Weil sie Steuerformulare falsch ausgefüllt haben, können rund eine Million Rentner mit einer Rückzahlung bis zu 250 Euro rechnen.
Essen. Knapp eine Million der bundesweit etwa 20 Millionen Rentner können nächstes Jahr nach Medienberichten mit teils hohen Rückzahlungen vom Finanzamt rechnen. Grund sind fehlerhaft ausgefüllte Steuerformulare. Wie Zeitungen der Essener WAZ-Gruppe am Wochenende berichteten, haben zahlreiche Ruheständler in den vergangenen Jahren zu viele Steuern gezahlt. Dies gehe aus einem Arbeitspapier von Spitzenbeamten aus den Finanzbehörden der Länder hervor. Nach Schätzungen aufgrund erster Stichproben haben knapp eine Million Rentner zuviel gezahlt und bekommen im Schnitt 250 Euro pro Jahr zurück.
Seit Oktober müssen alle gesetzlichen und privaten Rentenversicherungen den Finanzämtern die Daten der Rentner übermitteln. Dadurch sollen die Finanzämter sehen, welche Rentner dem Staat Steuern schulden. Die ersten Stichproben haben den Zeitungsberichten zufolge jedoch noch ein ganz anderes Problem ans Licht gebracht: Von denen, die gezahlt haben, füllten 22 Prozent ihre Steuererklärung falsch aus, sagte Manfred Lehmann, Chef der Deutschen Steuergewerkschaft in Nordrhein-Westfalen der WAZ. Die Behörden erstellten daraufhin fehlerhafte Steuerbescheide. „Etwa die Hälfte hat zu viel gezahlt, die andere Hälfte zu wenig“, so Lehmann. Hochgerechnet wären das jeweils rund 970.000 Rentner.
Für bis zu fünf Jahre wird rückerstattet. Viele Rentner hätten ihre Kranken- und Pflegekassenbeiträge nicht abgezogen oder die Rentenarten verwechselt, wie berichtet wird. Wer etwa seine gesetzliche Rente ins Feld für Betriebsrenten geschrieben hat, wurde bis zu doppelt so hoch besteuert. Dem Bericht zufolge gehen die Finanzämter diesen Fällen von Januar an nach. Eine Sprecherin des Finanzministeriums in Nordrhein-Westfalen reagierte erstaunt auf die Stichprobenergebnisse. „Ich wundere mich, woher die kommen. Mit der Auswertung der Daten wird frühestens im März begonnen“, sagte sie. Dem Bundesfinanzministerium war die Stichprobe am Wochenende nicht bekannt.
„Betroffene müssen nicht selbst aktiv werden, das wird automatisch geschehen“, sagte der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, in der ARD. Probleme gebe es dort, wo die Steuerbescheide schon rechtskräftig sind. „Das muss im Einzelfall geprüft werden.“ Wenn das Finanzamt hätte sehen können, dass ein Fehler vorliegt, könne man auch gegen diese Bescheide vorgehen, sagte Ondracek.
Seit dem 1. Oktober 2009 erhalten die Finanzämter – rückwirkend bis zum Jahr 2005 – Einblick in die Einkünfte auch jener Senioren, die bisher keine Steuererklärung abgegeben haben. Die Steuerpflicht für Alterseinkünfte oberhalb bestimmter Einkommensgrenzen besteht seit 2005. Auf Durchschnittsrenten, wie sie die große Mehrzahl der Ruheständler bekommen, ist keine Steuerzahlung fällig. Dagegen müssen vor allem Rentner mit überdurchschnittlich hohen Ruhestandsbezügen und Zusatzeinkünften wie Mieteinnahmen oder Kapitalerträgen Einkommensteuer zahlen. „Wir haben damit gerechnet, dass es mit Einführung dieses Datenabgleichs im ersten Jahr zu mehr Erstattungen an die steuerpflichtigen Rentner kommt, als es zu Mehreinnahmen führt“, sagte der Justiziar des rheinland-pfälzischen Steuergewerkschafts- Landesverbandes Gerhard Bißbort der „Bild am Sonntag“. Durch den Datenabgleich werde aber langfristig mit Mehreinnahmen gerechnet.
Denn auch zu wenig oder gar nicht gezahlte Steuern werden jetzt entdeckt. Es wird davon ausgegangen, dass viele Rentner Betriebsrenten oder andere Einkünfte verschwiegen. Sie müssen mit Nachforderungen rechnen – im Test durchschnittlich 150 Euro pro Jahr. Von den Rentnern, die bisher gar keine Steuern gezahlt haben, hätten dies „deutlich weniger als 30 Prozent“ tun müssen, wie die Stichprobe laut Arbeitspapier ergab. Das wären bundesweit etwa 2,5 Millionen Rentner. An diese Fälle gehen die Finanzämter aber erst im Sommer.
Unterdessen wurde bekannt, dass Millionen von Riester-Sparern auf die staatliche Zulage verzichten. Für das Jahr 2007 hätten etwa 3,4 Millionen der insgesamt rund 10,8 Millionen Sparer die Zulage bislang nicht beantragt, heißt es in dem für den 7. Dezember geplanten ZDF-Wirtschaftsmagazin „Wiso“. Das entspreche mehr als 30 Prozent aller Riester-Verträge des Jahres 2007. Den betroffenen Sparern bleibe nur noch bis Ende des Jahres Zeit, um den Antrag noch zu stellen; dann verfalle der Anspruch auf Zulagen für das Jahr.
Auch in den Jahren 2002 bis 2006 hätten mehr als 30 Prozent der Sparer möglicherweise aus Unkenntnis keinen Zulage-Antrag gestellt. Verbraucherschützer fordern den Gesetzgeber laut „Wiso“ auf, aktiv zu werden, „damit die Zulagen automatisch jedem Vertrag zugeschrieben werden, so dass der Verbraucher nicht von sich aus aktiv werden muss“. Aus dem Bundesarbeitsministerium sei eine Änderung aber abgelehnt worden, weil dies zusätzliche Bürokratie schaffe.