Anklage könnte nach Meinung der Linkspartei eingeleitet werden, wenn der Telefonanruf den Tatbestand der Nötigung erfüllt.
Berlin. Die Berichte und Stimmen zu Christian Wulff werden nicht weniger. Die Linkspartei geht jetzt noch einen Schritt weiter. In der Debatte über die Kredit- und Medienaffäre von Bundespräsident Christian Wulff haben die Linken die Möglichkeit einer Präsidentenanklage ins Gespräch gebracht. „Ein Amtsenthebungsverfahren gegen den Bundespräsidenten kann eingeleitet werden, wenn sein Anruf beim Chefredakteur der ’Bild’-Zeitung und die Drohung mit einer Strafanzeige den Tatbestand der versuchten Nötigung erfüllen“, sagte der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Wolfgang Neskovic, der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" laut Vorabbericht vom Samstag. Geklärt werden müsse, ob Wulff Anhaltspunkte für eine wahrheitswidrige Berichterstattung der „Bild“-Zeitung gehabt, ob er eine Sonderstellung unter Ausnutzung seiner Amtsautorität beansprucht und mit einer pressemäßigen Benachteiligung des Blattes gedroht habe.
Wulff hat nach eigener Darstellung mit seinem Anruf bei der Chefredaktion der „Bild“-Zeitung am 12. Dezember einen Aufschub des Berichts über seinen privaten 500.000-Euro-Kredit erreichen wollen, der tags darauf erschien. Die Chefredaktion des Blattes dagegen erklärte, der Präsident habe den Bericht verhindern wollen. Der Anruf ist auf der Mailbox des Chefredakteurs dokumentiert. Wulff lehnt eine Veröffentlichung aber ab.
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Neskovic hält auch eine parlamentarische Untersuchung für möglich, wenn Aufklärung auf andere Weise nicht möglich sei. Er halte „angesichts des Gesamtverhaltens von Herrn Wulff und der damit verbundenen schweren Beschädigung des Amtes die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht für unangemessen“.
Wulff steht seit über drei Wochen wegen seines Privatkredits und seines Umgangs mit der Berichterstattung in der Kritik. Zuletzt hatte er am Mittwoch in einem Fernsehinterview erklärt, dass er nicht an Rücktritt denke. Das Verfahren der Präsidentenanklage ist nach deutschem Recht die einzige Möglichkeit, den Bundespräsidenten seines Amtes zu entheben. Laut Grundgesetz reicht ein Viertel der Mitglieder des Bundestages für den Antrag auf Präsidentenanklage aus. Für den Beschluss der Erhebung der Anklage vor dem Bundesverfassungsgericht ist aber eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Eine Anklage ist möglich „wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes oder eines anderen Bundesgesetzes“. (rtr)