Mit Bildung der Koalition an der Elbe wird es für die Große Koalition in Berlin schwieriger, Gesetze durch den Bundesrat zu bekommen.

Wenn der rot-grüne Senat in Hamburg wie geplant nächste Woche ins Amt kommt, wird er die Position der Großen Koalition im Bundesrat weiter schwächen: Denn die zuletzt SPD-regierte Hansestadt gehörte bislang zum „Regierungslager“ der Länderkammer und wandert mit der Koalitionsbildung in den neutralen Block. Damit wird es für die Regierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch schwieriger, im Bundesrat Mehrheiten für zustimmungsbedürftige Gesetze zu bekommen. Gestärkt wird die Rolle der Grünen.

Die absolute Mehrheit, die vor allem bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen entscheidend ist, liegt im Bundesrat bei 35 von 69 Stimmen. Diese hatte die Große Koalition schon zuletzt verfehlt: Die von SPD und Union gemeinsam oder allein regierten Länder brachten es zusammen auf 27 Stimmen in der Länderkammer. Mit Rot-Grün in Hamburg verfügt der schwarz-rote Block im Bundesrat nur noch über 24 Stimmen, wenn die Länderkammer am 8. Mai zur nächsten Sitzung zusammenkommt. Das Lager der Großen Koalition besteht dann nur noch aus den Vertretern der von CDU und SPD gemeinsam regierten Länder Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie dem von der CSU allein regierten Bayern.

Damit braucht die Große Koalition mindestens elf Stimmen aus dem neutralen Lager, um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz durch den Bundesrat zu bringen. Eine Beschlussfassung wie bei der Asylrechtsverschärfung von 2014, bei der das grün-rote Baden-Württemberg neben dem damals schwarz-gelben Sachsen dem Gesetz zur Mehrheit verhalf, wäre so nicht mehr möglich.

Koalitionsvertrag: Rot-Grün stellt Entwurf vor

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katharina Fegebank, wirken bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags in den Deichtorhallen sehr zufrieden
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katharina Fegebank, wirken bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags in den Deichtorhallen sehr zufrieden © dpa | Axel Heimken
Bevor es losging, inspizierte der Bürgermeister höchstpersönlich, ob die Technik auch funktioniert
Bevor es losging, inspizierte der Bürgermeister höchstpersönlich, ob die Technik auch funktioniert © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Alles klar, die Pressekonferenz startet kurz nach 11 Uhr
Alles klar, die Pressekonferenz startet kurz nach 11 Uhr © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Links die Verhandllungsführer der Grünen, die beiden  Fraktionsvorsitzenden Jens Kerstan und Katharina Fegebank, rechts daneben Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und der SPD-Fraktionsvorsitzende  Andreas Dressel bei der Präsentation
Links die Verhandllungsführer der Grünen, die beiden Fraktionsvorsitzenden Jens Kerstan und Katharina Fegebank, rechts daneben Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und der SPD-Fraktionsvorsitzende Andreas Dressel bei der Präsentation © dpa | Axel Heimken
Und so sieht das Ganze von der anderen Seite aus
Und so sieht das Ganze von der anderen Seite aus © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Zahlreiche Journalisten waren zur Vorstellung des Koalitionsvertrags gekommen. Und sie stellten kritische Fragen
Zahlreiche Journalisten waren zur Vorstellung des Koalitionsvertrags gekommen. Und sie stellten kritische Fragen © dpa | Axel Heimken
Was war noch die Frage?
Was war noch die Frage? © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Noch einmal bitte!
Noch einmal bitte! © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Der Bürgermeister in Denkerpose
Der Bürgermeister in Denkerpose © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Der Vertrag hat immerhin 115 Seiten, da muss man manches noch genau nachschauen
Der Vertrag hat immerhin 115 Seiten, da muss man manches noch genau nachschauen © dpa | Axel Heimken
Jetzt hat der Bürgermeister das Wort
Jetzt hat der Bürgermeister das Wort © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Und jetzt das Ganze noch Mal für die Fotografen
Und jetzt das Ganze noch Mal für die Fotografen © dpa | Axel Heimken
Dieses Mal trat Katharina Fegebank in einem Kleid in dezentem Blau vor die Presse - am Anfang der Verhandlungen trug sie meist Rot
Dieses Mal trat Katharina Fegebank in einem Kleid in dezentem Blau vor die Presse - am Anfang der Verhandlungen trug sie meist Rot © dpa | Axel Heimken
Die Vertreter beider Parteien stellten den Entwurf des rot-grünen Koalitionsvertrages in den Deichtorhallen vor
Die Vertreter beider Parteien stellten den Entwurf des rot-grünen Koalitionsvertrages in den Deichtorhallen vor © dpa | Axel Heimken
Große Aufmerksamkeit für den neuen Koalitionsvertrag
Große Aufmerksamkeit für den neuen Koalitionsvertrag © dpa | Axel Heimken
In der ersten Reihe der zukünftige Justizsenator Till Steffen (l.) und die grüne Bundestagsabgeordneten Anja Hajduk und Manuel Sarrazin
In der ersten Reihe der zukünftige Justizsenator Till Steffen (l.) und die grüne Bundestagsabgeordneten Anja Hajduk und Manuel Sarrazin © Michael Rauhe | Michael Rauhe
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katharina Fegebank, betreten die Deichtorhallen
Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und die Fraktionsvorsitzende von Bündnis90/Die Grünen in der Hamburgischen Bürgerschaft, Katharina Fegebank, betreten die Deichtorhallen © dpa | Axel Heimken
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Auf der anderen Seite verschafft die Koalition in Hamburg der Opposition im Bund kaum zusätzliche Macht, etwa um gegen nicht zustimmungsbedürftige Gesetze der Bundesregierung im Bundesrat Einspruch zu erheben oder eigene Beschlüsse durchzusetzen. Denn Länderregierungen, in denen Regierung und Opposition aus dem Bund vertreten sind, enthalten sich in der Regel im Bundesrat der Stimme. Das gilt auch für die von SPD und Grünen gemeinsam regierten Länder.

Doch der Einfluss der Grünen in der Länderkammer dürfte steigen. Denn sie sind nunmehr in neun Landesregierungen beteiligt, die gemeinsam über 41 Stimmen verfügen. Zum neutralen Block gehört auch das rot-rote Brandenburg, das vier Stimmen hat.

Zentrale Vereinbarungen von SPD und Grünen

Die Unterhändler von SPD und Grünen in Hamburg haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Zentrale Inhalte sind dabei:

Haushalt/Finanzen: Die Haushaltskonsolidierung wird fortgesetzt, die Ausgaben werden weiter am langfristigen Einnahmetrend ausgerichtet. Die jährliche Steigerung im Haushalt bleibt bei 0,88 Prozent gedeckelt (0,5 Prozent nach dem neuen Finanzrahmengesetz). Die von 2020 an geltende und auch in der Hamburgischen Verfassung verankerte Schuldenbremse hat Bestand. Insgesamt 100 Millionen Euro stehen in den kommenden fünf Jahren zusätzlich zur Verfügung.

Schule: Die Schulen werden finanziell und personell besser ausgestattet, der Ganztagsbereich wird ausgebaut und die Inklusion vorangetrieben. Außerdem soll es mehr Produktionsküchen geben und der Kampf gegen Unterrichtsausfall verstärkt werden. Zudem sollen sich Hamburgs Schüler mehr an zentralen Bundesprüfungen beteiligen.

Wirtschaft/Hafen: Sollten die Gerichte die Elbvertiefung zulassen, wird sie auch umgesetzt. Gleichzeitig soll dann auch ein Paket zur „Ökologisierung der Elbe“ geschnürt werden.

Verkehr: Der geplante U-Bahnbau wird beschleunigt, das Busbeschleunigungsprogramm modifiziert und der Fahrradverkehr in Hamburg soll bis spätestens 2030 auf 25 Prozent erhöht werden. Nicht geben wird es eine Stadtbahn, eine City-Maut oder eine Umweltzone.

Wissenschaft: Die Wissenschaft in Hamburg erhält zusätzlich 40 Millionen Euro. Der Hochschulbau wird unverändert fortgesetzt. Die umstrittenen BAföG-Millionen in Höhe von rund 30 Millionen Euro fließen weiterhin nicht in die Hochschulen.

Kultur: Bau und Betrieb der Elbphilharmonie werden nicht zulasten der übrigen Kultur gehen. Die Filmförderung bleibt bestehen, die Bildenden Künste werden gestärkt und die Privattheater weiter unterstützt. Die Tourismus- und Kulturtaxe soll Raum für neue Projekte schaffen.

Umwelt: Der Umwelt- und Klimaschutz wird mit 30 Millionen Euro zusätzlich ausgestattet. Naturschutzgebiete werden ausgeweitet, die Grünanlagen besser gepflegt und mehr Dachbegrünungen vorgenommen. Der Luftreinhalteplan wird weiterentwickelt. Das veraltete Kohlekraftwerk Wedel wird ersetzt - unklar ist jedoch wodurch.

Wohnen: Senatsziel bleibt, dass jedes Jahr 6000 neue Wohnungen gebaut werden, ein Drittel davon als Sozialwohnungen. Grünflächen, Biotope und Landschaftsachsen sollen dabei besonders geschont werden, und auch die Energieeffizienz soll im Vordergrund stehen. Menschen in Notlagen sollen von Projekten sozialer Investoren profitieren, welche von der Stadt günstige Grundstücke erhalten sollen. Die Mietpreisbremse wird möglichst in ganz Hamburg eingeführt.

Gesundheit/Verbraucherschutz: Der Senat will mehr spezialisierte, überregionale Behandlungszentren nach Hamburg holen, eine gleichmäßige Ärzteversorgung in allen Stadtteilen fördern und in jedem Bezirk ein Zentrum für Altersmedizin einrichten. Bei der Pflege gilt weiter das Ziel, Pflegebedürftige möglichst lange zu Hause leben zu lassen. Außerdem wird ein Modellprojekt zur kontrollierten Abgabe von Cannabis an namentlich bekannte Erwachsene geprüft.

Justiz: Der Strafvollzug in Hamburg wird reformiert, die Frauenabteilungen werden nach Billwerder verlegt. Außerdem soll es ein Resozialisierungsgesetz geben. Der Datenschutzbeauftragte soll mehr Freiheiten erhalten.

Soziales/Kinder: Der Betreuungsschlüssel an Kindertagesstätten wird schneller auf 1:4 erhöht als geplant. Außerdem soll der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) besser ausgestattet und ein Personalbemessungssystem rasch eingeführt werden. Das Hamburger Mindestlohngesetz wird angepasst, die Leiharbeit eingeschränkt. Befristungen sollen vermieden und Langzeitarbeitslose mehr unterstützt werden.

Olympia/Referendum: Bevor Olympische Spiele in Hamburg stattfinden können, soll es ein verbindliches Referendum geben. Dazu soll die Verfassung geändert werden. Außerdem sind sich beide Parteien einig, dass Sommerspiele in Hamburg deutlich kleiner, bescheidener und nachhaltiger werden müssen als Olympische Spiele bislang sind.

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„Neutral“ sind neben Hamburg die von SPD und Grünen regierten Länder Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen, dazu das schwarz-grün regierte Hessen und das rot-rot-grüne Thüringen.