Experte Gerd Glaeske warnte außerdem vor neuen Anti-Baby-Pillen. Arzneimittelreport der Barmer GEK kritisiert falsche Behandlungen.
Berlin. Der renommierte Bremer Gesundheitsökonom Gerd Glaeske hat die Übermedikation von Demenzkranken scharf kritisiert. Die Beruhigung von Patienten durch starke Medikamente in vielen Altenheimen sei „Gewalt gegen ältere Menschen“, sagte Glaeske, der am Arzneimittelreport 2011 vom Bremer Zentrum für Sozialpolitik mitarbeitete, im ZDF. In der höchsten Pflegestufe bekämen die Hälfte aller Menschen sogenannte ruhigstellende Neuroleptika. „Dabei zeigen Studien, dass man bis zu zwanzig oder dreißig Prozent weniger geben kann, wenn die Pflege entsprechend ist“, sagte Glaeske weiter.
Zudem würden Menschen mit Demenz, die solche Mittel bekommen, häufiger sterben. Der Pharmazeut rief dazu auf, Neuroleptika nur zu verschreiben, wenn der Patient sich selbst oder andere gefährde. Glaeske warnte zugleich vor neueren Formen von Anti-Baby-Pillen. Den Angaben zufolge bergen diese ein höheres Risiko von Gefäßverschlüssen und Thrombosen als ältere Pillen, bei denen das Verhältnis von Östrogenen und Gestagenen besser sei. „Es ist für mich unerklärlich, warum Ärzte solche Mittel verschreiben“, fügte Glaeske hinzu.
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Ärzte verordnen nach dem neuen Arzneimittelreport der Krankenkasse Barmer GEK vielen Alkoholabhängigen starke Schlafmittel, die zusätzlich süchtig machen können. Rund 14 Prozent der Alkoholkranken würden Schlafmittel verordnet. Bei den Ausgaben für Arzneimittel zeichnet der Report ein gemischtes Bild. Der Vizechef der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, wies darauf hin, dass die Ausgabenzuwächse durch die Spargesetze der Regierung gedrosselt worden seien.
Ein starkes Kostenplus gebe es aber bei gentechnisch hergestellten Mitteln (Biologicals) etwa gegen Rheuma, Multiple Sklerose oder Krebs. Im vergangenen Jahr sei es hier zu Steigerungsraten zwischen 8 und 17 Prozent gekommen. Auf rund 0,8 Prozent aller Versicherten entfielen damit 30 Prozent der Arzneimittelausgaben. (dapd/dpa)