Acht Jahre lang litt sie in einem Kellerverlies unter ihrem Peiniger. Am Mittwoch erscheint ihre Biografie - für Kampusch ein Stück Freiheit.

Wien/Hamburg. Auch vier Jahre nach ihrer Flucht aus einem Kellerverließ fühlt sich das österreichische Entführungsopfer Natascha Kampusch noch immer nicht richtig frei. Sie arbeite weiter an ihrer Freiheit, sagte die 22-Jährige in einem Interview. In ihrer am Mittwoch erscheinenden Biografie „3096 Tage“ beschreibt Kampusch unter anderem, wie sehr sie die Zeit in Gefangenschaft und die Reaktionen in der Öffentlichkeit danach auch psychisch einschränken. Die Wienerin war 1998 als Zehnjährige auf dem Weg zur Schule von Wolfgang Priklopil entführt und achteinhalb Jahre in einem schalldichten Kellerverlies eingesperrt worden. Am 23. August 2006 gelang ihr aus eigener Kraft die Flucht. Ihr Peiniger warf sich noch am selben Tag vor einen Zug. Ihre Befreiung machte weltweit Schlagzeilen.

Sie sei als Kind kurz nach der Entführung und in dem Versteck hinter einer tonnenschweren Betontür gar nicht in der Lage gewesen, sich zu wehren oder Fluchtpläne zu schmieden, sagte Kampusch. „Es hätte vielleicht sogar gereicht, wenn es eine ganz normale Tür gewesen wäre.“ In ihrem Buch beschreibt sie tägliche seelische und körperliche Misshandlungen von Priklopil, mit der er ihren Willen brechen wollte. Er schlug sie brutal zusammen, schor ihr die Haare, gab ihr mit „Bibiana“ einen neuen Namen und ließ sie halbnackt im Haus putzen. Selbst bei späteren gemeinsamen Ausflügen schafft die junge Frau es nicht, um Hilfe zu rufen.

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„Ich wollte mit der ganzen Geschichte abschließen“, erklärte Kampusch das Buch. Durch das Erzählen seien die Erlebnisse noch einmal hochgekommen. Es habe aber auch beim Verarbeiten geholfen, da sie die Gefangenschaft lange verdrängt und sich eingeredet habe, dass alles doch nicht so schlimm gewesen sei. „Aber als ich das dann gelesen habe, ist mir klar geworden, wie schrecklich das eigentlich war. Mir hat die Person, der das passiert ist, dann so leidgetan. Ich tue mir aber eigentlich nicht leid – das war wie eine Rückkoppelung“, sagte Kampusch.

In ihrer Biografie, in Auszügen bereits in der Bild-Zeitung erschienen, beschreibt Kampusch den Beginn ihrer Entführung und den Moment im Auto ihres Peinigers auf dem Weg ins österreichische Strasshof mit den Worten: "Bis zu diesem Moment war ich überzeugt davon gewesen, dass ich bald sterben würde. Das, was mir jetzt drohte, schien mir schlimmer."

Außerdem habe sie Menschen, die sich für ihre Geschichte interessieren, eine authentische Schilderung der Geschehnisse geben wollen. Denn auch vier Jahre nach der Flucht fühlt sich die junge Frau als Opfer stigmatisiert und durch Vorurteile in ihrer Freiheit eingeschränkt :„Das ist so, wie wenn man jemandem, der am Boden liegt, noch einen Tritt gibt, damit er da bloß liegen bleibt. Man darf dann nur noch das Haus am Rande der Ortschaft in der Nähe des Friedhofs bewohnen.“ In Zukunft will Kampusch lernen, endlich ohne Einschränkungen zu leben:„Ich möchte die Freiheit zu allem haben.“

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Am Montagabend (22.45 Uhr) wird die 22-Jährige in der ARD-Talksendung „Beckmann“ ein ausführliches Interview im deutschen Fernsehen geben. „Ich will die ganze Geschichte loswerden, es ist eine Art Ballastpaket für mich“, sagte sie dem Moderator Reinhold Beckmann in der bereits am Samstag aufgezeichneten Show. Die meisten Menschen sähen die Dinge zu einfach: „Entweder schwarz oder weiß.“ Heute gehe es ihr gut , sagt Kampusch. „Ich habe Freunde gefunden, auch wenn es nicht ganz leicht war. Es ist eine starke Belastung für jeden, der mit mir befreundet ist, auch meine Vergangenheit mitzutragen", sagte sie bei Beckmann.