Um Finanzlöcher zu stopfen, verlangen viele Krankenkassen acht Euro extra. Der Experte Gerd Glaeske macht dafür die Regierung verantwortlich.
Millionen von Krankenversicherte müssen schon bald Zusatzbeiträge zahlen. Mit konsequenten Sparmaßnahmen hätte die Bundesregierung sie nach Ansicht des Gesundheitsökonom Gerd Glaeske verhindern können. „Allein im Arzneimittelbereich könnte man bis zu drei Milliarden Euro pro Jahr einsparen, wenn die Bundesregierung die Preisgestaltung für neue Medikamente nicht den Herstellern überließe“, sagte Glaeske dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Glaeske bezifferte das politisch mittelfristig umsetzbare Einsparpotenzial für die GKV auf neun Milliarden Euro jährlich. In anderen Industrieländern würden die Preise für neue Arzneimittel nicht allein von der Pharmaindustrie festgelegt, sie seien vielmehr Gegenstand von Verhandlungen, erklärte er. Gerade die in Deutschland hohen Preise für Innovationen trügen wesentlich zum Defizit der Krankenkassen bei.
Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) kündigte bereits an, die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen senken zu wollen. Er hat dazu die Kassen und Pharmaverbände zu Gesprächen ins Ministerium geladen. „Das Ziel ist klar: Wir wollen die Effizienzreserven heben“, sagte Rösler der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. „Denn ich bin nicht dafür zuständig, dass die Pharmaunternehmen ihre Gewinnmargen mit neuen Präparaten hoch halten, sondern dafür, dass sie innovative Medikamente auf den Markt bringen, die den Patienten nützen.“ Dass es dort Einsparmöglichkeiten gebe, sei unbestritten. Es sei aber verfrüht, sich jetzt bereits zahlenmäßig festzulegen, sagte Rösler.
In die Kritik an den Krankenkassen, die Zusatzbeiträge von acht Euro erheben, wollte der Minister nicht einstimmen. Die Aufsichtsbehörden prüften die geplante Erhebung von Zusatzbeiträgen „auf ihre rechtliche und wirtschaftliche Ordnungsmäßigkeit“. Rösler verteidigte stattdessen seine Pläne zur schrittweisen Einführung einer Gesundheitsprämie. Daran werde schon gearbeitet. Weil die Prämie nur schrittweise eingeführt werde, gingen auch Vorwürfe fehl, dass für den Sozialausgleich 35 Milliarden Euro benötigt würden. Die Prämie sei gerechter als das heutige System, betonte Rösler.
Gesundheits-Staatssekretär Daniel Bahr (FDP) hat Versicherten zu einem Wechsel der Krankenkasse geraten, wenn ihre bisherige Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt. Er verwies im rbb-Inforadio darauf, dass von 169 Kassen nur 8 Zusatzbeiträge angekündigt hätten.
Mittlerweile nimmt auch das Kartellamt die Zusatzbeiträge unter die Lupe. „Wir schauen uns die Zusammenhänge sehr genau an“, sagte Behördensprecher Kay Weidner der Nachrichtenagentur DAPD. Auch die Krankenkassen unterlägen zumindest teilweise dem Kartellrecht. Theoretisch könnte die Wettbewerbsbehörde eine Untersagungsverfügung erlassen oder oder sogar Geldbußen verhängen.
Dass die angekündigten Zusatzbeiträge noch verhindert werden könnte, glaubt der stellvertretenden Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Günter Krings (CDU allerdings nicht. „Ich glaube nicht, dass im konkreten Fall die Anwendung des Kartellrechts zur Korrekturen führen wird“, sagte er der „Berliner Zeitung“.