Kanzlerin Merkel widerspricht dem von Seehofer geforderten Zuzugsstop für Türken und Araber. Zuwanderer seien weiter willkommen.
Sofia/Berlin. CSU-Chef Seehofer stößt mit seinem Nein zu mehr Zuzug aus der Türkei und arabischen Ländern auf viel Kritik. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Offenheit Deutschlands betont. „Deutschland ist und bleibt ein weltoffenes Land“, sagte Merkel am Montag bei einem Besuch in Bulgarien. Seehofers Bemerkung habe sich auf die Fachkräfte bezogen. „Und ansonsten bleiben wir Heimat für viele Menschen, und wir hoffen, dass sie sich in Deutschland wohlfühlen.“
Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach sagte in Berlin, es gebe keinen Dissens zwischen Merkel und Seehofer. Der bayerische Ministerpräsident hatte dem Magazin „Focus“ gesagt, Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern täten sich schwerer. „Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen.“
Merkel sagte, Fachkräfte müssten vorrangig „aus der Vielzahl von arbeitsfähigen, aber leider langzeitarbeitslosen Menschen in Deutschland“ rekrutiert werden. Auch angesichts des absehbaren Wegfalls von Beschäftigungsschranken innerhalb der EU, „wird sich eine Lage, wie wir sie zum Beispiel Anfang der 60er Jahre hatten, als wir einen Arbeitskräftemangel hatten, wo auch sehr viele türkische Gastarbeiter (...) gekommen sind, nicht wiederholen“.
Die Bundesregierung plant derzeit nicht, das Zuwanderungsrecht zu ändern. Für spezielle Qualifikationen habe man schon in der vergangenen Legislaturperiode in der damaligen großen Koalition neue Regelungen zur Zuwanderung für Menschen mit bestimmten Qualifikationen geschaffen, sagte Merkel. Daran werde sich genauso wenig ändern wie am Asylrecht und dem Familiennachzug.
Die Türkische Gemeinde forderte eine Entschuldigung von Seehofer für dessen Forderung, den Zuzug von Türken und Arabern zu begrenzen. Dies lehnte Seehofer ab. „Ich habe – und das ist meine Pflicht – ganz sachlich Fragestellungen für die Zukunft beschrieben, auch Schwierigkeiten, die wir zu bewältigen haben“, sagte er. Das Wort „Zuwanderungsstopp“ habe er nicht in den Mund genommen.
Seehofers Äußerungen waren auch in den Reihen von CDU und FDP auf Kritik gestoßen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), zeigte sich „sehr schockiert“. Merkel telefonierte am Montagmorgen routinemäßig mit Seehofer. „Er hat ihr seine Motivation und seine Betrachtung der Dinge geschildert“, sagte Vize-Regierungssprecherin Heimbach. „Das war für sie nachvollziehbar. Insofern gibt es da keinen weiteren Dissens.“
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Seehofer Rechtspopulismus vor. Die Forderung, die Zuwanderung von Türken und Arabern zu begrenzen, sei unanständig und brandgefährlich. Seehofer wies den Vorwurf zurück, er wolle gezielt am rechten Rand des Parteienspektrums fischen. „Ich bin hier nie taktisch unterwegs gewesen.“ Es sei aber sein Bestreben, „radikalen Kräften links und rechts keine Chance zu lassen“. Er habe sich ausschließlich mit der Forderung nach Erleichterungen für den Zuzug ausländischer Fachkräfte beschäftigt. Der Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, hält eine gesteuerte Einwanderung ausländischer Spitzenkräfte wegen des Fachkräftemangels für unumgänglich. Die Unionsforderung, entsprechendes Personal in erster Linie aus Langzeitarbeitslosen zu rekrutieren, bezeichnete er in der „Süddeutschen Zeitung“ (Montag) als unrealistisch. Nötig sei „eine gesteuerte Zuwanderung, etwa mit Hilfe eines Punktesystems wie in Kanada“.
Weise stellte sich damit hinter eine FDP-Forderung. „Wir werden eine geordnete Zuwanderung brauchen“, sagte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) dem ARD-Hauptstadtstudio. FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte, seine Partei wolle, dass Zuwanderer offene Stellen vor allem für Ingenieure und Fachkräfte besetzen könnten, sie wolle aber keine Zuwanderung in das deutsche Sozialsystem.