Jenny Böken, 18, fiel über Bord und ertrank. Die neuen Vorfälle auf der “Gorch Fock“ lassen ihre Eltern an den Angaben über Jennys Tod zweifeln.
Geilenkirchen/Berlin. Die Eltern der im Jahr 2008 auf der „Gorch Fock“ ums Leben gekommenen Kadettin wollen die Wiederaufnahme der Ermittlungen erzwingen. „Wir erstatten Strafanzeige wegen des Verdachts der sexuellen Nötigung mit Todesfolge“, sagte die Mutter Marlis Böken. Nach den jüngsten Veröffentlichungen über die „Gorch Fock“ erscheine vieles in einem neuen Licht, sagte die Mutter der dpa. Außerdem gebe es in den Ermittlungsakten zum Tod der Tochter viele Ungereimtheiten.
Die Offiziersanwärterin Jenny Böken (18) war im September 2008 auf der „Gorch Fock“ 20 Kilometer von Norderney entfernt über Bord gegangen und ertrunken. Ein Fischereiaufsichtsboot fand den treibenden Körper elf Tage danach. Bei der Obduktion wurden keine Anzeichen für ein Fremdverschulden gefunden. Nach Angaben der Eltern wurde nie geklärt, wie die junge Frau bei ihrer Nachtwache über Bord gehen konnte. Der Generalstaatsanwalt in Kiel habe eine Wiederaufnahme des Verfahrens abgelehnt, sagte der Vater Uwe Böken.
Derweil ist der Termin für die Rückkehr des Marine-Segelschulschiffs „Gorch Fock“ nach Kiel noch unklar. Das genaue Vorgehen stehe bisher nicht hundertprozentig fest, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Eine Expertenkommission soll in dieser Woche an Bord gehen, um Hinweise auf eine angebliche Meuterei nach dem Unfalltod einer Offiziersanwärterin zu untersuchen. Außerdem geht es um Vorwürfe, wonach Mitglieder der Stammbesetzung Kadetten drangsaliert haben sollen. Es sei noch nicht sicher, ob die „Gorch Fock“ gleich nach Ankunft der Kommission losfahre oder erst nach den Befragungen durch die Experten, sagte der Sprecher. Die Rückfahrt soll ungefähr vier Wochen dauern. Die Kommission wird am Freitag in Argentinien erwartet.
Die Grünen haben für diese Woche eine Aktuelle Stunde im Bundestag zu den jüngsten Vorfällen bei der Bundeswehr beantragt. Das sagte der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck. Er warf Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) in diesem Zusammenhang falsche und unzureichende Information des Parlaments vor. „Er hat das Parlament über den Tod des Soldaten in Afghanistan und über die Vorgänge auf der ,Gorch Fock’ nicht nur viel zu spät, sondern auch noch falsch informiert.“ Wichtige Sachverhalte hätten die Abgeordneten nur über die Medien erfahren.
Die Grünen wollen jedoch vorerst noch nicht die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses fordern. „Für einen Untersuchungsausschuss ist es noch zu früh“, sagte der Grünen-Verteidigungsexperte Omid Nouripour dem Hamburger Abendblatt vom Montag. Notwendig seien zunächst Berichte der Ermittler und klare Aussagen des Ministers. Auch Nouripour attackierte aber erneut das Krisenmanagement des Verteidigungsministers. „Erst sagt Guttenberg in aller Öffentlichkeit, dass die Vorverurteilungen von Soldaten infam seien. Und dann entlässt er wenige Stunden später den Kommandanten der ,Gorch Fock’“, kritisierte der Grünen-Politiker. Dieses Verhalten sei „ein Armutszeugnis“ für den Minister.
Verteidigungsminister Guttenberg hat seine Entscheidung zur Absetzung des „Gorch Fock“-Kapitäns verteidigt. Die Entscheidung sei „sachgerecht und notwendig“, manche Stellungnahme dazu sei „Ausdruck bemerkenswerter Ahnungslosigkeit“, hieß es in einer schriftlichen Erklärung. Der Kommandant der „Gorch Fock“ sei weder „gefeuert“, noch „geschasst“ oder „rausgeworfen“ worden. „Ich empfehle allen, die sich bereits vorsorglich empörten, sich nächstes Mal zumindest mit den Grundzügen des Beamten- und Soldatenrechts vertraut zu mache.“
Hamburgs Bürgermeister Christoph Ahlhaus und Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht erklärten vor einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin, Guttenberg sei mit seiner Ankündigung der rückhaltslosen Aufklärung auf dem richtigen Weg. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen sagte: „Wir machen uns natürlich Sorgen, was auf der ,Gorch Fock’ passiert ist.“