Der Ex-Präsident des Obersten Gerichtshofes Österreichs fürchtet, dass ein Mittäter aus Angst vor Entdeckung Kampusch umbringen könnte.
Wien. Die amtliche Sonderkommission im Fall Natascha Kampusch hat den öffentlichen Druck auf die Ermittler erhöht. Es sei „völlig unrealistisch“, dass der Entführer allein gehandelt habe, schrieb der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes und Kommissionsmitglied Johann Rzeszut laut Online-Ausgabe der Zeitung „Österreich“ vom Sonntag in einem Brief an das Blatt. „Der Tatplan eines Einzeltäters, ein Kind in verbautem Gebiet mit einem selbstgelenkten, von außen einsehbaren Kraftfahrzeug zu entführen“, sei unrealistisch.
Rzeszut befürchtet noch Schlimmeres: Ein Mittäter würde möglicherweise nicht davor zurückschrecken, die heute 21-Jährige umzubringen, bevor sie die ganze Wahrheit ans Licht bringt. „Wir fürchten nichts mehr als in einigen Jahren eine Zeitungsmeldung des Inhalts: „Natascha Kampusch tot aufgefunden“ oder „Natascha Kampusch tödlich verunglückt“, schrieb er.
Kampusch war 1998 im Alter von zehn Jahren in Wien auf dem Schulweg entführt und jahrelang in einem Kellerverlies in Niederösterreich gefangen gehalten worden. 2006 gelang ihr die Flucht, der Entführer nahm sich daraufhin das Leben. Gerüchte über mögliche Mittäter gibt es schon lange.
Der Kommissionsleiter und ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofs, Ludwig Adamovich, hatte Ende Juli gesagt, dass noch Fragen in dem Fall offen seien und weitere Ermittlungen angeregt. Zuvor hatte das Bundeskriminalamt Vernehmungsprotokolle von Kampusch eingesehen, die die Staatsanwaltschaft unter Verschluss hält. Adamovich stellte die Einzeltäter-Theorie ebenfalls mehrfach öffentlich infrage. Details nannte er bisher aber nicht.