SPD und Grüne fordern eine Gleichstellung des Islam mit christlichen Kirchen. Politiker verschiedener Parteien unterstützen Christian Wulff.
Hamburg. Es scheint eine verkehrte Welt zu sein: Wenige Tage nach der umstrittenen Rede von Bundespräsident Christian Wulff (CDU) hat der um Integration bemühte Staatschef ausgerechnet von seinem ehemaligen Parteifreund Roland Koch Unterstützung erhalten . Koch, der während seiner Amtszeit als hessischer Ministerpräsident in Ausländerfragen als Hardliner galt, lobte im ZDF-Morgenmagazin die Äußerungen Wulffs zum Islam. Menschen muslimischen Glaubens würden die Zukunft Deutschlands mitgestalten, das dürften konservative Politiker nicht ignorieren, sagte Koch.
Auch von SPD-Altkanzler Gerhard Schröder und dem Zentralrat der Juden erhielt Wulff demonstrativ Zuspruch. Der Bundespräsident hatte in seiner Rede zum Tag der Deutschen Einheit auf die christlich-jüdischen Wurzeln Deutschlands verwiesen und zugleich betont: "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland."
Aus den Reihen von CDU und vor allem CSU war die Wulff-Rede als missverständlich kritisiert worden. Vor allem aber lehnten Unionspolitiker gestern einen Vorschlag von SPD und Grüne ab, den Islam staatlich als Religionsgemeinschaft anzuerkennen und damit rechtlich den christlichen Kirchen gleichzustellen. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" hatte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, gesagt: "Es wäre ein wichtiges Signal an die vier Millionen Muslime in Deutschland, wenn der Staat den Islam als Religionsgemeinschaft anerkennt." Auch der integrationspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Memet Kilic, sprach sich für eine Gleichstellung aus: "Die Anerkennung des Islam als gleichberechtigte Religionsgemeinschaft würde den Muslimen das Gefühl vermitteln, in Deutschland willkommen und angekommen zu sein." Für die Integration könne das nur förderlich sein, meinte Kilic.
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Günter Krings (CDU) widersprach dem im Hamburger Abendblatt vehement: "Wenn sich hinter dem Gleichstellungsvorschlag verbirgt, dass wir unser Rechtssystem für die zu uns kommenden Menschen umkrempeln sollen, dann bin ich dagegen. Integration geht andersherum: Menschen fügen sich in die Gesellschaft ein, in die sie kommen."
+++ Hamburg gewährt dem Islam mehr Rechte +++
Nach Darstellung von Krings bedeutet eine Gleichstellung, dem Islam den Status einer Körperschaft zuzuerkennen, damit sie eigene Kirchensteuern erheben und Religionsunterricht beanspruchen könne. Diese Möglichkeit biete das deutsche Recht aber bereits. Die Muslime müssten lediglich den rechtlichen Anforderungen entsprechen und unter anderem eine festgefügte Organisation mit zentralen Ansprechpartnern bilden. Weil es solche festen Strukturen aber im Islam nicht gibt, war den Muslimen bislang diese Gleichstellung verwehrt.
Der CDU-Politiker zeigte sich davon unbeeindruckt: "Wenn eine Religionsgemeinschaft aber aus internen Gründen den rechtlichen Anforderungen nicht nachkommt, bin ich gegen einen Rechtsrabatt." Ähnlich äußerte sich der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz. Dem Abendblatt sagte er: "Ich sehe momentan keinen Bedarf, denn der Islam ist als Religionsgemeinschaft in Deutschland ja anerkannt."
Wie aus Unionskreisen zu vernehmen ist, hat der heftige interne Widerstand gegen die Wulff-Äußerungen möglicherweise noch eine weitere Dimension. "In Teilen der Union gibt es schon die Sorge, dass das Spitzenpersonal konservative Werte nicht hoch genug hält und dass man dem Zeitgeist in zu vielen Punkten nachgibt", sagte ein Mitglied der Unionsfraktion dem Abendblatt. Dieses Misstrauen richte sich vor allem gegen die Bundeskanzlerin und auch gegen den von ihr ins Amt geholten Bundespräsidenten: "Bei Wulff und Merkel gibt es gerade in der CSU oft einen Anfangsverdacht, dass die - egal, was sie wirklich sagen - eigentlich etwas Linkes meinen."
Auch Unionsfraktionsvize Krings räumt ein, dass gerade unter konservativen Unionsmitgliedern große Sorge herrsche, CDU/CSU könne in ihrem "Markenkern" beschädigt werden, wenn sie sich nicht in der Religionsdebatte profiliere. "Ähnliche Sorgen hat man auch schon bei der Debatte um die Wehrpflicht beobachten können."
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sagte dagegen gestern im Bundestag, sie sei dankbar, dass Wulff sich des Themas Integration mit so großer Intensität angenommen habe. Böhmer erinnerte daran, dass der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) bereits vor vier Jahren gesagt hatte: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas."