Kanzlerin Angela Merkel ist aus dem Urlaub zurück. Schon geht es zwischen ihr und Frank-Walter Steinmeier hoch her.
Berlin. Mit der Rückkehr von Angela Merkel aus dem Urlaub schlagen die Kanzlerin und ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier im Wahlkampf schärfere Töne an. Der SPD-Politiker suchte am Dienstag stärker als bisher die Konfrontation. Er warf Merkel und der Union vor, sich vor einem inhaltlichen Wahlkampf zu drücken und die Wähler „einzulullen“. „Ob sie sich fordern lässt, entscheidet sie selbst“, sagte Steinmeier, der in Umfragen knapp sieben Wochen vor der Wahl weit hinter der Amtsinhaberin rangiert.
Merkel wies wenige Stunden später den von Steinmeier während ihres Urlaubs präsentierten Deutschland-Plan für vier Millionen neue Arbeitsplätze als bloßes Zahlenspiel zurück. Auch für die Union sei im Wahlkampf die zentrale Frage, wie Deutschland gestärkt aus der Krise komme und so Arbeitsplätze gesichert und neue Jobs geschaffen würden.
Während Steinmeier die Bundespressekonferenz als prominenteste politische Bühne in Berlin aufsuchte, meldete sich die Kanzlerin per TV-Interview zurück. Erstmals kritisierte sie auch das Verhalten von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in der Dienstwagen-Affäre. Dort wäre von Schmidt „ein Wort des Bedauerns etwas früher vielleicht hilfreich gewesen“, sagte die CDU-Chefin dem Sender RTL. Steinmeier, der sich intern irritiert gezeigt hatte über Schmidts Umgang mit der Affäre, forderte erneut ein Ende der Debatte, nachdem der Bundesrechnungshof ihr korrektes Verhalten bescheinigt hatte.
Als Seitenhieb auf Steinmeiers Ziel der Vollbeschäftigung bis zum Jahr 2020 verwies Merkel auf die schlechten Erfahrungen ihre Vorgängers Gerhard Schröder mit Arbeitsplatzversprechen. Schröder habe seinerzeit die Marke von 3,5 Millionen Arbeitslosen als Ziel ausgegeben und sei bei fünf Millionen gelandet. Politiker sollten nach Merkels Worten sehr wohl ehrgeizige Ziele haben. „Aber wir sollten auch nichts versprechen, was wir nicht halten können und was wir auch gar nicht überblicken können“, sagte sie.
Steinmeier verteidigte dagegen seinen Deutschland-Plan als ehrgeiziges Ziel, für das die Union bisher einen Gegenentwurf schuldig geblieben sei. „Natürlich geht das nur, wenn die Wirtschaft selbst anpackt, nach vorne schaut, aber auch wenn Politik die Rahmenbedingungen setzt“, sagte Steinmeier.
Von den schwachen Umfragewerten der SPD um die 25 Prozent will sich Steinmeier nicht beeindrucken lassen. Noch immer seien 60 Prozent der Wähler unentschlossen. Der Bundestagswahlkampf müsse ein Streit um Inhalte werden. „Bisher entzieht sich die andere Seite der Debatte. Ich will sie“, sagte Steinmeier. Der Union warf er „Politik ohne Anspruch, ohne Richtung“ vor. Wenn im Zentrum von Merkels Wahlkampf eine Reise mit dem historischen Rheingold-Express stehe, so sei das in der aktuellen Krise nicht das richtige Symbol. „Ein Nostalgie-Zug steht jedenfalls nicht für die Arbeit von morgen, um die wir uns zu kümmern haben“, sagte Steinmeier, der bisher allzu direkte Angriffe auf Union und Kanzlerin vermieden hat.
Einmütig warnten Merkel und Steinmeier davor, die tiefe Wirtschafts- und Finanzkrise bereits für beendet zu halten. Angesichts der für kommenden Donnerstag erwarteten neuen Wirtschaftszahlen, wonach Deutschland im zweiten Quartal die Rezession nach einem Jahr verlassen haben könnte, warnte Steinmeier vor zu großen Erwartungen an eine rasche Erholung, selbst wenn die Talsohle erreicht sei. „Die gegenwärtigen Exportziffern liegen weit unter den Exportziffern des Jahres 2008“, sagte Steinmeier. Manches an Fehlverhalten und Unvernunft, das in die Krise geführt habe, sei nicht beendet.
Für den Weltfinanzgipfel in Pittsburgh in den USA, wo Merkel sich nur wenige Tage vor der Wahl profilieren könnte, legte Steinmeier bereits die Messlatte an. Dort müssten die bisherigen Beschlüsse zur Kontrolle der internationalen Finanzmärkte auch tatsächlich in konkrete Taten umgesetzt werden.