Die CSU ist überzeugt, dass Deutschland keine Zuwanderung aus “fremden Kulturkreisen“ mehr brauche, und bringt so CDU und FDP gegen sich auf.
Berlin. Mit ihrer Absage an weitere Zuwanderung aus der Türkei und arabischen Staaten geht die CSU auf Konfrontationskurs zu ihrer Schwesterpartei CDU und der FDP. Aber die Christsozialen können die Aufregung um die Aussagen von Parteichef Horst Seehofer nicht nachvollziehen. Nach Ansicht Hans-Peter Friedrichs, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, hat Seehofer etwas Selbstverständliches angesprochen. "Jemand aus einem vertrauten Kulturkreis - mit der gleichen Religion, einer vergleichbaren Sprache, ähnlichen sozialen Normen - hat es natürlich leichter, sich anzupassen, als jemand, der sich völlig neu integrieren muss", sagte Friedrich dem Abendblatt.
Der CSU-Politiker äußerte den Verdacht, "dass die Grünen und die Sozialisten eine Rechtspartei in Deutschland provozieren wollen. Sie brauchen ein Feindbild." Friedrich sagte weiter: "Wir werden aber eine Partei rechts von der Union nicht ermöglichen." Zuvor hatte Grünen-Chefin Claudia Roth Seehofers Unterscheidung von guten und schlechten Migranten je nach Kulturkreis als "unerträglich" und "skandalös" bezeichnet. Sie forderte Seehofer auf, sich zu entschuldigen und "seine hetzerischen Worte" zurückzunehmen. Auch müsse sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) von Seehofer distanzieren, sagte die Grünen-Chefin.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt gab wiederum den Grünen eine Mitschuld an den Integrationsproblemen in Deutschland. "Die Grünen mit ihrem gestörten Verhältnis zu christlichen Werten und zur deutschen Leitkultur tragen gehörige Mitschuld daran, dass wir eine Million Integrationsverweigerer in Deutschland haben", sagte Dobrindt. Es sei höchste Zeit, dass Grüne wie Renate Künast aus ihren "Multikulti-Träumereien" erwachten. Er sprach sich wie Parteichef Horst Seehofer für einen Zuwanderungsstopp aus. Künftig dürfe es keine zusätzliche Zuwanderung aus Kulturkreisen geben, die die deutsche Leitkultur ablehnten.
CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach lehnte diese Forderungen jedoch mit deutlichen Worten ab. Wenn Seehofer hinter geltendes Recht zurückwolle, habe er Zweifel, ob das verfassungsrechtlich und völkerrechtlich überhaupt möglich sei, sagte Bosbach der "Saarbrücker Zeitung".
CSU-Politiker Friedrich lenkte das Augenmerk auf den Fachkräftemangel, um die Zuwanderungsposition der CSU zu untermauern: "Wir müssen uns in erster Linie um die bereits Zugewanderten kümmern und deren Integration verbessern", betonte er. "Die Forderung der Wirtschaft, den Fachkräftemangel mit Zuwanderung zu beheben, halte ich für falsch." Es sei nicht nur die Haltung des Parteivorsitzenden, sondern der gesamten CSU, dass der Fachkräftemangel zuallererst mit der Qualifizierung der eigenen Bevölkerung gelöst werde, so Friedrich. "Wenn das nicht ausreicht, steht den deutschen Unternehmen ein riesengroßer europäischer Binnenmarkt zur Verfügung, mit Fachkräften aus dem europäischen Kulturkreis. Diese Menschen sind leichter integrierbar in Deutschland als diejenigen, die fremden Kulturkreisen angehören."
Bevor die Integrationsdebatte durch Seehofers Forderung an Schärfe gewann, hatten Kanzlerin Merkel und der türkische Ministerpräsident Tayyip Erdogan gemeinsam zu einer besseren Integration der Türken in Deutschland aufgerufen. Es gebe noch unverkennbare Probleme, die gelöst werden sollten, hatte Merkel am Sonnabend nach einem Gespräch mit Erdogan in Berlin betont. Die Kanzlerin appellierte an die in Deutschland lebenden Türken, Deutsch zu lernen, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und die Verfassung zu akzeptieren. Vor allem gehe es darum, dass Menschen türkischer Herkunft die gleichen Chancen hätten. Der Schlüssel dazu sei Integration. "Assimilation steht überhaupt nicht auf der Tagesordnung", so die Kanzlerin.
Erdogan nutzte seinen Deutschland-Besuch, um ausdrücklich Bundespräsident Christian Wulff für seine Einheitsrede zu loben, in der das Staatsoberhaupt den Islam als zu Deutschland gehörend bezeichnet hatte. Wulff, so Erdogan, habe eine Realität angesprochen: "Ich erkenne das hoch an."
In der Union jedoch mehrten sich weiter kritische Stimmen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) räumte zwar ein, Religionsfreiheit sei ein wichtiger Teil der hiesigen Rechts- und Werteordnung. "Aber man darf die Äußerungen des Bundespräsidenten nicht so missverstehen, dass wir den Islam in Deutschland integrieren wollten. Es gibt dazu keinen Anlass", sagte er der "Welt am Sonntag".