Just zur Rückkehr aus dem Urlaub muss sich Bundeskanzlerin Angela Merkel Tatenlosigkeit vorwerfen lassen. Sie lulle die Öffentlichkeit ein.
Berlin. Der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vorgeworfen, sich um eine echte Wahlkampf-Auseinandersetzung zu drücken. Der in Umfragen weit hinter Merkel abgeschlagene Vizekanzler forderte Merkel auf, einem Wahlkampf über Inhalte nicht auszuweichen. „Ob sie sich fordern lässt, entscheidet sie selbst“, sagte Steinmeier, der sich mit der Bundespressekonferenz eine große Bühne gesucht hatte.
Denn der Auftritt vor der Bundespressekonferenz, der prominentesten öffentlichen politischen Bühne in Berlin, fiel zusammen mit der Rückkehr Merkels aus dem Urlaub in Südtirol. Die Kanzlerin wollte sich per TV-Interview zurückmelden. Die Dienstwagen-Affäre um Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) kam bei Steinmeiers Auftritt nur in einer Frage zur Sprache. Steinmeier bekräftigte, für ihn sei die Debatte mit dem Bundesrechnungshofbericht beendet. Dieser hatte Schmidt bescheinigt, den Dienstwagen im Spanien-Urlaub im Rahmen der Vorschriften genutzt zu haben.
Von den unverändert schwachen Umfragewerten der SPD, die um oder sogar klar unter die 25 Prozent liegt, lasse er sich nicht beeindrucken. Noch immer seien rund 60 Prozent der Wähler unentschlossen, sagte Steinmeier. Der Bundestagswahlkampf müsse ein Streit um Inhalte sein. „Bisher entzieht sich die andere Seite der Debatte. Ich will sie“, sagte Steinmeier. Der Union warf er „Politik ohne Anspruch, ohne Richtung“ vor, da sie entgegen ersten Ankündigungen keinen industriepolitischen Gegenentwurf zu seinem Deutschland-Plan vorgelegt habe.
CDU und CSU versuchten, „die Öffentlichkeit einzulullen und den Wahlkampf gar nicht erst richtig beginnen zu lassen“. Wenn im Zentrum des Wahlkampfes von Kanzlerin Merkel eine Reise mit dem historischen Rheingold-Express stehe, so sei das in der aktuellen Krise nicht das richtige Symbol. „Ein Nostalgie-Zug steht jedenfalls nicht für die Arbeit von morgen, um die wir uns zu kümmern haben“, sagte Steinmeier, der bisher im Wahlkampf direkte Angriffe auf die Union und die Kanzlerin vermieden hat.
Sein Ziel der Vollbeschäftigung im Jahre 2020 sei ehrgeizig, aber unterlegt mit realistischen Schritten. „Natürlich geht das nur, wenn die Wirtschaft selbst anpackt, nach vorne schaut, aber auch wenn Politik die Rahmenbedingungen setzt“, sagte Steinmeier. Wer vorschnell Vollbeschäftigung für absurd erkläre, verfalle in althergebrachte Rituale: „Wir haben keinen Grund, in dieser Gesellschaft Massenarbeitslosigkeit hinzunehmen.“ Mit seinem Deutschland-Plan habe er eine Debatte losgetreten. „Es wird weder einer Parteivorsitzenden noch einer Partei gelingen, das wieder zu beerdigen“, sagte Steinmeier weiter.
Nach Steinmeiers Worten ist manches an Fehlverhalten und Unvernunft, das in die Krise geführt habe, nicht beendet. „Manche haben nicht gelernt“, sagte der Kanzlerkandidat. „Die Krise in den Köpfen ist noch nicht wirklich vorbei.“
Steinmeier schließt ein Bündnis mit der Linkspartei nach der Bundestagswahl weiter aus. „Ich habe die Frage jetzt lange nicht mehr gehört. Das hängt auch damit zusammen, dass man mir – auch Franz Müntefering – abnimmt, dass wir sie nicht machen werden, die rot-rote Koalition nach dem 27. September“, sagte Steinmeier. Er hält nach der Bundestagswahl am 27. September eine Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen weiter für denkbar. „Wer da zu meinen Lieblingspartnern gehört, habe ich öffentlich gesagt“, sagte Steinmeier. „Und dann muss man sehen, ob es zur Regierungsbildung weiterer Partner bedarf."