Klaus-Peter Schöppner, 60, ist Chef des Umfrage- und Forschungsinstituts Emnid.

Hamburger Abendblatt:

1. Hat Bundespräsident Wulff (CDU) mit seinem Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" alles schöngeredet, wie der Berlin-Neuköllner SPD-Bürgermeister Buschkowsky ihm vorwirft?

Klaus-Peter Schöppner:

Nein, Wulff hat nur seine Ankündigung, ein Präsident aller Deutschen zu sein, gleich zu Beginn seiner Amtszeit wahr gemacht. Außerdem hat er deutlich auf die sich daraus ergebenden Pflichten hingewiesen, Werte zu achten, sich an Regeln zu halten sowie unseren Gemeinsinn nicht zu missbrauchen. Damit spricht er einer großen Mehrheit aus der Seele.

2. Gehört der Islam zu Deutschland? Was glauben die Deutschen darüber?

Schöppner:

Die Deutschen tun sich damit schwer. Aber weniger wegen der multikulturellen Alltagswirklichkeit. Wir erwarten, dass unsere Kultur als "Leitkultur" auch von Migranten anerkannt wird und die Koran-Auslegung in dieser Hinsicht auch so zu relativieren ist. Der Islam ist für die Deutschen eine "Nebenkultur", die respektiert wird, so lange unsere unangetastet bleibt.

3. Wie ist die Welle der Empörung über den Satz des Bundespräsidenten zu erklären?

Schöppner:

Durch zweierlei: Viele sehen den Präsidenten aller Deutschen als einen von der Union bestimmten Präsidenten, bei dem es "ein bisschen mehr Konservativismus" sein darf. Zweitens dadurch, dass wirkliche Integrationsbemühungen für die Deutschen vielfach nicht ersichtlich sind. Sie erwarten mehr von den Migranten.

4. Ist die Atmosphäre seit den Sarrazin-Thesen so aufgeheizt, dass eine sachliche Debatte schwerfällt?

Schöppner:

Nein, aber es ist ein Treppenwitz, dass nicht die Politik den tiefen Diskussionswunsch der Deutschen initiiert, sondern die Medien und Sarrazin. Die Politik ist wieder Debattengetriebener, leider kein -anstoßer. Politik entfaltet keine Visionen. Das führt zur Beunruhigung, zu Angst über die Zukunft und schlechtem Politikansehen.

5. Auch aus der CSU kommt Kritik an der Wulff-Äußerung. Sind das taktische Nadelstiche?

Schöppner:

Zum Teil ja. Seehofer scheint mit einer Abgrenzungsdebatte zur Bundesregierung seine Chancen bei der Landtagswahl verbessern zu wollen. Zudem gibt es in der Union einen konservativen Kern, der Schwierigkeit mit der sozialdemokratischen Union-Ausrichtung hat, zu den Nichtwählern flüchtet und eingefangen werden soll.