Hamburg. Die Hansestadt verzichtet jetzt doch auf Berufung gegen Umwelturteil. Ökopartei überzeugt SPD in Koalitionsverhandlungen.

Katharina Fegebank ist von Natur aus ein fröhlicher Mensch. Wenn die Landesvorsitzende der Grünen mal bedröppelt dreinschaut, muss schon etwas im Argen liegen. Der 12. März war so ein Tag. Da präsentierten SPD und Grüne nach stundenlangen Koalitionsverhandlungen die Ergebnisse in Sachen Umweltschutz, und auf die Frage, ob die Stadt weiter gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vorgehen wolle, das von Hamburg mehr Engagement für die Luftqualität gefordert hatte, antwortete die aktuelle Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) selbstbewusst mit „Ja.“ Die neben ihr stehende Fegebank, deren Partei das Urteil immer als „schallende Ohrfeige“ für den Senat bezeichnet hatte, hätte sich wohl am liebsten in Luft aufgelöst. „Wir haben darüber gesprochen“, räumte sie auf Nachfrage ungewohnt wortkarg ein. „Und das ist jetzt der Weg.“ Also der SPD-Weg.

Diese scheinbare Aufgabe im Kampf für bessere Luft hatte die Basis der Grünen mehr entsetzt als alle anderen angeblichen „Kröten“, die sie in den Verhandlungen mit der SPD zu schlucken hatten. Stellvertretend für viele Parteimitglieder hatte Maximilian Bierbaum, Sprecher der Grünen Jugend, geschimpft, er verstehe „gar nicht“, warum die Verhandlungsspitze der Grünen ihre Haltung aufgegeben habe. Er erwarte, „dass da noch nachverhandelt wird“.

Nun wurde tatsächlich „nachverhandelt“, und siehe da: Die Grünen haben sich durchgesetzt, auf eine Berufung gegen das Urteil wird doch verzichtet. Entscheidend sei die schriftliche Urteilsbegründung gewesen, die nun vorliegt, heißt es aus Verhandlungskreisen. Alle dort vom Gericht geforderten Maßnahmen für mehr Luftreinhaltung hätten SPD und Grüne ohnehin geplant, und einiges mehr. „Wir werden das Urteil erfüllen“, kündigt ein Mitglied der Grünen-Verhandlungsrunde selbstbewusst an. „Daher erübrigt sich die Berufung.“

Darum geht es: Die Umweltschutzorganisation BUND und ein Anwohner der stark belasteten Stresemannstraße hatten die Stadt wegen des ständigen Überschreitens der gesetzlichen Grenzwerte für das giftige Stickstoffdioxid (NO2) verklagt. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte ihnen Anfang November im Grundsatz recht gegeben und den Senat angewiesen, geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen, also den bereits vorhandenen Luftreinhalteplan nachzubessern. Der Forderung der Kläger nach Einführung einer City-Maut oder einer Umweltzone hatte das Gericht jedoch nicht stattgegeben.

Die Umweltbehörde hatte sich damals überzeugt gezeigt, dass ihr Luftreinhalteplan mit seinen rund 80 Maßnahmen ausreiche, um die Grenzwerte langfristig einhalten zu können. Dazu zählte sie etwa die Stärkung des Radverkehrs, den Ausbau des Personennahverkehrs mit der neuen U 5, der neuen S 21 und dem Ausbau der U 4 sowie die geplante Landstromanbindung von Kreuzfahrtschiffen. Gegen das Urteil vorgehen wollte der Senat vor allem, um Zeit zu gewinnen und „seine“ Maßnahmen umsetzen zu können, bevor ihm andere diktiert werden.

Ob die SPD-Pläne wirklich ausgereicht hätten, ist jedoch fraglich. In den Koalitionsverhandlungen hatten die Grünen daher schon frühzeitig viele weitere Maßnahmen durchgesetzt. So soll es nun auch Landstromversorgung für Containerschiffe geben – die rußenden Motoren der im Hafen liegenden Schiffe gelten als eines der größten Luft-Probleme der Stadt –, der Lkw-Verkehr im Hafen soll stärker aufs Wasser verlagert werden, es soll eine „Bonus-Malus-Regelung“ geben, mit der saubere Schiffe belohnt und dreckige bestraft werden, die Inner-Hafen-Verkehre sollen auf ihre Emissionen hin untersucht und die Anschaffung von emissionsfreien Bussen soll beschleunigt werden. Nicht zuletzt zahlt auch der bisher größte Verhandlungserfolg der Grünen, die geplante Steigerung des Radverkehrsanteils auf 25 Prozent, auf dieses Konto ein.

„Das, wozu uns das Gericht verurteilt hat, setzen wir jetzt um. Daher wäre es nicht zweckmäßig, das Urteil anzufechten“, heißt es aus SPD-Kreisen. Dieses Vorgehen sei angesichts der Urteilsbegründung sinnvoll, daher hätten die Grünen es den Sozialdemokraten gar nicht „abtrotzen“ müssen. „Uns war aber klar, dass die geplante Berufung für die Basis der Grünen schwierig war“, sagt das SPD-Mitglied. Daher dürfe die Öko-Partei diesen Punkt gern für sich verbuchen. Im Koalitionsvertrag, der diese Woche vorgestellt werden soll, wird der Verzicht auf die Berufung gegen das Urteil festgehalten. Stattdessen verpflichten sich SPD und Grüne, den bestehenden Luftreinhalteplan umzusetzen und in zwei Jahren einen neuen vorzulegen, der auch alle beschlossenen Maßnahmen enthält.