Beim Besuch in der Marineschule Mürwik in Flensburg sprach Verteidigungminister Guttenberg mit Soldaten über die Gorch Fock-Affäre.
Flensburg. Der eisige Wind bei fast frostigen Temperaturen schien symbolträchtig für den Besuch von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg im Herzen der Marine. Das Verhältnis ist wegen der Affäre um die „Gorch Fock“, die Diskussion um die tödlich verunglückte Kadettin, angebliche Schikanen der Stammbesatzung und die Suspendierung des Kapitäns des Segelschulschiffs belastet.
Am Montag flog der Minister mit dem Hubschrauber in die traditionsreiche, wie eine Backstein-Festung wirkende Marineschule Mürwik in Flensburg oberhalb der Förde ein. In jene Marine-Kaderschmiede, die in ihrem 100-jährigen Bestehen schon mehrere deutsche Staaten – Kaiserreich, Weimarer Republik, Nazidiktatur und das geteilte Deutschland – überdauert hat.
Über "Ausbildung, Erziehung, Fürsorge“ referierte der Minister vor rund 300 Marinesoldaten in der Aula, darunter Ausbilder, aber auch etwa 60 Offiziersanwärter des Jahrgangs VII/2010, dem auch die am 7. November aus der Takelage der "Gorch Fock“ gestürzte Kadettin Sarah Lena S. (25) angehörte. Etliche Kameraden und Kameradinnen, die zum Zeitpunkt des tödlichen Unfalls an Bord waren, saßen jetzt auch in der Aula, wie ein Sprecher der Marine berichtete.
Die Öffentlichkeit blieb ausgeschlossen, beim Vortrag des Ministers und ebenso bei der anschließenden einstündigen Diskussion. "Es war ein sehr offenes, ein gutes Gespräch, das durch alle Dienstgrade hindurchging. Ich bin sehr zufrieden“, sagte der CSU-Politiker danach vor der Presse. Möglichkeiten, danach mit Kadetten zu sprechen, gab es nicht, auch kein Statement der Marine. Die Stammbesatzung der "Gorch Fock“, die tausende Kilometer entfernt zuletzt im chilenischen Valparaiso lag und voraussichtlich Ende April/Anfang Mai in Deutschland wieder eintreffen wird, hatte ihren Unmut in einem Offenen Brief an den Minister ausgedrückt. In drastischer Sprache war Guttenberg vorgehalten worden, den Kapitän Norbert Schatz abserviert zu haben. Er ist bis zur Klärung der Vorwürfe suspendiert. Zudem wurde fehlender Rückhalt beklagt. Beim kurzen Presse-Termin im Freien kündigte Guttenberg an, das Gespräch mit der Stammbesatzung zu suchen – unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Verbalen Balsam brachte Guttenberg nach Mürwik, sprach "von einer großartigen Marine“, die auch entsprechende Leistungen vollbringe. "Ich stehe vor jedem Soldaten“, versicherte Guttenberg, fügte aber im selben Atemzug hinzu, "dass jeder Soldat Verantwortung für sein Handeln hat und die auch wahrzunehmen hat“.
Die Stammbesatzung hatte sich in ihrem Offenen Brief gegen Äußerungen gewandt, "welche uns Ausbilder als Menschenschinder bezeichnet“. Dagegen hatten frühere Kadetten von Drangsalierungen durch die Stammbesatzung der "Gorch Fock“ berichtet bis hin zu sexueller Nötigung. Das Thema Ausbildung hatte bereits Bundespräsident Christian Wulff am 13. August in Mürwik bei der Vereidigung dieses Offiziersanwärter-Jahrgangs eindringlich angesprochen. An die Ausbilder appellierte er damals: "Gehen Sie sorgsam mit Untergebenen um, denn sie sind das kostbarste Gut, das Ihnen anvertraut ist. Bilden Sie die Ihnen Anvertrauten fair und umsichtig aus. Wecken Sie in Ihnen Begeisterung für die Aufgaben und Achtung vor Ehre und Würde jedes Menschen. Seien Sie Ihnen stets ein Vorbild.“
Sarah Lena starb knapp drei Monate später bei einer Übung. Einer der Ausbilder soll, wie die "Frankfurter Allgemeine Zeitung“ am Wochenende berichtete, ein "ungutes Bauchgefühl“ gehabt haben angesichts der Unsicherheit der jungen Frau in der Takelage bei einer früheren Übung. Seine entsprechende Wortmeldung bei einem Unteroffizier blieb folgenlos, die Soldatin stürzte später aus etwa 27 Metern aufs Deck.