Der Schauspieler und Sänger Johannes Heesters ist im Alter von 108 Jahren gestorben. Er soll in München beigesetzt werden.

München/Starnberg/Hamburg/Berlin. Vor nicht einmal zwei Monaten hat Johannes Heesters bei seinem letzten großen Auftritt zum 50-jährigen Bestehen der Komödie im Bayerischen Hof in München das Publikum begeistert. „Es war großartig, alle waren total beeindruckt“, würdigte Intendantin Margit Bönisch am Sonntag den an Heiligabend gestorbenen Star. Der Auftritt am 31. Oktober habe auch Heesters selbst, der mit voller Stimme seine Stücke präsentierte, viel Freude gemacht. „Dass ein 108-Jähriger auf der Bühne steht und losschmettert, ist ein einmaliges Erlebnis für alle gewesen“, sagte Bönisch. „Es war der Höhepunkt unserer Gala. Ich bin ihm dankbar, dass er das gemacht hat.“ Heesters war der Komödie über 50 Jahre von ihren Anfängen an verbunden. Somit sei es auch für ihn eine Art Vermächtnis gewesen.

Heesters starb am Heiligabend

Johannes "Jopi" Heesters ist im Alter von 108 Jahren am Heiligabend im Beisein seiner Ehefrau Simone Rethel "friedlich" verstorben, wie die Klinik in Starnberg mitteilt. Gegen 10.15 Uhr blieb das Herz des Sängers und Schauspielers stehen. Die ARD will in den kommenden Tagen zur Erinnerung an "Jopi" Spielfilme mit Johannes Heesters zeigen. Das Erste sendet am Dienstag (27. Dezember) und Freitag (30. Dezember) jeweils um 10.25 Uhr den Spielfilm "Bel Ami, der Frauenheld von Paris“ (1955) und Géza von Bolvárys Verfilmung der berühmten Johann-Strauß-Operette "Die Fledermaus“ aus dem Jahr 1945.

Ein Nachruf mit dem Titel "Herzensbrecher wider Willen – Das Leben des Johannes Heesters" ist bereits am heutigen Sonntag um 22:15 zu sehen. Programmdirektor Volker Herres sagte: „Als Entertainer mit unwiderstehlichem Charisma wird er den Menschen im Gedächtnis bleiben.“

Heesters wird in München seine letzte Ruhestätte bekommen. Das sagte der Leiter des Büros der Familie Heesters, Thorsten Groneberg, am Sonntag. Wann und wo die Trauerfeier stattfindet, ist nach seinen Angaben noch nicht entschieden. Auch die Fragen, ob es eine öffentliche Trauerfeier geben und ein Kondolenzbuch ausgelegt wird, ist demnach noch offen.

Unterdessen hat sich auch Schauspielkollege Christof Arnold zum Tod des 108-jährigen Schauspielers geäußert. Arnold hat mit Johannes Heesters noch in diesem Jahr den Kurzfilm "TEN – Sündige und du wirst erlöst“ gedreht. Arnold sprach von der "einzigartigen Ausstrahlung“ Heesters. Der Tod des 108-Jährigen sei ein Schock für ihn gewesen. "Noch vor fünf Monaten hatte ich mit ihm diesen unglaublichen intensiven Drehtag gehabt für unseren Film. Und da war er einfach fit und beeindruckend und charismatisch und hatte eine starke kräftige Stimme.“

Heesters spielt in dem Film Petrus, der am Eingang zum Himmel auf einen Familienvater (Christof Arnold) trifft. Wenn der es hinbekommt, alle zehn Gebote innerhalb einer halben Stunde zu brechen, soll er zurück zu seiner kranken Tochter auf die Erde dürfen. Nach Auskunft von Arnold wird das Werk am 3. Februar auf dem Pay-TV-Spartensender 13th Street Universal ausgestrahlt.

Während der Tod Heesters' in Deutschland Trauer auslöst, nehmen die Niederländer die Nachricht vom Tod ihres Landsmanns Johannes Heesters mit gemischten Gefühlen auf. Einerseits wurde Heesters als großer Künstler gewürdigt. Doch zugleich spielte Heesters umstrittenes Verhalten während der Nazi-Zeit in niederländischen Kommentaren eine Rolle. "Heesters: verehrt und angespuckt“, überschrieb die niederländische Nachrichtenagentur ANP einen Nachruf. Stellungnahmen der Regierung oder des Königshauses gab es zunächst nicht.

In Medienberichten wurde auf den Besuch des auch bei Nazi-Größen beliebten Operettenstars im Konzentrationslager Dachau im Jahr 1941 verwiesen. Der Künstler habe wohl "keine blasse Ahnung“ gehabt, wie problematisch seine Auftritte in Deutschland in der Zeit des Zweiten Weltkriegs in seiner Heimat gesehen wurden, hieß es beim angesehenen Niederländischen Institut für Kriegsdokumentation (NIOD). "Auch nach seinem Tod kann man das nicht anders als dumm nennen“, sagte NIOD-Sprecher David Barnouw.

Pieter Erkelens, der frühere Direktor des Theaters "De Flint“ in Heesters Heimatstadt Amersfoort, sagte hingegen: "Es gibt nur wenige Niederländer, die international gesehen so viel Wertschätzung für ihr Werk erfahren haben.“ Und: "Wir müssen als Niederländer stolz sein auf so ein Toptalent.“ Wenn es um den Zweiten Weltkrieg gehe, seien Niederländer oft "päpstlicher als der Papst“. Die Kompromisse, die Heesters damals eingegangen sei, "um weiterhin in Deutschland auftreten zu können, sind sehr begreiflich“.

Erkelens hatte Heesters, der Jahrzehnte von niederländischen Bühnen boykottiert worden war, im Februar 2008 einen Auftritt in dessen Geburtsstadt ermöglicht. Damals verlas Simone Rethel, die Frau des umstrittenen Stars, eine Entschuldigung. Im Theater gab es Standing Ovations für Heesters, davor schimpften Demonstranten ihn einen "singenden Nazi“. In Medienberichten wurde jetzt auch darauf verwiesen, dass Heesters im April dieses Jahres von einem Staatsbankett, das Bundespräsident Christian Wulff für Königin Beatrix gab, ausgeladen worden war.

Der Direktor des Theater-Instituts der Niederlande (TIN), Henk Scholten, würdigte Heesters als "einen der wichtigsten Operettensänger, den die Niederlande je gekannt haben“. Leider sei jedoch sein Werk "für alle Zeiten überschattet durch seinen Erfolg in Nazi-Deutschland“. Ob das gerecht sei, könne er schwer beurteilen, fügte der TIN-Direktor hinzu. Ihm sei Heesters bei einem Besuch vor allem als "netter alter Herr“ erschienen.

Dagegen nannte der Kabarettist Theo Nijland den Verstorbenen eine "unmoralische Figur, die zum Teil in einer Märchenwelt lebte“. Im Nachruf der niederländischen Nachrichtenagentur ANP hieß es weiter: "Einige Niederländer konnten Heesters wahrlich nicht ausstehen. Er arbeitete auch im Krieg weiter in Deutschland. Er hatte nur seine eigene Karriere im Sinn, und da bekam er zusätzlich Chancen, weil andere Tenöre Deutschland verließen.“ Zugleich wurde an ein Interview erinnert, das Heesters 1986 der Amsterdamer Zeitung "Het Parool“ gab. Darin sagte er: "Es ist ein schreckliches Gefühl, im eigenen Land angespuckt zu werden.“

Mit Material von dpa und dapd

Nachruf zum Tod von Johannes Heesters

"Man hört nur von anderen, dass man alt wird“, sagte Johannes Heesters 2007 im Abendblatt-Interview. Da saß er, 103 Jahre alt, beinahe vollständig blind, aber putzmunter und hellwach im Kopf am Tisch seines Hauses in Starnberg. Und argumentierte gegen alle Vorurteile an, in seinem Alter müsse man doch nicht mehr auf der Bühne stehen. Kurz darauf sang er einen Liederabend in den Hamburger Kammerspielen. Nicht mehr vollständig textsicher, aber es machte ihm offenkundig Spaß, er blühte auf, empfing bestens gelaunt Gäste in der Garderobe, gab Autogramme.

2008 kam er für die die kurze Rolle des Kaisers im „Weißen Rössl“ in der Komödie im Winterhuder Fährhaus noch einmal nach Hamburg. Und feierte hier seinen 105. Geburtstag – natürlich im Theater; er spielt auch an diesem Abend. Standing ovations im ausverkauften Haus – und alle, die gekommen waren, das Weltwunder des ältesten noch aktiven Schauspielers der Welt zu bewundern, wussten nicht, was ihnen mehr imponierte: sein Methusalem-Alter oder die Lebensleistung des charmanten Schauspielers, Sängers und Entertainers. Am 24. Dezember ist Johan Marius Nicolaas Heesters dann doch noch gestorben, im Alter von 108 Jahren in Starnberg. 2012 hätte er sein 90. Jahr auf der Bühne feiern können.

Seine Paraderolle, die er angeblich mehr als 1600-mal spielte, war die des charmanten Machos – in ihrer Reinform der Graf Danilo aus der „Lustigen Witwe“, als den ihn schon Adolf Hitler in den späten 30er-Jahren mehrfach außerordentlich bewunderte. Das Outfit des Gentleman-Verführers – Frack, Fliege, weißer Seidenschal, Zylinder, Spazierstock mit silbernem Knauf und immer ein Glas Champagner in der Hand – passte ihm so perfekt, als sei er darin zur Welt gekommen. So kannte und liebte ihn ganz Deutschland. Denn hierher, nach Berlin, war der am 5. Dezember 1903 in Amersfoort in den Niederlanden geborene Heesters im Jahr 1936 gekommen, um seine 1921 begonnene Schauspielerkarriere fortzusetzen. Beste Möglichkeiten für ihn gab es hier, nicht nur aufgrund seines Könnens, seiner ersten Filmerfahrungen, seiner einschmeichelnden Tenor-Stimme mit dem hübschen, holländischen Akzent und seiner blendenden Erscheinung. In Nazi-Deutschland wurden aufgrund der 1935 erlassenen „Nürnberger Gesetze“ auch viele Künstler jüdischer Herkunft aus ihren Berufen entfernt und verfolgt; sie hinterließen gewaltige Lücken im Kulturleben.

+++ Das geschah in Heesters Geburtsjahr 1903 +++

Heesters drehte bis 1944 mehr als 20 Spielfilme – Durchhaltefilme in einer Zeit, in der das kleine Glück für viele Deutsche längst weggebombt und von den Verlusten an den Fronten überschattet war. Trotzdem wurden seine Lieder Evergreens der Herz- und Schmerz-Sparte: „Ich werde jede Nacht von Ihnen träumen“, „Jede Frau hat ein süßes Geheimnis“, „Da geh ich ins Maxim“, „Man müsste Klavier spielen können“, „Ein Glück, dass man sich so verlieben kann“, „Durch dich wird diese Welt erst schön“ – ganze Generationen haben diese Songs einzig so im Ohr, wie er sie mit seinem unnachahmlichen Akzent gesungen hat. Heute bleiben solche romantischen Flirtversuche und Liebeserklärungen schon allein deswegen ungesagt, und den Zylinder hat auch keiner mehr im Schrank.

Natürlich geriet der gefeierte Filmstar in gefährliche Nähe zum NS-Regime, das sich gern mit ihm schmückte, ihm Spitzengangen garantierte, ihn auch zu gern zum Vorzeige-Deutschen gemacht hätte und auf der Liste unabkömmlicher Künstler, der sogenannten „Gottbegnadeten-Liste“, vor dem Kriegsdienst bewahrte.

Er selbst beschrieb sich immer wieder als distanzierten, manchmal sogar spitzzüngigen Künstler ohne besondere Sympathien für Hitler, Goebbels & Co. Er trat bei Gastspielen in Holland auch noch während des Dritten Reichs mit jüdischen Künstlern auf und wurde deshalb vom deutschen Propagandaminister zur Rede gestellt. In Heesters’ Erzählung klingt das kühl; man wurde aber, wenn er viele Jahrzehnte später über „den Herrn Hitler“ und „den Herrn Doktor Goebbels“ sprach, nie das Gefühl los, dass er gar nicht wirklich realisieren wollte, welches Unheil und welche Gewalt sie über Deutschland gebracht haben. In seiner Stimme schwang immer noch eine Spur Respekt mit. So ist auch ganz einfach zu erklären, dass er 2008 in Hamburg noch einem holländischen Satire-Team erklärte, der Hitler sei ein guter Kerl gewesen.

Die Aufregung, die nach dieser Äußerung losbrach, ging aufgrund seines hohen Alters sicher fehl. Sie zeigte aber auch einen unverarbeiteten Mangel an Verständnis und an Mitgefühl für die Opfer des Gewaltregimes. Glaubwürdige Bekundungen aufrichtigen Bedauerns ihrer Schicksale oder das Eingeständnis, einem verbrecherischen Regime auf den Leim gegangen zu sein, waren von ihm – wie von anderen Künstlern der Sonnenseite von Nazi-Berlin – nicht zu hören.

Stattdessen kämpfte er hartnäckig vor Gerichten gegen die Behauptung, bei einem Besuch im mörderischen Konzentrationslager Dachau 1941 vor den SS-Wachmannschaften aufgetreten zu sein. Ganz so, als wäre erst ein Auftritt der Fehltritt gewesen… Das Regime hatte sich seiner auch da und ganz ohne Auftritt zu Propagandazwecken bedient. Heesters dokumentierte mit seinen Einlassungen zumindest mangelhafte historische Einsicht. Die wird ihm auch in seiner Heimat, wo man gern das eigene Kollaborieren mit den NS-Besatzern retuschierte, lange nachgetragen – erst spät konnte er dort ohne öffentliche Anwürfe auftreten.

Johannes Heesters hatte das Glück, bei der Einführung des Tonfilms wie des Fernsehens in vorderster Front dabei zu sein. So gelang es ihm, seine Popularität über das Kriegsende hinweg zu retten und in einer atemberaubenden Kontinuität zu einem der großen Unterhaltungskünstler der jungen Bundesrepublik zu werden. Für ihn ging das Leben nach dem Krieg weiter, als sei nichts passiert. Seine Mitwirkung im Nazi-Entertainment wurde nicht gegen ihn ausgelegt; er machte Fernsehkarriere, wurde mit Preisen und Ehrungen überschüttet und wuchs schließlich langsam hinein in die Rolle, seine eigene Legende zu sein. Elegante Verführer sind längst Mangelware, schmachtend singende Verehrer mit holländischem Akzent weitgehend out, und viele Grafen erweisen sich am Ende als adoptierte Schnösel. Heesters blieb, was er war – Frack, Zylinder, weißer Schal. Er wurde Kult, ein Denkmal der Beständigkeit, das am Ende unvergänglich und sogar vom Tod vergessen schien. So machte er einfach immer weiter, tat das, was er immer getan hatte: auftreten, spielen, singen.

In einem Fitnessstudio sorgte er dafür, dass sein Körper nicht abbaute, sein Stimme trainierte er genauso – sie war kräftig bis zuletzt.

Im privaten Leben war der große Leinwand-Verführer ein Familienmensch – 1930 heiratete er sein Frau Louise, die Ehe bestand bis zu ihrem Tod 1985; aus ihr gingen zwei Töchter hervor: die Pianistin Wiesje Herold-Heesters, die in Wien lebt, und die Hamburger Schauspielerin Nicole Heesters, die zwölf Jahre älter ist als Heesters zweite Ehefrau Simone Rethel. Die heiratete er 1992, da war er 89 Jahre alt. Damals auf den Altersunterschied von 46 Jahren mit der lauernden Frage angesprochen, ob er sich denn noch Kinder vorstellen könnte, antwortete Heesters mit einem großartigen Konter: „Och, das hat noch Zeit!"