe sich „ein Problem eingefangen“, meinte der Journalist Theo Koll. Er verspreche den Leuten, dass „der Kuchen größer“ werde, er sage aber nicht, wo er zurückschneiden wolle.
Olaf Scholz und sein „Kanzlermalus“
Ann-Kathrin Hipp („Tagesspiegel“) unterstellte den Rechenkünsten der Union „maximal Grundschulniveau“. Am Tag eins einer Regierungsübernahme werde sie einen Kassensturz machen, dann aber sagen müssen, wo sie umverteilen wolle – oder ob sie eben doch an die Schuldenbremse gehe.
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Und Gregor Peter Schmitz („Stern“) fragte, wo eigentlich „die große Wende“ im Unionsprogramm sei, da müsse Merz noch liefern. Schmitz nahm Scholz übrigens vor seinen Journalistenkollegen in Schutz. Die hatten sich über seinen Restaurantbesuch nach der Vertrauensfrage („hat es sich schön getrunken an dem Abend“) und seine „Fritze“-Merz-Schmähung („Missbrauch seiner Kanzlerfunktion“) echauffiert.
Schmitz aber sagte, Scholz habe gar keinen Kanzlerbonus sondern einen Malus. Im Übrigen: „Jahrelang haben wir gefordert, Scholz soll mal Emotionen zeigen.“ Jetzt tue er das, und das sei auch wieder nicht Recht.
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