Winsen. Ab Mittwoch geht‘s um Millionen: Der Landkreis muss großes Finanzloch stopfen und will Mittel für Schulen, Flüchtlinge und Ärzte eindampfen.

Der Landrat hat es angekündigt, jetzt liegen die Zahlen vor. Und der Rotstift ist gezückt: Der Landkreis Harburg will in den kommenden Jahren zahlreiche Leistungen kürzen, streichen und verschieben, um zu sparen. Gleichzeitig sollen die Städte und Gemeinden einen größeren Teil der Steuereinnahmen an den Kreis abgeben, um dessen Schulden zu verkleinern.

Grund: Der Landkreis Harburg steht vor dem größten Defizit seiner Geschichte und steuert auf ein Minus von 52 Millionen Euro zu. Warum das so ist, erläutert Verwaltungschef Rainer Rempe in diesem Interview.

Landkreis Harburg macht Schulden: Wen treffen die Kürzungen?

So viel war bereits über die dramatische Finanzlage klar. Jetzt hat der Landkreis seinen Plan vorgelegt: Vorgesehen ist unter anderem, Flüchtlinge stärker zur Kasse zu bitten und Gelder für Infrastruktur (Schulen und Straßen) sowie die Kultur zu kürzen. Auch die Bekämpfung des Ärztemangels könnte weniger gefördert werden.

Das sogenannte „Haushaltsicherungskonzept“ wird der Kreispolitik und der Öffentlichkeit am Mittwoch (1. November) zusammen mit dem Haushaltsplan (für die Jahre 2024 und 2025) vorgestellt – in einer vorläufigen Fassung. Darin führt der Landkreis die möglichen Sparmaßnahmen sowie die Schritte zur Erhöhung der Erträge auf. Ein Blick auf die Liste zeigt: Was Landrat Rainer Rempes Verwaltungsteam gemeinsam mit der Politik in den nächsten Wochen entscheiden, kann sich an vielen Stellen spürbar auf das Leben der Menschen vor Ort auswirken.

Landrat Rainer Rempe steht vor einem Millionendefizit.
Landrat Rainer Rempe steht vor einem Millionendefizit. © Harburg | LK Harburg

Wer letztlich betroffen sein wird und in welchem Maße, steht nun zur Diskussion. Alle Unterlagen zum Haushaltsplan und Konsolidierungsplan (Sparmaßnahmen) stehen bereits online zur Verfügung. Die Sitzung im Winsener Kreishaus (Schloßplatz 6, Finanz- und Haushaltsausschuss, Sitzungssaal B-013) ist öffentlich und beginnt um 15 Uhr.

Schulen, Straßen, Flüchtlinge, Ärzte und Kultur: Hier will die Verwaltung den Rotstift ansetzen

Die Lage ist ernst. So wird der Landkreis das laufende Jahr 2023 wohl mit einem Minus in Höhe von fast 34 Millionen Euro abschließen. Laut Berechnung im neuen Haushaltsplan würde das Defizit 2024 sogar 52 Millionen Euro betragen, 2025 dann etwas mehr als 48 Millionen.

Ziel ist nun, diese Schulden zu drücken und damit allzu hohe Kredite und damit verbundene Kosten zu vermeiden. Im kommenden Jahr will der Kreis das Minus um knapp 17,6 Millionen Euro verringern, im Folgejahr 2025 um 18,6 Millionen Euro. Trotz der Sparbemühungen bleiben danach hohe Defizite stehen. Das sind die gerundeten Ergebniszahlen aus dem Entwurf des Haushaltssicherungskonzepts in der Übersicht (Stand: 16. Oktober 2023):

2024 (Mio. Euro)2025202620272028
Ergebnis ohne Maßnahmen-52,2-48,4-41,4-36,1-43,6
Geplante Verringerung17,618,619,119,819,8
Ergebnis mit Maßnahmen-34,6-29,9-22,3-16,3-16,3

Etwa in Sachen Bau, Instandhaltung und Sanierung von Straßen und Schulen würden infolge des Sparkurses in den kommenden Jahren weniger Mittel zur Verfügung stehen. So würde der Landkreis nach aktuellem, noch nicht verabschiedetem Plan zunächst vier Millionen Euro weniger in Schulgebäude investieren und Baumaßnahmen verschieben. Das wäre ein Drittel des Gesamtvolumens. Ersatzlos gestrichen werden sollen beispielsweise Investitionen in Kreisstraßen in Höhe von 2,6 Millionen Euro in den Jahre 2024 und 2025.

Im dauerhaften Budget des Kreishaushaltes sind zudem zahlreiche Kürzungen und Streichungen vorgesehen. Eine Auswahl der größeren Posten vermittelt einen Eindruck der möglichen Tragweite für die Allgemeinheit:

  • Hausärztliche Versorgung: Kürzung der jährlichen Förderung zur Sicherung der Versorgung im Kreis um 100.000 Euro auf 200.000 Euro. Die Lage im Kreis ist trotz Förderung sehr angespannt.
  • Schulen: Jährlich fast 400.000 Euro weniger für die Errichtung, Unterhaltung und Ausstattung (zwei pauschale Posten à 160.600 Euro und 233.800 Euro)
  • Flüchtlinge: Ab 2025 sollen die Zuschüsse für die soziale Betreuung in dezentralen Unterkünften (370.000 Euro) komplett entfallen.

Als freiwillige kommunale Leistung fallen dem geplanten Sparkurs auch Teile der Kulturförderung zum Opfer. Insgesamt sollen hier Mittel von 187.500 Euro entfallen. Betroffen wären unter anderem das Freilichtmuseum am Kiekeberg, das Filmmuseum Bendestorf, die Stiftung Bossard und die allgemeine Projektförderung von Kunst, Kultur und Medien.

Allgemein soll beim Personal gespart werden. Ab Herbst 2023 sei „eine intensive Prüfung von Stellennachbesetzungen“ vorgesehen. Der aktuelle Stellenplan sieht weiterhin eine Erhöhung des Personals um 29,09 Stellen vor – von aktuell 842,1 auf 860,64 Planstellen in den Jahren 2024/25.

Flüchtlinge und Gemeinden zahlen mehr: Wie der Landkreis Mittel eintreiben will

Das Haushaltsergebnis will der Landkreis nicht nur durch Sparmaßnahmen verbessern. Auch die Erträge sollen erhöht werden – und zwar jährlich um rund 16 bis 18 Millionen Euro. So will der Kreis die Benutzungsgebühren für Flüchtlingsunterkünfte erhöhen – von 180 auf 250 Euro im Monat. Damit wären laut Haushaltsplan jährlich 500.000 Euro mehr auf der Haben-Seite.

Zur Einordnung: Der Landkreis Harburg gilt bisher als Positivbeispiel und würde auch mit Beiträgen in Höhe von 250 Euro zu den günstigen Kommunen in Niedersachsen zählen. Laut Flüchtlingsrat zahlen anerkannte, berufstätige Flüchtlinge in vielen Städten und Gemeinden deutlich mehr.

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Größter Hebel ist die sogenannte Kreisumlage. Heißt konkret: Die Städte und Gemeinden im Landkreis Harburg sollen einen größeren Teil der Gewerbesteuern an die Kreiskasse abführen. Etwa 15 Millionen Euro zusätzlich würde der Landkreis durch die Anhebung des Hebesatzes zum 1. Januar 2024 um vier Prozentpunkte auf 49,5 bekommen.

Das würde allerdings die einzelnen Kommunen im Kreis stark belasten. Die Sorgen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister sind groß.

Hinweis: Der Landkreis Harburg ist derzeit nicht rechtlich dazu verpflichtet, einen Sparkurs im Sinne eines „Haushaltsicherungskonzepts“ aufzustellen, weil das Vermögen in der Bilanz die Schulden überwiegen wird und Überschüsse aus den Vorjahren vorhanden sind. Die Verwaltung will damit einer weiteren Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse entgegenwirken.