Verteidigungsminister Guttenberg reist mit Moderator Kerner nach Afghanistan. Die Opposition nennt das “plumpe PR“
Berlin. Als die Guttenbergs von Masar-i-Scharif ins nordafghanische Feldlager nach Kundus flogen, stiegen sie in unterschiedliche Hubschrauber - aus Sicherheitsgründen, um die Wahrscheinlichkeit gering zu halten, dass bei einem Angriff beide gleichzeitig zu Schaden kommen. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) besuchte gestern gemeinsam mit seiner Ehefrau Stephanie die Bundeswehrsoldaten am Hindukusch.
Die Mitreise der Ehefrau eines Verteidigungsministers in das Krisengebiet ist ein Novum. Stephanie zu Guttenberg besuchte während ihres Aufenthalts ein Feldlazarett und sprach mit Soldatinnen, um sich ein Bild von den besonderen Anforderungen an Frauen im Einsatz zu machen. "Das ist kein spaßiger Ausflug, das ist bitterer Ernst", sagte sie. Von Angst dürfe man sich hier nicht überwältigen lassen, sonst sei man am falschen Platz. Sie wolle sich aber nicht durch die angespannte Sicherheitslage davon abhalten lassen, "als Bürger dieses Landes Danke zu sagen". Auch der Minister dankte den Soldaten. Es sei wichtig, dass man gerade in der Weihnachtszeit jenen Anerkennung und Unterstützung gebe, die Tausende Kilometer von der Heimat entfernt einen harten Dienst absolvierten.
Im Frühjahr war bereits der damalige Bundespräsident Horst Köhler gemeinsam mit seiner Ehefrau zu Besuch bei den Soldaten in Nordafghanistan. Für den Verteidigungsminister war es der siebte Besuch - zuletzt war er vor sechs Wochen in Afghanistan. Die Guttenbergs wurden gestern von den Ministerpräsidenten Niedersachsens und Sachsen-Anhalts, David McAllister und Wolfgang Böhmer, begleitet. Mit an Bord des Bundeswehr-Airbus A310 war auch Fernsehmoderator Johannes B. Kerner. Denn auf dem Besuchsprogramm des Verteidigungsministers stand auch die Aufzeichnung einer Ausgabe der Sat.1-Talkshow "Kerner" mit Guttenberg und Soldaten im Einsatz.
Die Opposition warf dem Minister Selbstinszenierung auf Kosten der Soldaten vor. "Karl-Theodor zu Guttenberg nutzt die vorweihnachtliche Kulisse in den deutschen Feldlagern in Masar-i-Scharif und Kundus für plumpe Eigen-PR", sagte Grünen-Vorsitzende Claudia Roth dem Abendblatt. Während in Berlin über die Bilanz des bisherigen Einsatzes debattiert werde, produziere der Verteidigungsminister strahlende Bilder mit Gattin im Krisengebiet. "Der extra eingeflogene Hofberichterstatter samt Fernsehstudio wird dabei für die gewünschte Verbreitung sorgen." Statt zum schleichenden Wandel vom Stabilisierungseinsatz der Truppe hin zur aktiven Aufstandsbekämpfung Stellung zu nehmen, "segelt Show-Minister Guttenberg im Tiefflug über das Thema Afghanistan hinweg".
Zwar sei es gut, wenn der Verteidigungsminister unsere Soldaten besuche, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles dem Abendblatt. "Aber mit dieser Entourage macht zu Guttenberg sich immer mehr zum Staatsschauspieler." Eine Amerikanisierung der Politik, bei der die Inszenierung wichtiger werde als der Inhalt, tue der deutschen Politik nicht gut, hob die SPD-Politikerin hervor. "Es geht in Afghanistan nicht um Showbusiness, sondern um die Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten und ihren harten Einsatz, um dem Land eine friedlichere Zukunft zu ermöglichen", so Nahles.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel nannte die "Art und Organisation" der Guttenberg-Reise "absolut unangemessen". Für einen Eklat sorgte ein Grünen-Ratsherr in Mönchengladbach. Bei Twitter schrieb Thomas Diehl: "Guttenberg nimmt in Afghanistan 'ne Talkshow mit Kerner auf - da kann Goebbels sich propagandamäßig noch was abgucken!" Die Kreis-CDU forderte daraufhin eine öffentliche Entschuldigung und eine Distanzierung der Grünen von ihrem Ratsmitglied. Diehl wiegelte ab, sein Vergleich mit Hitlers Propagandaminister Joseph Goebbels sei ironisch gemeint gewesen. "In der Formulierung ist das wohl übertrieben."
Die Kosten für die Reise habe Stephanie zu Guttenberg selber bezahlt, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dem Abendblatt. Guttenberg sagte zur Mitreise seiner Frau, es sei ihr eigener Wunsch und der Wunsch der Truppe gewesen.
Die Reise der Guttenbergs wird begleitet von der Debatte um das neue Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr. Außenminister Guido Westerwelle will Donnerstag mit einer Regierungserklärung für die Fortsetzung des Mandats von 5000 Soldaten und einer Reserve von 350 Mann werben. Guttenberg sagte, er hoffe auf einen Beginn des Abzugs der deutschen Soldaten zum Jahreswechsel 2011/2012. Er warnte aber davor, sich zu stark auf das Datum zu fixieren. Laut dem Dossier soll bis Ende 2014 die Verantwortung an afghanische Sicherheitskräfte übertragen werden.
Doch 2011 wird die Lage am Hindukusch brisant. Die Nato erwartet eine Zunahme der Gewalt im Kampf gegen die radikalislamischen Taliban. Grund dafür sei, dass die jüngsten Fortschritte im Kampf gegen die Aufständischen "gefestigt" werden müssten. 2010 war mit rund 450 getöteten Soldaten für die USA das bislang verlustreichste Kriegsjahr in Afghanistan. Bislang starben 44 Bundeswehr-Soldaten am Hindukusch.