Johannes Heesters hat den holländischen TV-Satirikern “Die Schakale“ zwei Tage vor seinem 105. Geburtstag eine Steilvorlage geliefert: Der...

Johannes Heesters hat den holländischen TV-Satirikern "Die Schakale" zwei Tage vor seinem 105. Geburtstag eine Steilvorlage geliefert: Der Nazidiktator Adolf Hitler, sagte er, sei "ein guter Kerl" gewesen. Nicht generell, räumt er auf Einrede seiner Frau Simone Rethel-Heesters ein, "aber für mich war er nett". Über den Interview-Schnipsel kann sich unter abendblatt.de jeder in Text und Video selbst ein Bild machen .

Sowohl das Interview als auch die aufgeregten Medienreaktionen werfen Fragen auf. Selbst wenn Heesters genug Angriffsfläche bietet: Was für eine Großtat ist es eigentlich, einen 104 Jahre alten Menschen auf diese Art noch einmal vorzuführen? Das Verhalten von Publikumslieblingen im Dritten Reich ist vielfach untersucht worden. Bei Heesters, der als Schutzschild bis heute den Satz "Ich bin ein unpolitischer Mensch" vor sich herträgt, haben sie ergeben: Ja, er hat unter den Nazis Karriere gemacht. Nein, er war nie in der NSDAP, und er wollte nie Deutscher werden. Er ist 1938 noch mit einer geflohenen jüdischen Theatergruppe in Holland aufgetreten. Gut fotografisch dokumentiert ist aber auch sein Besuch mit dem Münchner Gärtnerplatz-Theater-Ensemble 1941 im KZ Dachau - eine typische Propagandaveranstaltung. Fotos, die beweisen könnten, dass er dort auch für die Wachmannschaften gesungen hat, sind nie aufgetaucht. Er hat es immer bestritten.

Heesters, 1936 nach Deutschland übergesiedelt, hat - daran besteht kein Zweifel - davon profitiert, dass jüdische Künstler Auftrittsverbot hatten, verfolgt und später auch ermordet wurden. So entstanden auf Bühnen und beim Film Lücken, die ausgefüllt werden mussten. Es ist nicht bekannt, dass er begeisterter Befürworter des Naziregimes war - genauso wenig hat er es aktiv bekämpft. Er hat sich in seiner komfortablen Nische als Künstler eingerichtet und sie - "Ich bin ein unpolitischer Mensch" - verteidigt.

Nach dem Krieg sucht man bei ihm vergebens Worte, aus denen man klar entnehmen könnte, dass es ihn tief emotional berührt hätte, was zwischen 1933 und 1945 von den Nazis und ihren Unterstützern verbrochen worden ist. Er blieb Künstler und wurde zum idealen Symbol hartnäckiger Nicht-Aufarbeitung. Auch seine Reue nach der jüngsten Hitler-Äußerung klingt lau: Ihr kann man nur entnehmen, dass er sie besser nicht gesagt hätte. Ein Zeichen des Bedauerns über den Inhalt des Satzes - Fehlanzeige. An seiner Lebensleistung als Entertainer ändert das nichts, aber es wirft einen Schattendarauf.

Heesters' Verhalten wurde und wird genutzt von Mitmenschen nach dem Motto "Wenn der berühmte Heesters einfach so weitermachen darf wie früher, dann ich ja wohl auch." Die Gesellschaft hält arisiertes Eigentum für rechtmäßig und bat vertriebene jüdische Mitbürger nie, zurückzukommen. Manche sind bis heute froh, dass Heesters vormacht, wie man darüber hinwegkommt, und rühren nur ungern am schrecklichen Vergangenen. Das ist die dunkle Seite von "unpolitischen" Menschen. Heesters ist damit nicht allein. Dennoch: Die Entgleisung der 105 Jahre alten Frohnatur kam zustande durch eine wenig humane Lust am Vorführen eines Greises.

So richtig die Kritik ist, er sei sichtbehindert, wenn es um die Naziverbrechen geht: Es gibt, will man gegen Unrecht und Nazigewalt aufstehen, heute entschieden jüngere und lohnendere Ziele als diesen alten Mann, den seine Frau besser hätte vor sich selbst und dieser Form peinlicher Öffentlichkeit bewahren sollen.