Berlin. Kaum Sonnenenergie und die Windkraftanlagen liefern zu wenig: Deutschland erlebte eine Dunkelflaute – und in die Höhe schießende Strompreise.
Wenn der Wind nicht weht und gleichzeitig die Sonne nicht scheint und so entsprechende Energieanlagen keinen Strom produzieren können, sprechen Fachleute von einer Dunkelflaute. Typischerweise entsteht so eine Wetterlage in den Wintermonaten, was an den Handelsbörsen für Strom für steigende Preise sorgt – nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen des Kontinents. Eine solche Preisspitze bringt der Republik jetzt aber sogar Kritik aus dem Ausland ein. Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Was ist eine Dunkelflaute?
Der Begriff Dunkelflaute ist ein sogenanntes Kofferwort und setzt sich zusammen aus Windflaute und Dunkelheit. In einer solchen Wetterlage bekommen Windkraftanlagen nicht genug Wind und Photovoltaikanlagen nicht genug Sonne, um Strom zu erzeugen.
Warum stiegen zuletzt die Strompreise so enorm?
Photovoltaik- und Windkraftanlagen sind wegen ihrer volatilen Einspeisung nicht grundlastfähig, können also nicht konstant für die benötigten Strommengen sorgen. Speicherkraftwerke wie Großbatterien könnten helfen und Preisspitzen abfedern, viele sind aber noch nicht am Netz. Bei Bedarf laufen stattdessen Kohle- und Gaskraftwerke an, deren Betrieb sich nicht lohnt, wenn viel erneuerbarer Strom produziert wird und den Preis drückt. Zudem wird Strom aus dem Ausland gekauft. Mit der Nachfrage steigen auch die Preise an den Strombörsen.
Die Zahl der wetterunabhängigen Kraftwerke in Deutschland sinkt: 2023 waren die letzten deutschen AKW vom Netz gegangen. Im Frühling dieses Jahres wurden dann mehr als vier Gigawatt Braun- und Steinkohlekraftwerke stilllegt, die wegen der Energiekrise schon länger als geplant am Netz gewesen waren.
Perspektivisch sollen Gaskraftwerke dabei helfen, Schwankungen in der Erzeugung erneuerbaren Stroms auszugleichen, weil sie deutlich weniger CO2 verursachen als Kohlekraftwerke und zudem rasch hoch- und runtergeregelt werden können. Doch das Kraftwerkssicherungsgesetz von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) kommt wegen der geplatzten Ampel-Koalition nun doch nicht. Habeck hatte eigentlich geplant, mit Ausschreibungen zum Bau neuer Kraftwerke im ersten Halbjahr 2025 zu beginnen.
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Wie teuer ist der Börsenstrom?
Wegen Nebel und keinem Wind waren die Strompreise im sogenannten Intraday-Handel am Donnerstag auf über 1000 Euro pro Megawattstunde gestiegen. Um 17 Uhr hatte der Preis sogar zeitweilig auf einem Zwei-Jahres-Hoch gelegen. Am Freitag lag der Preis bereits wieder deutlich darunter, bei rund 180 Euro, am Wochenende soll er noch deutlich weiter sinken. Der aktuelle 30-Tage-Durchschnitt liegt bei gut 120 Euro je Megawattstunde.
Ist die Energieversorgung in Deutschland sicher?
Ja. Einen Blackout wird die Lage so schnell nicht zur Folge haben. Der europäische Strommarkt funktioniert, zudem helfen bei Engpässen Reserven. Das zeigen auch Daten aus dem vergangenen Jahr. Der Datenbank Energy Charts des Fraunhofer-Instituts für solare Energiesysteme (ISE) zufolge habe 2023 die maximale Last, also der Stromverbrauch plus Netzverluste, bei 74 Gigawatt gelegen. Dem gegenüber hätten 90 Gigawatt gesicherte Kraftwerksleistung plus zehn Gigawatt Pumpspeicher gestanden.
Importe spielten zudem nur eine untergeordnete Rolle. Zwar hatte Deutschland im vergangenen Jahr erstmals seit 2006 wieder mehr Strom importiert als exportiert. In der Summe wurden allerdings nur zwei Prozent des Bruttostromverbrauchs mit Einfuhren gedeckt. Alternativ hätte man auch Kraftwerke im Inland hochfahren können, was jedoch vermutlich mehr CO₂-Emissionen und höhere Stromrechnungen für die deutschen Stromkunden bedeutet hätte.
Welchen Einfluss hätten Atomkraftwerke, wenn sie noch am Netz wären?
Die zusätzlichen vier Gigawatt Leistung, die die drei zuletzt abgeschalteten Atomkraftwerke hatten, würden bei Preisspitzen wie denen am Donnerstag „keinen großen Unterschied machen“, sagt Lion Hirth, Energieökonom an der Hertie School in Berlin. Fragezeichen hat er an anderer Stelle: „Das Problem war, dass viele der Kraftwerke, die wir haben, am Donnerstagabend nicht liefen, und das, obwohl die Preise mehr als auskömmlich waren, damit sich der Betrieb eines Kohle- oder Gaskraftwerks lohnt.“ Das sei auch nicht einfach zu erklären. Ein Teil der Kraftwerke könnte nicht funktionsfähig gewesen sein. „Es ist aber auch denkbar, dass ein Teil der Betreiber die Kraftwerke nicht angefahren hat, um mit bereits laufenden Kraftwerken höhere Preise zu erzielen“, sagt Hirth. „Das wäre aus meiner Sicht ein Ausnutzen von Marktmacht.“
Welche Risiken bestehen für Verbraucher?
Die Preisentwicklung trifft vor allem Stromkunden mit sogenannten dynamischen Stromtarifen, die sich am aktuellen Börsenstrompreis orientieren. Wer einen solchen Vertrag hat, sollte die Strompreise des nächsten Tages genau im Blick haben, sagt Henning Herbst, Strommarkt-Experte beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „Sie können versuchen, zu den Tageszeiten, an denen der Strom besonders teuer ist, weniger Strom zu verbrauchen.“
Bislang spielen solche Tarife jedoch lediglich eine untergeordnete Rolle. Erst ab dem kommenden Jahr schreibt der Gesetzgeber Versorgern vor, entsprechende Tarife anbieten zu müssen. Stromkunden mit Festpreistarifen sehen Ausschläge wie die am Donnerstag nicht auf der nächsten Rechnung, aber vielleicht bei der nächsten Vertragsverlängerung, denn die Stromanbieter geben die Börsenpreise weiter.
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Wie reagiert die Wirtschaft?
Auch mit Kritik an der Bundesregierung. „Dunkelflauten erzeugen immer öfter extrem hohe Energiepreise und gefährden so Industrieproduktion und Arbeitsplätze am Standort Deutschland. Die aktuellen Entwicklungen am Strommarkt zeigen, dass die Versorgungssicherheit bei der Energiewende sträflich vernachlässigt wurde“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Holger Lösch, dieser Redaktion. Nun müsse die Politik eine intelligente Kraftwerksstrategie vorantreiben, um Grundlastfähigkeit zu garantieren, forderte Lösch. Bis 2030 sind dem BDI zufolge dutzende Gaskraftwerke notwendig, um Deutschlands Versorgungssicherheit zu gewährleisten. „Für deren Planung und Bau fehlt jedoch weiterhin jede Grundlage“, monierte Lösch.
Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) sieht die Politik in der Pflicht. „Die hohen kurzfristigen Preise sind eine deutliche Warnung an die Politik, die Terminmärkte zur Absicherung zu stärken. Eine Ausrichtung von Produktion an Wetterbedingungen beinhaltet hohe Risiken für den Wirtschaftsstandort Deutschland und insbesondere für die Industrie“, erklärte DIHK-Vizechef Achim Dercks gegenüber dieser Redaktion.
Warum beschweren sich Schweden und Norwegen über Deutschland?
Ebba Busch, die stellvertretende schwedische Ministerpräsidentin und Energieministerin, kritisierte in einem Posting auf der Plattform „X“, dass Deutschland durch die Abschaltung seiner Kernkraftwerke die Energiepreise auch in Schweden in die Höhe getrieben habe. Vor allem im südlichen Teil Schwedens waren die Strompreise in den vergangenen Tagen hoch, weil Strom nach Deutschland exportiert wurde. In der Folge wurden in Schweden das Angebot knapp, die Preise stiegen.
Busch schrieb auf „X“ mit Blick auf Deutschlands Verantwortung: „Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise. Das ist eine Folge der Abschaltung der Kernkraftwerke.“ Laut der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“ habe Busch auch gesagt, sie sei „wütend“ auf Deutschland. Und weiter: „Der Zugang zu solchen Grundlastkraftwerken hätte die Übertragungskapazität von Deutschland in andere Strompreisgebiete in Europa erhöht, was die Preise für uns alle gesenkt hätte.“ In Norwegen haben die extremen Preisausschläge eine Debatte über die Verbindung zum Strommarkt auf dem Kontinent ausgelöst.
Elprisernas berg- och dalbana är horribel. Imorgon blir det drygt 8 kr i södra Sverige mellan 17-18. Många andra timmar har vi extremt låga priser. Det är ett resultat av nedlagd kärnkraft. När det inte blåser får vi höga elpriser med detta misslyckade elsystem, vilket tyska…
— Ebba Busch (@BuschEbba) December 11, 2024
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