Die Integrationsdebatte, die Bundespräsident Christian Wulff (CDU) mit seiner umstrittenen Rede ausgelöst hat, findet kein Ende: Nun hat sie CSU-Chef Horst Seehofer weiter angeheizt. Er will keine Zuwanderer aus “anderen Kulturkreisen“ mehr nach Deutschland lassen.
München/Berlin. Die Integrationsdebatte, die Bundespräsident Christian Wulff (CDU) mit seiner umstrittenen Rede ausgelöst hat, findet kein Ende: Nun hat sie CSU-Chef Horst Seehofer weiter angeheizt. Er will keine Zuwanderer aus "anderen Kulturkreisen" mehr nach Deutschland lassen.
Wörtlich sagte er: „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen."
Nicht nur der Inhalt, auch der Zeitpunkt seiner Äußerungen ist brisant: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) traf sich gerade mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Beide sprachen sich für eine bessere Integration von in Deutschland lebenden Türken aus.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt unterstützte Seehofer in der Integrationsdebatte : „Es darf in Deutschland künftig keine zusätzliche Zuwanderung aus Kulturkreisen geben, die unsere deutsche Leitkultur ablehnen“, sagte er. In Zukunft müsse Zuwanderung unter „Rücksicht auf die kulturelle Herkunft“ geregelt werden.
„Die Forderung von Seehofer geht am eigentlichen Problem vorbei“, sagte dagegen der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder (CDU). Nicht jede Zuwanderung aus dem arabischen Raum führe zu Integrationsproblemen. „Die politisch Verfolgten aus dem Iran etwa sind häufig hochgebildet und glühende Anhänger unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung“, sagte er.
Auch der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach äußerte sich skeptisch. „Die Frage ist, ob Horst Seehofer eine Ausweitung der Zuwanderung verhindern, oder hinter geltendes Recht zurück will“, sagte er. Er erhob Zweifel, ob letzteres verfassungsrechtlich und völkerrechtlich überhaupt möglich sei.
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) plädierte für eine „rationale Integrations- und Migrationspolitik - und keine bewusst vereinfachende populistische Debatte über einen Zuwanderungsstopp“.
Der Vorsitzende der Jungliberalen, Lasse Becker, sprach von „vollkommen unsinnigen Äußerungen“. Deutschland brauche qualifizierte Zuwanderung, um den Fachkräftemangel auszugleichen. Becker betonte: „Manchmal habe ich den Eindruck, Seehofer stammt selbst aus einem anderen Kulturkreis.“
Grünen-Chefin Claudia Roth warf Seehofer vor, er trage „den Sarrazinschen Rassismus und Sozialdarwinismus“ in die bundesdeutsche Spitzenpolitik. Sie forderte Seehofer auf, sich zu entschuldigen und „seine hetzerischen Worte“ zurückzunehmen. Auch müsse sich Merkel von Seehofer distanzieren.
Bundestags-Vizepräsidentin Petra Pau (Linke) kritisierte, Seehofer spalte „vorsätzlich die hiesige Gesellschaft in vermeintlich Nützliche und vermeintlich Schädliche“. „Was Bundespräsident Christian Wulff zueinander bringen wollte, treibt CSU-Chef Seehofer gegeneinander“, sagte sie. Wulff hatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit gesagt, der Islam sei inzwischen ebenso Teil Deutschlands wie das Christentum und das Judentum. Mehrere Unions-Politiker hatten sich daraufhin von seinen Äußerungen distanziert.
Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, der Islam sei „Teil der gesellschaftlichen Realität Deutschlands“. Er fügte aber hinzu: „Unsere kulturelle Wurzel ist die christlich-jüdische Tradition.“ Ähnlich äußerte sich Bundesbildungsministerin Annette Schavan. Auch forderte die CDU-Vizechefin von den Muslimen ein klares Bekenntnis gegen Gewalt, Zwangsverheiratungen und Ehrenmorde. „Wenn nicht klargestellt wird, dass dies mit der Religion des Islam unvereinbar ist, werden die Ängste bleiben“, sagte die Ministerin.