Berlin. Ständiges Sticheln, immer neue Seitenhiebe: Warum der bayerische Ministerpräsident und der Vizekanzler ein eher schwieriges Verhältnis haben.
Im Dezember 2020, mitten in der Corona-Krise, wird Robert Habeck gefragt, welcher Tiername ihm zu Markus Söder einfällt. „Ein Kamel“, sagt Habeck. Wegen dessen Kondition und dessen Durchhaltewillen. „Da ich Herrn Söder nicht als Lastesel bezeichnen möchte, sage ich Kamel.“ Der ärgert sich natürlich, aber Habeck bleibt dabei, er habe es nett gemeint. „Besser Kamel als Gorilla, oder?“ Habeck und Söder – das war schon immer, nun ja, schwierig.
Vier Jahre später, im Dezember 2024, ist die Frotzelei in offene Feindschaft umgeschlagen. Habeck und sein „Robbi-Klub“ trügen die Schuld an der aktuellen wirtschaftlichen Krise, sagt Söder. „Ich halte es für völlig absurd und ausgeschlossen, dass so jemand Wirtschaftsminister bleiben kann.“ Robert Habeck kontert: „Markus Söder hat das Problem, dass er nicht verstanden hat, in welcher Zeit wir leben.“ Er habe auch nicht verstanden, was die Ursache der Wirtschaftskrise sei. Er halte deswegen das Land mit Possen wie seinen Foodblogger-Posts „zum Narren“. Zwei der bekanntesten Politiker des Landes sticheln und spötteln auf offener Bühne. Was ist da los?
Aus Söders Sicht sind die Grünen „Bayern-Hater“
Aus Söders Sicht gibt es zwei Gründe. Oder besser: zweieinhalb. Erstens: Söder fühlt sich von Habeck benachteiligt. „Wir spüren seit Jahren ein negatives Mindset der Grünen gegenüber Bayern“, klagte der CSU-Mann neulich im Interview mit „Table Media“. Der Süden werde schlecht behandelt, Klimaschutzverträge und millionenschwere Wasserstoffprojekte gingen an Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen. „Bayern bekommt praktisch nix.“ Söder sieht dahinter eine gewachsene Feindschaft: „Die Grünen haben sich in den letzten Jahren massiv als Bayern-Hater etabliert.“ Ein weiterer Beweis aus seiner Sicht: Es seien die Grünen gewesen, die das Ziel gehabt hätten, mit einer „superfiesen Nummer“ bei der Änderung des Wahlrechts die CSU „zu killen“.
Der zweite Grund ist eher taktisch: Söder glaubt, dass jeder schwarz-grüne Flirt die AfD stärkt – und sieht gleichzeitig, dass sein massives Grünen-Bashing erfolgreich ist. Die CSU kommt inzwischen klar über 40 Prozent in den Umfragen – anders als Friedrich Merz, der sich deutlich offener gegenüber den Grünen zeigt, aber auch mit der Union insgesamt zehn Prozentpunkte hinter der CSU liegt. Schwarz-Grün würde die Union bei einer Wahl „deutlich unter 30 Prozent bringen“, prognostiziert Söder. Sein Eindruck: Viele bürgerliche Wähler würden die Grünen grundsätzlich ablehnen. „Man könnte der FDP und auch der AfD keinen größeren Gefallen tun.“
Söder pflegt seine Wut auf Habeck wie einst seine Liebe zu den Grünen
Und dann gibt es da noch diese Szene aus dem Februar dieses Jahres. Da saßen der bayerische Ministerpräsident und der Vizekanzler bei der Internationalen Handwerksmesse gemeinsam auf der Bühne. Und als Söder wieder einmal die Ampel-Koalition dafür kritisiert, dass im Frühjahr 2023 die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz gegangen waren, holt Habeck in seiner Antwort zum Rundumschlag aus: Er erinnert Söder nicht nur daran, dass der, damals Umweltminister in Bayern, nach Fukushima seinen Rücktritt androhte, sollte es keine Einigung auf einen Atomausstieg geben. Habeck verweist auch darauf, dass Bayern ein Atommüll-Endlager im Freistaat kategorisch ausschließt, und rechnet am französischen Beispiel vor, wie teuer Atomstrom sei.
Gut fünf Minuten spricht er, und Söder bleibt wenig übrig als stumm daneben zu sitzen und sich maßregeln zu lassen wie ein Schuljunge. Bis heute kursiert die Szene als Video in den sozialen Netzwerken, taucht immer wieder auf, wenn Söder gegen Habeck stichelt. Gut möglich, dass auch diese Erinnerung das Verhältnis prägt.
Noch vor vier Jahren warb Söder für Schwarz-Grün
Dabei war der Beziehungsstatus nicht immer so kompliziert. Söder pflegt heute seine Wut auf Habeck mit derselben Inbrunst, mit der er mal seine Liebe zu den Grünen gepflegt hat. Vor vier Jahren klang es schließlich noch so bei Söder: Schwarz-Grün? „Ich glaube, dass es für viele attraktiv wäre. Eine Konstellation, die neben Sicherheit auch Inspiration bieten könnte.“ Und weiter: Er glaube, dass Schwarz-Grün einen großen Reiz hätte, „weil beide politischen Kräfte die ganz großen Fragen unserer Zeit im Blick haben, wie die Versöhnung von Ökologie und Ökonomie“. Schwarz-Grün, fand Söder im Dezember 2020, „das wäre aktuell das interessanteste politische Angebot“.
Robert Habeck lobte er damals ausdrücklich, weil der Grüne nicht einfach nur die politische Tagesordnung abarbeite, sondern „diesen anderen, philosophischen Blick auf Politik hat“. Habecks Art könne Menschen auch wieder für Politik begeistern.
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Söders Position kann für Merz auch hilfreich sein
Auf den ersten Blick macht Söder es jetzt Unionskanzlerkandidat Merz schwer mit seiner strikten antigrünen Haltung. „Mit der CSU gibt’s kein Schwarz-Grün.“ Wie soll Merz weiter glaubhaft sagen, dass er sich Koalitionen mir allen Parteien der demokratischen Mitte vorstellen kann, wenn die Bayern klipp und klar Nein zu den Grünen sagen?
Auf den zweiten Blick hilft es Merz, wenn die CSU mit ihrer Position ordentlich Wählerstimmen holt, die am Wahlabend auf die Gesamtbilanz der Union einzahlen. Und am Ende weiß auch Merz, dass Söder zur Not seine Haltung wieder ändern kann, es wäre nicht das erste Mal. Auf Söders inhaltliche Flexibilität in der Vergangenheit verweisen sie auch bei den Grünen regelmäßig, wenn es darum geht, wie stabil die Mauer wohl ist, die der CSU-Chef seit einer Weile aufbaut.
Und wer will, kann die ständigen Wortmeldungen Söders auch als Kompliment verstehen: Er glaube schon, dass der bayerische Ministerpräsident „so eine Art Crush on me“ habe, also auf eine Art für ihn schwärme, sagte Habeck vor einigen Tagen in einem Podcast. „Aber das ist nicht in gleichem Maße zurückgegeben.“
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