Die Zusatzbeiträge sorgen für Ärger: Ministerin Aigner hält sie für rechtswidrig, Kanzlerin Merkel ist verärgert und das Kartellamt will sie prüfen.
Berlin. Millionen Krankenversicherte müssen künftig Zusatzbeiträge zahlen. Das ärgert nicht nur sie, sondern auch die Bundesregierung: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hält es für rechtswidrig, sie zum ersten Februar zu erheben. „Der Zusatzbeitrag darf nicht schon zum 1. Februar 2010 eingefordert werden“, sagte sie der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“. Eine Krankenkasse müsse ihre Mitglieder spätestens einen Monat, bevor der erste Beitrag fällig wird, auf die Erhöhung hinweisen.
Zugleich warnte die Ministerin Kassenpatienten vor überstürzten Kündigungen. „Versicherte sollten sich den Wechsel zu einer anderen Kasse gut überlegen“, sagte Aigner. Es sei damit zu rechnen, dass weitere Kassen ihre Beiträge erhöhen. Wer dennoch wechsele, sollte nicht auf Wahltarife umsteigen. Denn häufig verlangten Kassen bei diesen Tarifen eine dreijährige Bindung, warnte die Ministerin.
Weil die Kassen dieses Jahr mit einem Defizit von knapp 4 Milliarden Euro rechnen, verlangen viele Zusatzbeiträge von ihren Mitgliedern. Neben der DAK hatten mehrere weitere Krankenkassen angekündigt, sie bereits im ersten Halbjahr 2010 zu erheben. Mindestens zehn Millionen Versicherte müssen dann bis zu acht Euro monatlich zusätzlich zahlen.
Neben Aigner ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einem Zeitungsbericht zufolge verärgert über die gesetzlichen Krankenkassen. In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion habe sie angekündigt, man werde sich genau anschauen, was die Kassen da machen, berichtet das „Handelsblatt“ unter Berufung auf Teilnehmer der Sitzung. Dem Bericht zufolge zeigte die Kanzlerin Unverständnis dafür, dass gleich mehrere Kassen von der Möglichkeit Gebrauch gemacht hätten, den Zusatzbeitrag von acht Euro zu erheben, obwohl die Situation der Kassen, vor allem ihre Rücklagen, sehr unterschiedlich seien. „In anderen Fällen wäre das ein Fall für das Kartellamt“, habe Merkel gesagt.
Das Kartellamt hat sich allerdings längst eingeschaltet. „Wir beschäftigen uns mit dem Vorgang“, sagte ein Sprecher der Behörde den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Kölnischen Rundschau“ zufolge. Dem Kartellamt lägen mehrere Beschwerden von Verbrauchern vor, die nun geprüft würden. Grundsätzlich hätten Krankenkassen als Unternehmen zu gelten und unterlägen mit einigen Ausnahmen dem Kartellrecht.
Umstritten sind die Zusatzbeiträge auch, weil sie einseitig die Arbeitnehmer belasten und zudem Menschen mit geringem Einkommen und Hartz-IV-Empfänger gegenüber Besserverdienenden benachteiligen. Das Bundesfinanzministerium bestätigte der „Berliner Zeitung“ zufolge, dass laut dem zum ersten Januar in Kraft getretenen Bürgerentlastungsgesetz Zusatzbeiträge genauso wie die „normalen“ Kassenbeiträge als Sonderausgabe steuerlich absetzbar sind. Von der Absetzbarkeit profitieren aber nur diejenigen, die nennenswert Steuern zahlen. Für sie reduziert sich dadurch der Zusatzbeitrag, wobei gilt: Je höher das Einkommen, desto größer die Ersparnis. Im Extremfall muss bei sehr hohen Einkommen effektiv nur noch die Hälfte gezahlt werden. Wer keine oder nur wenig Steuern zahlt, bleibt dagegen auf dem vollen Betrag sitzen.