Haben Sie Sorgen, Probleme im Alltag? Ralf Nehmzow ist Leserbotschafter des Hamburger Abendblatts, er vermittelt, hilft, engagiert sich für die Interessen der Leser. An den ersten Donnerstagen im Monat lässt er in seiner Kolumne Leser mit jeweils drei Fällen zu Wort kommen, konfrontiert damit die betroffenen Behörden, Institutionen und Unternehmen. Nicht alle Ärger-Fälle lassen sich lösen, manchmal gibt es nur Erklärungen. Am jeweils letzten Donnerstag dokumentiert er den "Fall des Monats" mit Ergebnis.
Der Fall
Ilse B. liebt Kreuzfahrten, einige Male war sie schon mit Luxuslinern unterwegs. "Dabei hat man immer das Hotel bequem an Bord und kann stets neue Destinationen entspannt entdecken", sagt sie. Unlängst freute sie sich auf ihre Traumreise nach Oslo. Eine Woche wollte sie unterwegs sein mit der "Astor", dem früheren "Traumschiff", bekannt aus dem Fernsehen. Das 176 Meter lange und 23 Meter breite Luxusschiff (167 Außenkabinen, 96 Innenkabinen, 32 Suiten mit jeglichem Komfort) bietet Platz für maximal 590 Passagiere. Schöne Aussichten, doch: Die Reise war beim Start in Bremerhaven für die 87-Jährige schon zu Ende, bevor sie richtig begonnen hatte. Auf dem roten Teppich geschah es: "Ich hatte mich schon eingecheckt und wollte gerade aufs Schiff gehen", sagt die Rentnerin. "Die Gangway war mit einem roten Teppich abgedeckt, dort bin ich offenbar gestolpert, die Stufen waren für mich nicht richtig zu erkennen." Sie stürzte und verletzte sich am Knie. Die Reise konnte sie nicht mitmachen. "Ich hatte mich so sehr darauf gefreut. Meine Tochter hat für mich bei der Reederei um die Rückzahlung des Reisepreises von 1290 Euro gebeten, das wurde aber abgelehnt. Was kann ich tun?"
Die Recherche
Die genaue Analyse ergibt: Ilse B. wurde zunächst noch auf dem Schiff untersucht, von der Schiffsärztin. Im Schreiben des "MS-Astor Cruiseship Hospitals", das der Leserbotschafter einsieht, heißt es zum Befund: "Starke Schwellung linkes Knie, Beweglichkeit, Belastung, wegen starker Schmerzen nicht möglich." Und zur Diagnose nach eingehender Untersuchung notiert die Ärztin im Protokoll: "Kniegelenkstrauma links, Ausschluss Fraktur." Auf Anraten der Medizinerin wurde die Patientin noch am Abreisetag in das örtliche Krankenhaus verlegt - die "Astor" stach ohne Ilse B. in See. "Es war klar, ich hätte auf keinen Fall mitfahren können", bestätigt die Rentnerin.
Sie wurde am nächsten Tag in Bremerhaven operiert und nach zehn Tagen per Krankenwagen von Bremerhaven nach Hamburg gebracht. "Es war keine schöne Zeit. Die Wunden am Knie sind zwar mittlerweile verheilt, aber seit der Operation, bei der mir ein Schleimbeutel entfernt wurde, kann ich nicht mehr so lange laufen. Jetzt bin ich auf einen Stock als Gehhilfe angewiesen", sagt sie.
Eine Sprecherin der Reederei Transocean ließ den Einzelfall und seine Umstände noch mal genau prüfen, als der Leserbotschafter intervenierte. Zur ersten Ablehnung der telefonischen Anfrage, den Reisepreis zurückzuzahlen, die es gegeben haben soll, sagt sie: "Uns ist eine solche ablehnende Entscheidung nicht bekannt. Möglicherweise ist die Anfrage in der Telefonzentrale irgendwo abschlägig entschieden worden oder nicht zutreffend weitergeleitet worden." Man bedauere sehr, dass die Dame aufgrund des Unfalls nicht mit der "Astor" fahren konnte.
Fest steht: Rechtlich ist es schwierig zu prüfen, ob und wenn ja, wer genau eine Schuld an dem Unfall hatte. Der kleine Moment des Unfalls wäre heute kaum juristisch aufzuklären. Es sei auch nicht Stil, in einem solchen tragischen Einzelfall wie diesem "Schuldfragen zu diskutieren, sondern es ist unser Stil, hier unbürokratisch und rasch der Dame zu helfen", sagt die Sprecherin von Transocean.
Das Ergebnis
Die Entscheidung der Reederei: Ilse B. bekommt aus Kulanz einen Gutschein in Höhe ihrer Anzahlung, also insgesamt im Wert von 1290 Euro. "Die Kundin kann also eine gleichwertige Reise gratis machen, oder ihr wird bei einer teureren Reise die Summe angerechnet", so die Reederei-Sprecherin. "Hoffentlich hat die Kundin dann eine unfallfreie Reise. Wir wünschen ihr viel Freude an Bord der MS 'Astor'."
Rentnerin Ilse B. ist glücklich, sagt: "Das ist wirklich fantastisch. Ich habe vor, 2011 mit der 'Astor' nach Oslo eine Reise zu unternehmen, wenn es die Gesundheit erlaubt. Danke schön für die neue Reise."
So erreichen Sie den Leserbotschafter: Schicken Sie bitte Ihre Alltagsärger-Fälle, kurz skizziert, mit Ihrer Telefonnummer per E-Mail an: Leserbotschafter@Abendblatt.de oder an: Leserbotschafter Ralf Nehmzow, Chefredaktion Hamburger Abendblatt, Axel-Springer-Platz 1, 20350 Hamburg.