Stade. Im Stader Hafen soll Deutschlands größtes Altholz-Kraftwerk entstehen. Konzern preist Nachhaltigkeit an – doch die Skepsis wächst.

Wer an das Alte Land denkt, dem fallen nicht direkt Industriegebiete und Kraftwerke ein. Und doch: In Stade-Bützfleth soll in Kürze Deutschlands größtes Altholz-Heizkraftwerk entstehen. Schon 2026 will die Firma Hansekraft Stade mit dem Bau beginnen, 2029 soll die Anlage fertig sein.

Ob es wirklich dazu kommt, ist allerdings noch offen. Denn bereits vor dem Genehmigungsantrag versetzen die Pläne das sonst eher gemächliche Ortsklima in Aufruhr – und sorgen bei Umweltverbänden und Bürgern für massive Proteste.

Kraftwerk-Koloss im Stader Hafen geplant – Protest der Anwohner wächst

Dabei klingt das Versprechen des Energiekonzerns zunächst nicht schlecht: Altholz, heißt es auf der Unternehmenswebsite, ersetze fossile Energiequellen. Bei entsprechender Verwertung trage der Rohstoff zur „nachhaltigen Energiegewinnung“ bei. Hansekraft-Geschäftsführer Jörg Dobbrunz erläutert: „Holz ist ein natürlicher und nachwachsender Rohstoff, der mehrfach wiederverwendet werden kann. Doch irgendwann hat das Holz das Ende der stofflichen Nutzung erreicht und kann thermisch noch sinnvoll verwertet werden.“

So könne man mit der Altholzverbrennung „grünen Dampf und Strom sowie biogenes CO₂ für die Industrie und grüne Wärme für die Menschen in Stade produzieren“. In Zahlen: Aus 500.000 Tonnen importiertem Altholz sollen jährlich 150.000 Megawattstunden Wärme, 300.000 Megawattstunden Strom und 1,2 Millionen Megawattstunden Prozessdampf entstehen. Insgesamt ein Ablauf, der „nahezu klimaneutral“ sei.

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Berge voller Altholz könnten künftig auch das Industriegebiet Stade-Bützfleth zieren. © IMAGO/mix1 | IMAGO stock

An der Umweltfreundlichkeit hat Dr. Jan Witt jedoch seine Zweifel. Er ist Sprecher einer Bützflether Bürgerinitiative (BI), die gegen das Bauvorhaben vorgeht: „Je mehr wir uns und die Bürger über Fachleute und Recherchen informierten, desto skeptischer wurden wir.“ In einer Pressemitteilung bezeichnet die BI das Versprechen von Hansekraft Stade sogar als „Greenwashing“. Witt erklärt: „Es wird mit sehr optimistischen Annahmen argumentiert, um geradezu utopische Leistungsdaten und Nutzungsmöglichkeiten herauszustellen, die Werbung für das Projekt machen sollen.“

Altholz-Kraftwerk: Hansestadt Stade und Energiekonzern beziehen Stellung

Um dies und weitere Streitpunkte zu klären, hatte die BI zunächst einen zwölfteiligen Fragenkatalog erstellt. Mitte Oktober wurde er der Stadt Stade und Hansekraft zur Stellungnahme vorgelegt. Inzwischen haben beide Parteien geantwortet.

Was etwa die angesetzten Leistungsdaten anbelangt, gibt sich Hansekraft zuversichtlich. Betont aber ebenso wie die Stadt, dass es noch einer behördenseitigen Überprüfung bedarf. Eine weitere Frage der BI betrifft den Umgang mit möglicher Altholzknappheit. Schließlich könne dann die Verwendung von wertvollem Frischholz nicht mehr ausgeschlossen werden.

Der Konzern hält dagegen: „Den Einsatz von Frischholz schließen wir aus.“ Ferner liege Hansekrafts Fokus „ganz klar auf dem internationalen Markt, wo viele Kapazitäten brach liegen“. Einen genauen Nachweis bleibt die Firma hier jedoch schuldig.

Geplantes LNG-Importterminal in Stade
Ein Schiff fährt auf der Elbe. Im Hintergrund: das Industriegebiet Stade-Bützfleth. © picture alliance/dpa | Sina Schuldt

Zudem sorgt sich die BI um die Verbrennung von schadstoffbehaftetem Altholz der Klasse IV. Auch diese Befürchtung weist Hansekraft zurück; nur ein kleiner Teil der Kategorie sei mit Holzschutzmitteln oder ähnlichen Schadstoffen behandelt. Ein installierter Rauchgasreiniger könne versprechen: „Alle geltenden Grenzwerte werden deutlich unterschritten werden.“

Pauschale Verbrennungsverbote dieser Altholzklasse seien ohnehin nicht zulässig, ergänzt die Stadt. Und positioniert sich klar: „Das Altholzkraftwerk stellt einen wichtigen Baustein in der energetischen und ökologischen Transformation des Industriestandortes Bützfleth dar.“

Bürgerinitiative: „Dieses Kraftwerk darf nicht gebaut werden!“

Allerdings sorgten weder die Antworten der Stadt noch die des Energiekonzerns für Ruhe und Zufriedenheit. Vielmehr hieß es vonseiten der BI, Hansekraft habe die Bedenken nicht beschwichtigen können. Auch nicht mit dem kurz darauf vorgelegten Scoping-Papier – ein Dokument, das in der Planungsphase eines Projekts erstellt wird, um dessen grundlegenden Rahmen abzustecken und für Klarheit zu sorgen. Dem steht die Meinung der BI entgegen, die in den Unterlagen der Firma gleich mehrere Widersprüche sieht.

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An die Gewerbeaufsicht Lüneburg hat die Initiative daher nun eine Stellungnahme verschickt, in der die fachliche Seriosität und Stringenz des Dokuments stark angezweifelt wird. Umweltrelevante sowie rechtliche Fragen würden nicht ausreichend betrachtet, so der Vorwurf. Alternative Methoden der Energiegewinnung blieben weiter außen vor. Insofern sei das Vorhaben „nicht zu Ende gedacht und schon gar nicht geplant“, kritisiert Witt. Sein Appell: „Dieses Kraftwerk darf nicht gebaut werden!“

Emissionen: Umweltverbände in Sorge um Gesundheit der Anwohner

Ähnlicher Meinung sind auch zahlreiche Umweltverbände, darunter die Deutsche Umwelthilfe, Nabu, Robin Wood und Biofuelwatch. Gemeinsam mit der BI haben sie Mitte November ein Infopapier herausgegeben. Hier stehen vor allem die CO₂-Emissionen in der Kritik: „Holz setzt bei der Verbrennung mehr CO₂ frei als fossile Energieträger wie Kohle und Gas!“ Zudem könne Holz nicht in dem Tempo nachwachsen, in dem es verbrannt wird. Insofern sei Holzbiomasse – trotz theoretischer Erneuerbarkeit – „keine klimafreundliche Energiequelle“ und deren Verbrennung „nicht nachhaltig“.

Der Chemie- und Industriestandort Stade-Bützfleth gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsarealen der Region.
Der Chemie- und Industriestandort Stade-Bützfleth gehört zu den wichtigsten Wirtschaftsarealen der Region. © HA | Martin Elsen

Neben dem Klima sehen die Umweltverbände auch die Gesundheit der Bützflether Bürger in Gefahr. Schließlich stoße ein Holzheizkraftwerk nicht nur CO₂, sondern auch Feinstäube aus. Die möglichen Folgen: „zahlreiche Krankheiten wie Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, so die Verbände. Besonders gefährdet seien Besucher zweier Einrichtungen, die nur 900 Meter vom Standort entfernt liegen: eine Kita und eine Grundschule. Witt hofft daher „auf ein Umdenken bei der Stadt, die immer noch den Heilsversprechen der Hansekraft glaubt“.

Kommt das Altholz-Kraftwerk in Stade-Bützfleth? Das ist der aktuelle Stand

Ein direkter Dialog der BI mit Hansekraft hat bislang angeblich nicht stattgefunden. Ob und wann es dazu kommt, bleibt abzuwarten. Gleiches gilt für den weiteren Verlauf des Verfahrens: Bis Anfang Dezember holt das Gewerbeaufsichtsamt Lüneburg Stellungnahmen ein. Anschließend wird Hansekraft zu einer Reaktion aufgefordert. Erst danach kann der Konzern in einem weiteren Schritt die Genehmigungsunterlagen einreichen. Dies soll frühestens im Herbst 2025 und unter Öffentlichkeitsbeteiligung geschehen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung dann ist ebenso vorgesehen.

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Gesichert ist die Umsetzung des Altholz-Heizkraftwerks also in vielerlei Hinsicht nicht. Dafür spricht auch die Vorgeschichte des Industrie- und Chemiestandortes Stade-Bützfleth: Im Jahr 2017 sollte auf demselben Gelände eine Müllverbrennungsanlage gebaut werden, doch fertiggestellt wurde sie nie. Einen wesentlichen Anteil daran haben Anwohner und die daraus hervorgegangene BI. Vor Gericht argumentierten sie mit gemessenen Luftschadstoffwerten – und gewannen den Prozess.