Hellmut Königshaus: Es fehlt an Gespür, wann die Grenzen überschritten sind. Rostocker Kapitän fährt „Gorch Fock“ nach Kiel zurück.
Berlin. Affäre um die „Gorch Fock“, Vorwürfe von Marine-Angehörigen und gegen Soldaten in Afghanistan: Der Wehrbeauftragte Hellmut Königshaus hat in seinem Jahresbericht erhebliche Führungsschwächen bei der Bundeswehr angeprangert. Insbesondere unerfahrenen Vorgesetzten fehle es „an Wissen und Gespür dafür, wann die Grenzen zum Dienstvergehen beziehungsweise zur Straftat überschritten werden“, heißt es in dem 70-seitigen Bericht. Rüde Umgangsformen und herabmindernde Äußerungen würden oft nicht als unangebracht erkannt. „Oft gehen beleidigende Äußerungen mit anderen schwerwiegenden Pflichtverletzungen einher“, berichtet Königshaus. Als Beispiel nennt der FDP-Politiker schikanierende Aufnahmerituale bei den Gebirgsjägern in Mittenwald, die im Frühjahr 2010 für Aufsehen sorgten.
Der Vorgang mache zweierlei deutlich: „Zum einen fehlte vielen der beteiligten Soldatinnen und Soldaten das Unrechtsbewusstsein für ihr Handeln. Zum anderen zeigt er auch Defizite bei der Dienstaufsicht auf.“ Königshaus forderte, bei der anstehenden Bundeswehrreform Maßnahmen zu ergreifen, die zur Verbesserung der Disziplin in der Truppe beitragen. Unter anderem müsse dafür gesorgt werden, dass die Disziplinarvorgesetzten hinreichend auf ihre Aufgabe vorbereitet seien und auch Präsenz zeigen könnten.
Unterdessen wurde bekannt, dass das Ermittlerteam zur Untersuchung der Vorfälle auf dem Segelschulschiff „Gorch Fock“ auf sieben Experten aufgestockt worden ist. Darunter sind allein drei Juristen, wie ein Marine-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur sagte. Das Team unter Leitung des Chefs des Marineamtes, Konteradmiral Horst-Dieter Kolletschke, wird in der Nacht zum Freitag in Ushuaia in Südargentinien erwartet, wo die „Gorch Fock“ auf Reede liegt. Das Schulschiff soll unter dem Kommando seines früheren Kapitäns und Rostocker Marineoffiziers Michael Brühn nach Kiel zurückkehren. Der von Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) abberufene Kommandant Norbert Schatz ist nach Marine-Angaben nicht mehr an Bord.