Acht Euro extra verlangen einige Krankenkassen, um Finanzlöcher zu stopfen. Verbraucherministerin Aigner hält dies für keine gute Strategie.
Berlin. Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) hat die gesetzlichen Krankenkassen wegen der angekündigten Zusatzbeiträge scharf kritisiert. „Die Kassen machen es sich hier zu einfach“, sagte sie der Zeitung „Die Welt“. Sie erwarte von den Kassen, aber auch von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) eine überzeugende Strategie zur Kostensenkung im Gesundheitswesen. Besonders Ärzte, Kliniken und die Pharma-Industrie seien dabei in der Pflicht. Auch die Verwaltungskosten der Krankenkassen und der kassenärztlichen Vereinigungen müssten auf den Prüfstand.
Die gesetzlichen Kassen müssen in diesem Jahr insgesamt ein Defizit von rund 4 Milliarden Euro schultern. Millionen Versicherte müssen darum zusätzlich zum Einheitssatz von 14,9 Prozent ab Februar acht Euro mehr im Monat bezahlen. Mit der DAK und der KKH-Allianz kündigten erstmals zwei Branchengrößen den Extrabeitrag an. Aber spätestens im kommenden Jahr würden Zusatzbeiträge für fast alle gesetzlich Versicherten fällig, kündigte die Chefin des Kassen-Spitzenverbandes, Doris Pfeiffer, an.
Neben Aigner verlangte auch Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) vor diesem Hintergrund von Rösler ein Sparpaket. Es dürfe aber nicht dazu führen, dass Leistungen für die Patienten gekürzt würden, sagte er der „Südeutschen Zeitung“. Auch die Honorare der Ärzte sollten nicht sinken. Stattdessen müsse Rösler vor allem die überbordende Bürokratie im Gesundheitssystem angehen: „Da liegen die größten Reserven.“ Die SPD-Gesundheitsexpertin Carola Reimann hielt Rösler in der „Berliner Zeitung“ vor, er hätte viel früher einschreiten müssen.
Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, forderte in der „Berliner Zeitung“, die Bundesregierung müsse die Hartz-IV-Bezieher von den Zusatzbeiträgen befreien. Auch der Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Werner Hesse, sprach sich in dem Blatt für einen allgemeinen Rechtsanspruch aus. Grundsätzlich sind Bezieher von Arbeitslosengeld II kostenlos krankenversichert. Die Zusatzbeiträge werden von der Bundesagentur für Arbeit (BA) aber nur in Härtefällen übernommen, berichtet das „Flensburger Tageblatt“.
Der Gesundheitsökonom Bert Rürup sieht in den Zusatzbeiträgen den Einstieg in einkommensunabhängige Kopfpauschalen, wie sie die CDU anstrebt. Eine solche Umstellung sei zwar richtig, mache aber einen Sozialausgleich für Einkommensschwache in Höhe „von mindestens 25 Milliarden Euro pro Jahr“ notwendig, sagte Rürup dem „Kölner Stadt- Anzeiger“. Ein solcher Betrag sei nicht aus der Portokasse zu finanzieren. „Deshalb kann man nicht sozial abgefederte Pauschalprämien wollen und gleichzeitig Steuersenkungen fordern.“
Ärztekammerpräsident Jörg-Dietrich Hoppe sprach sich dafür aus, Höchstpreisen für neue, innovative Medikamente festzulegen. „Es sollten gesetzgeberische Maßnahmen zur Senkung der Kosten geprüft werden“, sagte er der „Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung“. Bislang dürfen in Deutschland – anders als vielen anderen EU-Ländern - Hersteller die Preise für solche Medikamente frei festlegen. „Das treibt beispielsweise die Kosten für Krebstherapien massiv in die Höhe, Summen von 50000 Euro im Jahr sind keine Seltenheit“, sagte Hoppe.