Die Verhandlungen für eine rot-grüne Koalition in Berlin sind gescheitert. Beide Parteien geben sich nun gegenseitig die Schuld dafür.
Berlin. Nach dem Aus für Rot-Grün in Berlin sehen die Grünen eine künftige Koalition mit den Sozialdemokraten im Bund in Gefahr. „Ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD vergessen“, sagte die glücklose Spitzenkandidatin der Berliner Grünen, Bundestagsfraktionschefin Renate Künast, der „Leipziger Volkszeitung“ (Donnerstag).
Führende SPD-Politiker sprachen dagegen von einem Einzelfall ohne langfristige Folgen für das rot-grüne Verhältnis. In Berlin will die SPD nun mit der CDU über eine Koaliton verhandeln. Die Gespräche sollen am kommenden Mittwoch beginnen, vereinbarten die Unterhändler beider Seiten am Donnerstagabend.
Auch Volker Beck, Grünen-Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag, wertete die gescheiterten Koalitionsverhandlungen als Gefahr für den erhofften Regierungswechsel im Bund. „Das ist keine kluge Entscheidung im Hinblick auf die Ablösung von Schwarz-Gelb im Bund“, sagte er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch schwänden die Chancen, über den Bundesrat aktiv Einfluss auf die Politik der schwarz-gelben Bundesregierung zu nehmen.
Dagegen hält der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel das Scheitern einer rot-grünen Koalition in Berlin nicht für ein Signal an die Bundespolitik. „Im Bund gibt es keinerlei Option, mit einer so in sich zerstrittenen CDU/CSU Politik machen zu wollen“, sagte Gabriel in Hamburg. Die besondere Situation der Berliner Grünen werde sich auf Bundesebene nicht wiederholen.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) bestritt, dass das Scheitern von Rot-Grün in Berlin Auswirkungen auf die Bundespolitik nach der Bundestagswahl 2013 habe. „Die Bundesebene ist die Bundesebene. Die Situation in Berlin ist eine ganz andere, das hat keine Auswirkungen auf Rot-Grün im Bund“, sagte Wowereit. Selbstverständlich sei die SPD dafür, 2013 Schwarz-Gelb in der Bundesregierung abzulösen. Doch in Berlin hätten sich die Grünen als nicht regierungsfähig gezeigt.
Die rot-grünen Koalitionsgespräche waren am Mittwoch schon in der ersten Runde an Meinungsverschiedenheiten zum Weiterbau der Stadtautobahn A100 gescheitert.
+++ Rot-Grün dauerte in Berlin nur eine Stunde +++
+++ Wowereit lässt Rot-Grün in Berlin platzen +++
SPD-Chef Gabriel rief die Grünen dazu auf, ihre Haltung zu Verkehrsprojekten zu überdenken. Eine wirtschaftsfreundliche Infrastruktur sei die Grundlage des Wohlstands in Deutschland, dazu gehörten auch Autobahnen, Schienenwege, Stromtrassen und Pipelines, sagte er der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Es sei ein großer Irrtum der Grünen, wenn sie meinten, das alles sei im 21. Jahrhundert nicht mehr so wichtig.
Grünen-Chef Cem Özdemir wies dies bei „Handelsblatt online“ zurück und sagte, die SPD sei bei der Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in den 70er Jahren stecken geblieben. „Fortschritt bemisst sich für die Sozialdemokraten immer noch vor allem darin, möglichst viel Beton zu verbauen“, konterte Özdemir.
Der Berliner CDU-Vorsitzende Frank Henkel hob sein gutes Verhältnis zu den Spitzenvertretern der Sozialdemokraten hervor. „Ich glaube, es wird von Anfang an wichtig sein, dass man partnerschaftlich und fair miteinander umgeht“, sagte er dem RBB.
SPD-Landeschef Michael Müller kündigte zügige Koalitionsgespräche mit der CDU an. Ziel sei es, bis Ende November oder Anfang Dezember den Regierenden Bürgermeister zu wählen. Das neu gewählte Abgeordnetenhaus kommt am 27. Oktober zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. SPD und CDU haben zusammen 86 der 149 Sitze. SPD und Grüne hätten nur 76 Sitze gehabt, gerade einen mehr als die absolute Mehrheit von 75 Sitzen.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) hält eine rot-schwarze Koalition in Berlin noch nicht für sicher. „Ob nun wirklich Rot-Schwarz kommt, das wird man sehen. Ich bin davon noch nicht hundertprozentig überzeugt“, sagte er der „Mitteldeutschen Zeitung“ (Freitag). Die Stimmung in der Stadt und in der Partei habe für Rot-Grün gesprochen.
Seit zehn Jahren war Berlin von SPD und Linken regiert worden, doch diese Konstellation hatte bei der Wahl im September keine Mehrheit mehr gefunden. Von 1991 bis 2001 hatten SPD und CDU unter umgekehrten Vorzeichen bereits miteinander regiert – die SPD als Juniorpartner in dem vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geführten Senat.
Die Bundes-SPD hatte mit Blick auf die Mehrheiten im Bundesrat und die Signalwirkung für die Bundestagswahl 2013 auf Rot-Grün in der Hauptstadt gehofft. Mit dem Erstarken der Piratenpartei wäre derzeit eine rot-grüne Mehrheit bei einer Bundestagswahl allerdings ohnehin gefährdet. In letzten Umfragen kamen SPD und Grüne zusammen auf 45 Prozent – immer noch 11 Punkte mehr als die 34 Prozent von Schwarz-Gelb.
(dapd/dpa/ abendblatt.de)