Harburg. Im Harburger Hafen entsteht erste Green-Energy-Anlage Deutschlands. Warum dafür etliche Weltkriegsbomben entschärft werden mussten.

  • Kerosin wird bislang fast zu 100 Prozent aus Erdöl hergestellt
  • Doch es gibt Alternativen: Auch aus Pflanzenölen kann der Kraftstoff für Flugzeuge produziert werden
  • Im Hamburger Süden soll nun eine gigantische Anlage zur Erzeugung entstehen

Einst prägten Industrieanlagen den Harburger Hafen und das Gesamtbild der Stadt südlich der Elbe. Dichter Rauch stieg aus den Schornsteinen der Fabriken und Seeschiffe empor, aus weiter Ferne flackerten die Fackeln der Raffinerien. Doch längst hat der Strukturwandel auch den Harburger Hafen und Industrie erfasst. Der Binnenhafen ist zum Wohnquartier geworden, und auch wenn einige Betriebe noch da sind, verursachen sie längst nicht mehr so viel Rauch wie früher.

Grüner Diesel aus dem Harburger Hafen: Mega-Projekt startet im Hamburger Süden

Am Donnerstag war es die Holborn Raffinerie an der Moorburger Straße, die einen weiteren Meilenstein auf dem Weg zur Energiewende feierte – mit dem Baustart der deutschlandweit ersten „Green Diesel Production“.

Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation und Lars Bergmann Geschäftsführer der Holborn Europa Raffinerie.
Melanie Leonhard, Senatorin für Wirtschaft und Innovation und Lars Bergmann Geschäftsführer der Holborn Europa Raffinerie. © LENTHE-MEDIEN | LENTHE-MEDIEN

Um kurz nach 11 Uhr und einem kurzen Festakt am Rande des fast fünf Fußballfelder großen Baufeldes, hob ein 700-Tonnen-Kran einen gewaltigen Öl-Tank auf sein Fundament. Ab 2027 soll in der deutschlandweit ersten Produktionsanlage für grünen Diesel und Kerosin der Treibstoff der Zukunft produziert werden.

Dafür waren monatelange Vorarbeiten notwendig. Allein auf dem nun geplanten Gelände wurden zehn Blindgänger aus dem 2. Weltkrieg gefunden und mussten entschärft werden.

800.000 Tonnen Kohlendioxid sollen mit dem Kraftstoff eingespart werden

Rund 40.000 Liter kohlendioxidarmen Kraftstoff soll die Anlage pro Stunde liefern – das entspreche einer Menge von 220.000 Tonnen im Jahr. Die Anlage im Hamburger Süden produziere HVO, also non-fossilen Dieselkraftstoff aus biologischen Rest- und Abfallstoffen sowie den Flugzeugkraftstoff SAF.

Beide Kraftstoffe sollen über die gleichen chemischen Eigenschaften wie fossiler Diesel und herkömmliches Kerosin verfügen. HVO wird bereits seit 2024 an immer mehr Tankstellen angeboten – allein der Kraftstoff aus Harburg werde dazu beitragen, etwa 800.000 Tonnen Kohlendioxid jährlich im Verkehrssektor einzusparen. Dafür investiere die Raffinerie 475 Millionen Euro in die Zukunft mit der neuen Anlage.

„Dieses Projekt treibt die Energiewende erfolgreich voran“

„Es ist ein weiterer Meilenstein auf dem Weg zu einer grünen Raffinerie“, freute sich Lars Bergmann, Geschäftsführer der Holborn Europa Raffinerie. „Dieses Projekt ist ein sichtbares Zeichen der langfristigen Transformation unserer Raffinerie, mit dem Ziel, erneuerbare und kreislauforientierte Lösungen in der Produktion nachhaltiger Kraftstoffe zu etablieren. Damit treiben wir auch die Energiewende erfolgreich voran“, sagte er.

Ein weiterer Vorteil des Öko-Diesels: eine Verringerung der Abhängigkeit von Erdöl. Grüner Diesel werde weltweit als Drop-in-Biokraftstoff in Kraftfahrzeugen verwendet, ohne dass Änderungen am Motor vorgenommen werden müssen. Dadurch würde im Vergleich zu fossilen Kraftstoffen eine drastische Senkung der Treibhausgas-Emission erreicht und die Nachhaltigkeitskriterien der EU für erneuerbare Energien eingehalten.

Green Energy made in Hamburg: Transformation zu mehr Nachhaltigkeit wichtiger denn je

Beim feierlichen Kranhub des ersten Anlagenteils war auch Hamburgs Wirtschafts- und Innovationssenatorin Melanie Leonhard anwesend. In ihrer Ansprache betonte sie, dass die Industrie mit 81.000 Arbeitsplätzen in der ganzen Stadt immer noch einen wichtigen Anteil am wirtschaftlichen Erfolg Hamburgs trage.

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Daher sei der notwendige Prozess der Transformation hin zu einer grünen und nachhaltigen Produktion wichtiger als je zuvor. Dabei sei vor allem auch die Politik gefragt, um mit klugen Entscheidungen die Rahmenbedingungen zu liefern, um Planungssicherheit zu schaffen. „Dabei geht es nicht so sehr um finanzielle Aspekte“, betonte Leonhard.

Dem widersprach Prof. Dr. Christian Küchen vom Wirtschaftsverband Fuels und Energie (en2x) deutlich. „Ein wichtiger Baustein für diesen Prozess ist die Molekülwende, welche die Energiewende ergänzt, die bislang vor allem nur eine Stromwende ist. Ohne dass jetzt schnell Geschäftsmodelle für CO2-neutrale Moleküle geschaffen werden, rückt das Erreichen der Klimaziele in noch weitere Ferne.“ Dafür sei auch eine finanzielle Förderung durch die Politik nötig.