Assange verteidigt seine Methoden. Sein Anwalt zu den Vorwürfen der Vergewaltigung: Es ging um einvernehmlichen, aber ungeschützten Sex.
London/Hamburg. Wie zum Trotz hat die Enthüllungsplattform WikiLeaks nach der Festnahme des Gründers Julian Assange einen ganzen Schwung an bislang geheimen Depeschen im Internet veröffentlicht. „Wir lassen uns nicht knebeln, weder durch juristische Mittel noch durch die Unternehmen, die Zensur durchführen. WikiLeaks ist noch immer online“, erklärte Sprecher Kristinn Hrafnsson über den Kurznachrichtendienst Twitter. „Der neueste Schub an Depeschen wurde veröffentlicht und unsere Medienpartner haben ihren nächsten Satz an Geschichten ebenfalls veröffentlicht“, erklärte Hrafnsson. „Kopien der vollständigen Seite liegen an über 500 Orten verteilt. Jeden Tag werden die Depeschen über 50 Millionenmal (herunter-)geladen.“
Assange selbst verteidigte in der Tageszeitung „The Australian“ die Arbeit der Enthüllungsplattform. WikiLeaks sei wichtiger denn je und Menschenleben seien mit der Veröffentlichung vertraulicher Dokumente nicht in Gefahr gebracht worden. Während WikiLeaks vierjähriger Publikationsgeschichte seien ganze Regierungen verändert worden, aber keine einzige Person, soweit bekannt, verletzt worden, sagte Assange. „Wir sind die Underdogs“, schrieb Assange. Die USA hätten jedoch unter stillschweigendem Einverständnis Australiens allein in den vergangenen Monaten Tausende getötet, hieß es in dem Kommentar. Die Demokratie brauche wirkungsvolle und starke Medien, um ehrliche Regierungsführung zu ermöglichen.
In Schweden werden Assange Vergewaltigung und sexuelle Belästigung von zwei Frauen vorgeworfen. Die dortigen Strafverfolgungsbehörden haben ihn deshalb international zur Fahndung ausschreiben lassen. Am Dienstagmorgen stellte sich Assange in London der Polizei. Er erklärte dem Richter im Amtsgericht von Westminster, dass er seine Auslieferung von Großbritannien nach Schweden anfechte. Seinem britischen Anwalt Mark Stephens zufolge gehen die Vorwürfe auf einen „Streit über einvernehmlichen, aber ungeschützten Geschlechtsverkehr“ zurück.
Die Infrastruktur der Enthüllungsplattform geriet in der jüngsten Vergangenheit immer stärker unter Druck. Etliche Unternehmen stellten die Zusammenarbeit mit WikiLeaks ein. Unter anderem die Kreditkartenunternehmen Visa und Mastercard, wodurch es WikiLeaks erschwert werden dürfte, Spenden einzusammeln. Auch verschiedene Internetdienstleister verweigerten die Zusammenarbeit. Auf Twitter finden sich unzählige Solidaritätsbekundungen für WikiLeaks und die Facebook-Seite hat bereits über eine Million Fans.
Die australische Premierministerin Julia Gillard bezeichnet die Veröffentlichungen von WikiLeaks als unverantwortlich und illegal. Außenminister Kevin Rudd beteuerte aber, dass Assange in London alle konsularische Hilfe bekomme. Rudd schob der US-Regierung eine Mitverantwortung für die Enthüllung Hunderttausender US-Geheimdokumente zu. „Der ordentliche Schutz vertraulicher Informationen durch die Regierungen selbst muss oberste Priorität haben“, sagte er in Brisbane. In den USA hätten offenbar „ein paar Millionen“ Menschen Zugang zu solchen Informationen. „Das ist vielleicht ein bisschen viel“, sagte Rudd.
WikiLeaks-Gründer Assange hat vor seiner Festnahme wochenlang Unterschlupf bei einem Londoner Journalistenverein bekommen. Er hat zwei Monate lang beim Frontline Club im Zentrum Londons gelebt und gearbeitet, bevor er mit einer Frau zusammenzog. Clubgründer Vaughn Smith bestätigte die Information, die bei der gerichtlichen Anhörung Assanges in London bekannt geworden war.
Der Frontline Club kämpft für Pressefreiheit und organisiert Diskussionsrunden. Smith versprach, Assange weiter zu unterstützen. „Ich bin misstrauisch, was die Vorwürfe gegen Herrn Assange angeht, und hoffe, dass dies vor Gericht einwandfrei geregelt wird“, sagte Smith. Fast alle der etwa 1500 Mitglieder des Frontline-Clubs stünden hinter Assange.