Der Luftangriff in Kundus ist umstritten. Heute beginnen die Untersuchungen – und Verteidigungsminister Guttenberg gerät erneut unter Druck.
Berlin. Viereinhalb Monate nach den tödlichen Luftschlägen von Kundus befasst sich ab heute ein Bundestags-Untersuchungsausschuss mit dem Vorfall. Er soll klären, was bei dem vom deutschen Oberst Georg Klein befohlenen Luftangriff auf zwei Tanklaster am 4. September in Nord-Afghanistan passierte. Nach Nato-Angaben waren bei dem umstrittenen Luftangriff bis zu 142 Menschen getötet worden, darunter viele Zivilisten. Umstritten ist er auch, weil Oberst Klein das Bombardement nicht nur befohlen hat, um zu verhindern, dass die Tanklaster als rollende Bomben gegen die Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt werden, sondern auch um Taliban-Führer vor Ort zu töten.
Zudem soll im Ausschuss erörtert werden, welche Rolle die verantwortlichen Politiker bei der Aufarbeitung des Angriffs spielten. Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) soll vor dem Ausschuss aussagen. Er war zuletzt in die Kritik geraten, weil er den Angriff zunächst als „militärisch angemessen“ bezeichnet hatte. Später korrigierte er sich und erklärte, dass ihm Informationen nicht rechtzeitig vorgelegt wurden. Doch wie die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, lag ihm seinerzeit ein jetzt bekanntgewordenes Papier seines Einsatz-Führungsstabs vor, das die von der NATO festgestellten Fehler des Kommandeurs Klein unterstreicht. Das Papier des Stabes enthält laut „SZ“ auch alle wesentlichen Kritikpunkte, die Guttenberg erst aus späteren Berichten erfahren haben will.
Zu klären, was welcher Politiker wann wusste, ist eines der Hauptziele des Ausschusses. Er geht davon aus, dass die Untersuchung mindestens ein Jahr lang dauern wird. So liegen 100 Beweisanträge vor und 40 Zeugen aus Politik und Bundeswehr sollen geladen werden. Zunächst will der Ausschuss eine Zeugenliste beschließen. Im Streit über die Vorgehensweise verständigten sich die Verteidigungsexperten von Union und SPD am Mittwochabend auf einen Kompromiss. „Wir haben uns nach einer mühsamen Prozedur auf ein Verfahren geeinigt“, teilte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ mit. „Wir werden drei Sitzungstage die Details von Kundus untersuchen – und dann den gesamten Themenbereich der politischen Kommunikation.“ Weiter sagte er: „Die Politiker kommen also ab der vierten Woche.“
Mit ihrem Vorschlag, Guttenberg schon kommende Woche zu vernehmen, konnte sich die Opposition nicht durchsetzen, wie die „Berliner Zeitung“ meldet. Union und FDP hätten das in einer Besprechung der Obleute der fünf Bundestagsfraktionen blockiert. Um anhaltenden Streit über die Zeugenliste und eine mögliche Klage der SPD zu vermeiden, einigten sich die Fraktionsvertreter demnach nun auf den Kompromiss. Guttenberg muss nun frühestens Anfang März aussagen.
Im Gegenzug kündigte der verteidigungspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Ernst-Reinhard Beck, an, dass auch die Rolle des damaligen Außenministers und heutigen SPD-Fraktionschefs Frank-Walter-Steinmeier ins Visier genommen werden soll. „Es gibt eine Gesamtverantwortung der Bundesregierung und das federführende Ressort war zu diesem Zeitpunkt das Außenministerium unter Frank- Walter Steinmeier.“ Es könne nicht sein, dass sich Steinmeier „nun einfach vom Acker mache“.
Angesichts des schwierigen Starts erwartet er eine zähe Auseinandersetzung im Untersuchungsausschuss. „Es ist bereits in den interfraktionellen Gremien klar geworden, dass die Opposition nicht an einer sachlichen Aufklärung interessiert ist, sondern an politischem Klamauk“, sagte Beck, der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin.