In Deutschland rümpft man gerne die Nase über Menschen, die ihr Image polieren - das ist auch bei Verteidigungsminister Guttenberg der Fall.
Elvis ist schuld. Seit Presley Mitte der 50er-Jahre den Hüftschwung und damit ein Alleinstellungsmerkmal erfunden hat, konnte eigentlich kein Künstler mehr Karriere machen, der nicht das Besondere, das Eigene, das Unverwechselbare für sein Image zu nutzen wusste. Wie immer bildete die Kunst die Avantgarde, aber es hat nicht allzu lange gedauert, dann haben auch Politiker verstanden, dass sie ja auf einer Bühne agieren, dass sie öffentlich auffallen müssen, um nicht in der Masse unterzugehen, dass sie etwas Besonderes, Eigenes, Unverwechselbares brauchen.
In den USA, wo man sich mit Shows auskennt, hat das als Erster John F. Kennedy 1960 im Wahlkampf um die Präsidentschaft verstanden, als er im Fernsehduell gegen Richard Nixon antrat. Nixon war der Favorit, doch hatte er einen längeren Krankenhausaufenthalt hinter sich, bei dem er 14 Kilo abgenommen hatte. Von unzähligen Wahlkampfterminen gehetzt, traf er blass und kränklich im Studio ein. Zudem war er schlecht rasiert. Weil der sonnengebräunte Kennedy nicht geschminkt werden wollte, verzichtete auch Nixon auf einen Maskenbildner. Während Kennedy in die Kamera blickte und so das Publikum vor dem Fernseher direkt ansprach, wendete sich Nixon Kennedy zu, als wolle er ihn überzeugen. Nixon verlor das Duell und später die Wahl.
In Deutschland rümpft man gerne die Nase über Menschen, die ihr Image polieren, seien es Künstler, Sportler oder Politiker. Man erinnert sich dann gern an Diktatoren, die sich mit Orden behängen, oder denkt an Gaddafi, der eine Armada von Leibwächterinnen beschäftigt, die stets für Aufmerksamkeit sorgt. Dabei geht auch bei uns nichts mehr ohne Alleinstellungsmerkmal. Wie sonst sollte man die Politiker unterscheiden, die uns doch alle - geben wir es zu - medioker, langweilig und uninteressant vorkommen?
Die Homestory gehört längst zu jedem Wahlkampf. Egal wie verlogen sie ist. Da lässt sich Horst Seehofer mit Frau und drei Kindern als Familienvater feiern und zeugt längst fremd mit einer anderen. Hamburgs Bürgermeister Ahlhaus spreizt sich in "Bunte" mit Ehefrau im Abendkleid im Hotel Vier Jahreszeiten, was so gut wie nichts über ihn und seine Arbeit aussagt. Oder eben doch. Den damaligen Verteidigungsminister Scharping hat es sein Renommee gekostet, als er 2001 mit Gräfin Pilati im Pool planschte, während deutsche Soldaten vor einem Einsatz im ehemaligen Jugoslawien standen.
Hilfreich ist die öffentliche Zurschaustellung also nicht immer. Doch überaus beliebt. Selbst im deutschen Showbusiness fallen uns nur wenige Menschen ein, die ihr Privatleben absolut privat halten: Stefan Raab, Hape Kerkeling, Harald Schmidt oder auch Mario Barth. Für alle anderen gilt: Wer aus der Masse herausragen will, muss sichtbar sein. Graue Mäuse gehören ins Labor. Und selbst dort können sie nicht überleben.
Nun also Karl-Theodor zu Guttenberg, unser Verteidigungsminister. Fährt mit Ehefrau und Entourage zum Truppenbesuch nach Afghanistan. Und die Empörungsgesellschaft schreit auf. "Soldaten als Kulisse für die Ken-und-Barbie-Show", "Ego-Feldzug" oder "Die Schönen und der Krieg" - so oder ähnlich heißt es, und man meint im Namen der im Krieg kämpfenden Soldaten zu sprechen, wenn man behauptet, sie würden als PR-Staffage missbraucht. Wer weiß denn, was "die" Soldaten denken, die Tag für Tag im trostlosen Staub Afghanistans verbringen müssen und ihr Leben riskieren? Aller Wahrscheinlichkeit nach waren die meisten der Bundeswehrkämpfer dankbar für die Abwechslung und haben sich über den Besuch gefreut. Mehr jedenfalls, als wenn irgendein ältlicher, übergewichtiger Minister tönende Worte an sie richtet. Apropos: Wie hießen eigentlich die früheren Verteidigungsminister? Sind uns von ihnen Aktionen im Gedächtnis, die die Situation der Soldaten in Afghanistan verbessert hätten? Nein. Was also ist Guttenberg vorzuwerfen, außer, dass er es glänzend versteht, Amt und Image zu verbinden und uns so an diesen überflüssigen Krieg zu erinnern? Schließlich kann er was, ist intelligent, und eine schöne Frau hat er außerdem.
Kein Wunder, dass das die deutsche Neidgesellschaft auf den Plan ruft. Guttenberg ist fähig, fleißig, pflichtbewusst. Er hat Charisma und Stil. Wollen wir uns nicht lieber von so einem regieren und repräsentieren lassen als von jemandem, der mit zerknittertem Jackett Jahre im Ortsausschuss zugebracht hat und deshalb auf der Parteileiter nach oben rutschen durfte? Aber Mittelmaß ist bei uns ja gerne Trumpf. In unseren Parteien macht man damit Karriere. Dabei weiß jeder, der eine Sportmannschaft zusammenstellt, dass man nur mit den Besten punkten kann und nicht mit der Gurkentruppe. Franzosen und Italiener wären stolz, hätten sie so einen Politiker. Bei uns ist Erfolg verdächtig, gilt als oberflächlich. Der Verweigerer erzielt schon in der Schule mehr Aufmerksamkeit als der Lernwillige, dem man "Streber" hinterherruft.
Aber könnte es nicht auch sein, dass die Deutschen oft so wahlmüde sind, weil es zwischen all den Mauerblümchen, Aschfahlen und Hinterbänklern gar niemanden mehr gibt, dem man zutraut, ein Amt auch fähig auszufüllen? Bei Guttenberg ist das anders. Und schließlich: Er kommt nicht nur aus einer Familie, die gute Erziehung und Traditionen schätzt. Sein Vater ist Künstler, Dirigent. Von ihm konnte sich der Sohn abgucken, wie man eine Gruppe leitet, im Mittelpunkt steht und die Bühne nutzt. Er sei ein Selbstdarsteller, heißt es. Gilt das nicht für jeden, der aus der Masse herausragt, für Boris Becker, Thomas Gottschalk, Udo Lindenberg, Anne Will oder Marcel Reich-Ranicki? Menschen mit Profil wie Willy Brandt, Herbert Wehner oder Franz Josef Strauß waren spannendere Politiker als Kurt Georg Kiesinger oder all die Farblosen, an deren Namen wir uns kaum noch erinnern.
Jüngere Menschen - also die Soldaten und Soldatinnen in Afghanistan - denken anders über öffentliche Selbstdarstellung als reife Oppositionspolitiker oder Leitartikler. Die Generation Facebook hat nichts dagegen, wenn jemand darauf setzt, dass er gut rüberkommt. Und dass der Himmel über Afghanistan so perfekt blau fürs Foto schien, daran konnte Guttenberg nun wirklich nicht schuld sein.
Was also wirft man ihm vor? Dass er seine hübsche, blonde Ehefrau Stephanie mitgenommen hat? Das hätte man vielleicht noch durchgehen lassen. Obwohl Ehefrauen oder Ehemänner von Ministern - anders als die Frau des Bundespräsidenten - nun wirklich keine Repräsentationspflichten haben. Ein Minister hat ein Mandat. Seine Ehefrau nicht. Oder müssen wir demnächst auch damit rechnen, vor der Blinddarmoperation die Ehefrau des Chirurgen kennenzulernen?
Eheleute sollten ihren eigenen beruflichen Interessen nachgehen und nicht als Anhängsel herumlaufen. Wenn der Verteidigungsminister die Truppen besucht, ist das ein Arbeitstermin und kein Schaulaufen auf dem roten Teppich. Dort geben die beiden ein tolles Paar ab, werden auch deswegen gelegentlich als "Glamour-Couple" verhöhnt. Wahrscheinlich geben die Meinungsdiktatoren erst Ruhe, wenn KT in Sack, Asche und ohne Haargel zu Hugo Chávez nach Venezuela aufbricht, um dort entrechtete Bäume zu retten. Dabei hat man ihm erstaunlicherweise verziehen, dass er der erste Bayer - in Wahrheit Franke - ist, der hohe Beliebtheitswerte beim Volk hat. Vielleicht, weil er gar nicht als Bayer wahrgenommen wird. Er schwitzt nicht, trägt keinen Maßkrug vor sich her und spricht auch keinen Dialekt.
Auf Stephanie zu Guttenberg hatte sich ein Teil der Öffentlichkeit erst unlängst eingeschossen, als sie mit "Tatort Internet" auf Kinderschänder, "Porno-Chic" und falsche Leitbilder aufmerksam machte. Was aber soll sie damit falsch gemacht haben? Warum haben nicht andere schon viel früher gegen diese widerlichen Typen aufgeschrien, die Kinder missbrauchen? Was ist dagegen zu sagen, dass sich nun endlich und viel zu spät jemand öffentlich dagegen wendet? Nicht sie, sondern diejenigen, die Stephanie zu Guttenberg deswegen hämisch kritisieren, ticken falsch.
Karl-Theodor zu Guttenberg hat einen anderen Fauxpas begangen. Er hat den Talkmaster Johannes B. Kerner nach Afghanistan mitgenommen, um dort in dessen Show aufzutreten. So werden die Hubschrauber und Soldaten im Hintergrund wirklich zur Kulisse einer fragwürdigen Medienschau. Der Krieg ist kein Showformat. Ganz sicher hat der Talkmaster, dessen Quoten tief abgerutscht sind, einen Medienscoop dringend nötig. Mit Guttenberg in Afghanistan bekommt Kerner maximale Aufmerksamkeit. Was aber hat Guttenberg davon? Er hätte genauso gut ins Studio kommen können.
Immer höher, immer weiter, immer risikoreicher präsentieren sich die TV-Shows, wenn sie um Aufmerksamkeit, also Quoten und damit Werbeeinnahmen buhlen. Das ist pervers und hat mit Qualität rein gar nichts zu tun. Eben erst hat sich ein junger Mann in "Wetten dass ..?" sein Leben ruiniert, indem er an einer gefährlichen Wette teilnahm. Nun ist der Krieg zur TV-Kulisse verkommen. Das ist widerlich. Was kommt als Nächstes? Mord vor der Kamera? Ein Verteidigungsminister sollte sich aus solch mehr als fragwürdigen Unterhaltungsshows heraushalten.