Hamburg. Bürgermeister Olaf Scholz hat ein Problem: Die Frauenquote im neuen Senat könnte sinken. Grüne verlangen drei Ressorts.
Mit Stadtentwicklungs- und Umweltsenatorin Jutta Blankau (SPD) erklärt die zweite Frau, dass sie dem künftigen Senat nicht angehören möchte. Zuvor hatte Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) ihren Verzicht bekannt gegeben. Die Juristin will sich mehr um ihre Familie kümmern. Auf den ersten Blick erhöht das die Flexibilität für Bürgermeister Olaf Scholz (SPD), weil er den Grünen als Partnern nicht zuletzt Senatsposten anbieten muss. Doch auf den zweiten Blick hat Scholz ein Problem: Die Frauenquote im Senat sinkt erst einmal dramatisch.
Zwar gilt als sicher, dass Grünen-Chefin Katharina Fegebank neue Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin wird, aber der Quote hilft das nicht. Fegebank würde Dorothee Stapelfeldt (SPD) von diesem Posten verdrängen. Mit Kultursenatorin Barbara Kisseler (parteilos) und Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) gehören nur zwei weitere Frauen dem Kabinett an.
+++ Vorstellung des Koalitionsvertrages ab 11 Uhr: Hier geht's zum Livestream +++
Es wäre naheliegend, wenn Scholz in dieser Lage Stapelfeldt in die Stadtentwicklungsbehörde berufen würde. Damit wären zwei Probleme mit einem Schlag gelöst: Immerhin vier Frauen würden dem neuen Senat angehören, und Stapelfeldt hätte eine neue Aufgabe. Denn es gilt als sehr unwahrscheinlich, dass die bisherige Zweite Bürgermeisterin bei der Verteilung der Posten leer ausgeht. Sowohl Kisseler als auch Prüfer-Storcks gelten nicht nur bei Scholz, sondern allgemein in der SPD als unverzichtbar. Beiden wird attestiert, gute Arbeit in den letzten vier Jahren geleistet zu haben. Über Kisseler sagte ein führender Sozialdemokrat, sie habe die Kulturszene „befruchtet und befriedet“.
Doch die Entsendung von Stapelfeldt in die Stadtentwicklungsbehörde schafft auch ein neues Problem: Die Behörde muss geteilt werden, denn der Bereich Umwelt soll, wie bereits berichtet, herausgelöst und dem Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan unterstellt werden. Das bedeutet: Es wird einen Senatsposten mehr als bislang geben – elf statt zehn.
Grüne verlangen drei Senatsposten
Es spricht einiges dafür, dass Scholz und die rot-grünen Unterhändler insgesamt bereit sind, diesen „Zuwachs“ in Kauf zu nehmen, wenn auf diese Weise ein Interessenausgleich herbeigeführt und Konflikte vermieden werden. Nach Abendblatt-Informationen hat die SPD in den Gesprächen deutlich gemacht, dass sie möglichst wenig am Ressortzuschnitt und am Personal ändern will.
So soll Scholz den Grünen angeboten haben, die gesamte Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt in Kerstans Regie zu geben. Doch das hätte den Preis, dass der kleinere Partner neben dem Großressort nur ein weiteres bekommen hätte: Wissenschaft. Dazu waren die Grünen nach Abendblatt-Informationen nicht bereit, weil sie drei Senatsposten verlangen.
So wird es nun vermutlich auch kommen: Das dritte Ressort dürfte die nach dem Schiedek-Verzicht frei gewordene Justizbehörde sein, in die Till Steffen wieder einziehen könnte. Der Rechtsanwalt hatte das Amt schon von 2008 bis 2010 während der schwarz-grünen Koalition inne.
Immerhin wird das Umweltressort mit mehr Kompetenzen ausgestattet: So soll Kerstan auch für den Energiebereich zuständig sein und damit für die weitere Umsetzung des Netzerückkaufs sowie die Frage, wie das altersschwache Kohlekraftwerk Wedel ersetzt werden soll. Auch das Amt für Landschaftsplanung soll unter Kerstans Aufsicht kommen. Damit ist andererseits eine Lieblingsidee der Grünen am Widerstand der SPD gescheitert. Eine eigenständige Verkehrsbehörde wird es wohl ebenso wenig geben wie eine Verschmelzung von Umwelt und Verkehr. Offensichtlich waren die Sozialdemokraten nicht bereit, die Verantwortung für das zentrale Infrastruktur-Ressort aus der Hand zu geben.
Viel spricht dafür, dass es bei der Koppelung von Wirtschaft und Verkehr bleiben wird. Wahrscheinlich wird Scholz an Ex-Handelskammer-Präses Frank Horch (parteilos) festhalten. Als gesetzt gelten die SPD-Senatoren Ties Rabe (Schule), Detlef Scheele (Soziales), Peter Tschentscher (Finanzen) sowie Michael Neumann (Innen, Sport).
Der freiwillige Abgang von Jutta Blankau (SPD) könnte dem künftigen Senat ein neues Problem bescheren. Denn die ehemalige Bezirksleiterin der IG Metall Küste wurde von den Gewerkschaften fachübergreifend als Ansprechpartnerin wahrgenommen. „Sie hat ein tiefes Verständnis für die Belange der Arbeitswelt“, sagt ein Spitzen-Gewerkschafter. Mehrmals seien Themen über Blankau an den Senat herangetragen worden. So eine Person wünsche man sich für die Zukunft auch, und, so heißt es: „Das sollte schon ein Senatsmitglied sein.“ Nach Lage der Dinge wird dieser Wunsch aber nicht in Erfüllung gehen. Wahrscheinlich ist, dass Scholz diese Funktion persönlich wahrnehmen wird.
Dem bisherigen SPD-Senat gehörten fünf Frauen und fünf Männer an. Jetzt ist aus SPD-Kreisen zu hören, man müsse bei der Frauenquote außer dem Senat auch die anderen Spitzenjobs in der Fraktionsführung und dem Bürgerschaftspräsidium einrechnen. Da ist der Frauenanteil deutlich höher als vermutlich im künftigen Senat.
Die Grünen-Abgeordneten in der neuen Bürgerschaft