Verhandlungen scheiterten am Bau von 3,2 Kilometer Autobahn. Bürgermeister Wowereit sucht nun das Bündnis mit der ungeliebten CDU.
Berlin. Zum dritten Mal in zehn Jahren haben die Grünen mit der SPD über die Bildung einer Landesregierung verhandelt, zum dritten Mal ließ der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sie im Regen stehen. Es passt offenbar nicht zwischen den Berliner Grünen und den beiden SPD-Spitzenmännern Wowereit und Michael Müller. "Weil wir in der Autobahnfrage gesprungen sind, müssen wir Zweifel haben, dass es bei der SPD einen ernsthaften Willen zur Koalition gab", sagte der Fraktionschef der Grünen, Volker Ratzmann, gestern nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen im Roten Rathaus. Damit endeten die Verhandlungen zur künftigen Berliner Landesregierung so, wie die beiden vorherigen: Gefühlt sahen sich die Grünen bereits im Senat, bevor diese Vorstellung ein abruptes Ende nahm.
Im Jahr 2001 dienten die Verhandlungen mit den Grünen dazu, vom eigentlichen Wunsch Wowereits abzulenken, einen Tabubruch zu vollziehen und erstmals mit der PDS (heute: Linkspartei) in eine Koalition zu gehen.
Damals verhandelte Wowereit zunächst mit den Grünen und der FDP, um eine Ampel-Koalition zu bilden. Weil die Grünen auf sechs Punkte nicht verzichten wollte, brach Wowereit die Verhandlungen aber schnell ab. Nach dem Scheitern fiel der öffentliche Aufschrei wegen der Koalition mit der SED-Nachfolgepartei PDS nicht ganz so groß aus. Eine Große Koalition war undenkbar, die hatten die Sozialdemokraten gerade gesprengt und so die Schuld für den Berliner Bankenskandal den Christdemokraten zugeschoben. Das Ende der damaligen Großen Koalition bedeutete damals auch das Ende der Ära Eberhard Diepgen/Klaus-Rüdiger Landowsky, die die Berliner CDU jahrelang geführt hatten.
+++ Rot-grüne Koalition? Berliner SPD ist skeptisch +++
2006 sahen sich die Grünen dann bereits am Ziel. Die Linkspartei hatte während der ersten rot-roten Landesregierung die Hälfte ihrer Stimmen verloren - schon vor fünf Jahren standen die Signale auf Rot-Grün. Doch damals verzockten sich die Grünen. Noch vor Ende der Verhandlungen verteilten sie untereinander halb öffentlich bereits Senatsposten. Wowereits Zweifel an der Seriosität der Grünen wuchs, er brach auch damals die Verhandlungen ab und ließ sich auf eine zweite rot-rote Regierung ein. Die Linkspartei sei der verlässlichere Koalitionspartner, hieß es damals.
Diesmal seien die Sondierungsgespräche ernsthaft und konstruktiv verlaufen, meinten die Grünen - aber am Ende kam man immer wieder auf den A-100-Streit zurück. "Was nützen viele kleine Schritte, die man aufeinander zugeht, wenn am Ende Wowereit einen riesigen Schritt zurückgeht", sagte der grüne Landeschef Daniel Wesener. Am Ende hätten Wowereit und Müller offenbar Angst vor der eigenen Partei gehabt, vermutete Fraktionschefin Ramona Pop. Wowereit und Müller fürchten demnach nicht zu allererst, dass die Grünen ein unsicherer Regierungspartner sind, sondern die verschiedenen Flügel in der eigenen Partei.
Auch außerhalb Berlins zweifeln Grüne an der Zuverlässigkeit der SPD. Manuel Sarrazin, Hamburger Abgeordneter der Grünen im Bundestag und Sprecher für Europapolitik, sagte dem Abendblatt: "Das Scheitern der Verhandlungen ist auch ein Zeichen dafür, dass sich die Grünen auf Teile in der SPD nicht mehr verlassen können. Es fehlte bei Wowereit immer ein klares Bekenntnis zu einem Bündnis mit den Grünen. Diese Haltung in der SPD ist leider auch kein gutes Signal für gemeinsame Politik im Bund."
Auch in weiten Teilen der Berliner SPD wurde die Nachricht vom Platzen der Koalitionsgespräche mit Entsetzen aufgefasst. "Das ist extrem bitter", sagte der umweltpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, der Spandauer Abgeordnete Daniel Buchholz. Große Teile der Basis und der Funktionäre in den Kreisverbänden hatten auf Rot-Grün als nächste Berliner Regierung gesetzt. "Es geht doch um viel mehr als um 3,2 Kilometer Autobahn." In der SPD wird sogar über einen Aufstand gegen Wowereit und Müller nachgedacht. Die offene Revolte wird zwar zunächst nicht stattfinden. Aber viele Genossen würden eine nun wahrscheinliche Koalition mit der CDU nur mit "geballten Fäusten in der Tasche" und "knirschenden Zähnen" mittragen. Wowereit zu Fall zu bringen trauen sich die Kritiker nicht. Aber für Landeschef Müller könnte es eng werden. "Das ist das Aus für Müller", hieß es gestern bei der SPD.
Am Abend dann war klar: Berlins Sozialdemokraten wollen nun in erneute Gespräche mit der CDU einsteigen. Müller sprach nach der Sitzung des SPD-Landesvorstands von Vorgesprächen für Koalitionsverhandlungen. Diese sollten möglichst ohne Zeitverzug, vielleicht schon in der kommenden Woche, erfolgen. Der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Frank Henkel hatte zuvor bereits deutlich gemacht, dass sich seine Partei einem Verhandlungsangebot nicht verschließen werde. "Wir sind bereit, Verantwortung für Berlin zu übernehmen", sagte Henkel.