Hamburg. Handelskonzern sichert Verkauf seiner Anteile an Konkurrent Zalando zu. Viele Kleinaktionäre verlieren Geld. Mitgründer Tarek Müller bleibt.
Für die Otto Group ist es das Ende einer Strategie, in die der Hamburger Handelskonzern lange Zeit hohe Erwartungen gesetzt hatte. Der Online-Modehändler About You steht überraschend vor der Übernahme durch den Berliner Konkurrenten Zalando. Zalando beabsichtige, ein freiwilliges öffentliches Übernahmeangebot für bis zu 100 Prozent des Aktienkapitals von About You abzugeben, teilten beide Unternehmen am Mittwochmorgen mit. Der Aktienmarkt reagierte sofort: Der Kurs von About You stieg um mehr als 60 Prozent, Zalando verlor zeitweise bis zu neun Prozent, stabilisierte sich dann aber bei einem Verlust im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Die Familie Otto hält 37 Prozent über die Michael Otto Stiftung an About You, weitere acht Prozent entfallen auf Mitgründer Benjamin Otto und die von ihm kontrollierte GHF-Holding. Die Mehrheitsgesellschafter sowie die About-You-Vorstände um Mitgründer Tarek Müller und die ebenfalls beteiligte dänische Bestseller-Gruppe (VeroModa, Only, Jack&Jones) haben bereits zugesagt, ihre Anteile an Zalando zu verkaufen, heißt es in der Erklärung. Sie halten demnach gemeinsam 73 Prozent. „Zalando und About You bündeln ihre Kräfte, um gemeinsam den europäischen Mode- und Lifestyle-E-Commerce zu gestalten“, erklärten die Unternehmen.
Warum sich die Otto-Group von About You trennt
Zalando bietet 6,50 Euro je About-You-Aktie, das sind zwei Drittel mehr als der Schlusskurs vom Dienstag. Damit wird About You mit 1,13 Milliarden Euro bewertet. Finanziert wird die Übernahme laut der Erklärung aus vorhandenen Barkapitalmitteln von Zalando. Der Vollzug steht unter dem Vorbehalt der marktüblichen Bedingungen.
Zalando, 2008 in Berlin gegründet, ist mit europaweit 50 Millionen Kunden, einem Umsatz von 10 Milliarden Euro und 15.000 Beschäftigten der deutlich größere Partner. Verabredet ist, dass About You mit 12 Millonen Kunden, einem Umsatz von 1,9 Milliarden Euro und 1200 Beschäftigen, als Marke erhalten bleibt. Auch die Gründer Sebastian Betz, Tarek Müller und Hannes Wiese sollen als Co-CEOS an Bord bleiben. Zunächst wurden ihre Verträge den Angaben zufolge um sechs Monate bis zum 15. Oktober 2025 verlängert.
„Unsere Partnerschaft schafft etwas wirklich Einzigartiges“, sagte Müller, der seit der Gründung das Gesicht von About You ist. In Zukunft soll es im Endkundengeschäft eine Zweimarken-Strategie geben. Im Geschäftskundenbereich werde Scayle, die technologische Basis von About You, das E-Commerce-Betriebssystem ZEOS von Zalando ergänzen, hieß es.
Zalando sieht Synergieeffekte: Auswirkungen auf Beschäftigte offen
Gleichzeitig sehen die neuen Partner Vorteile in den Bereichen Logistik, Zahlungsabwicklung und kommerzielle Zusammenarbeit. Zalando strebt längerfristig signifikante Synergien von etwa 100 Millionen Euro im Jahr an, hieß es zur Strategie. Ob das auch Auswirkungen auf die Arbeitsplätze hat, blieb offen.
About You war 2014 als Tochtergesellschaft der Otto Group unter Mitwirkung von Otto-Erbe Benjamin Otto gegründet worden. 2018 war die Bestseller-Gruppe mit einem zweistelligen Prozentanteil eingestiegen. Seitdem wird About You als Beteiligungsgesellschaft im Otto-Konzernportfolio geführt und erreichte im selben Jahr den Status des ersten Hamburger Unicorns (Unternehmensbewertung von über einer Milliarde US-Dollar). Seit 2021 ist das Unternehmen an der Frankfurter Börse gelistet.
About You: Kurs der Aktie seit Bürsengang massiv gefallen
Nach dem umjubelten Börsengang hat sich bei Anlegern allerdings Frust breitgemacht. Das Papier, das mit einem Ausgabepreis von 23 Euro je Aktie gestartet war, notierte mit einem Kursverlust von mehr als 80 Prozent zeitweilig bei unter 3 Euro. Das Onlinegeschäft ist nach enormen Wachstumsraten in der Corona-Zeit und trotz hoher Investitionen inzwischen deutlich schwieriger geworden. About You konnte zuletzt zwar wachsende Umsätze und ein positives bereinigtes Ebitda (operativer Gewinn vor Steuern und Zinsen) vorweisen. Nach Steuern schrieb das Unternehmen aber weiter Verlust. Deshalb ging es mit dem Aktienkurs nicht nachhaltig wieder aufwärts.
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Otto hatte sich in der Vergangenheit öffentlich nicht zu dem dauerhaft niedrigen Kurs an der Börse geäußert. Jetzt heißt es: „Die gute Performance spiegelt sich jedoch seit Jahren bedauerlicherweise nicht im Aktienkurs wider.“ Der geplante Verbund zum führenden Mode- und Lifestyle-E-Commerce-Player eröffne „eine hervorragende und sehr verlässliche Zukunftsperspektive für Aktionäre, Partner und Mitarbeitende“.
Zalando übernimmt About You: Was Otto mit dem Geld vorhat
Dass Otto sich zurückzieht, begründet der Handels- und Dienstleistungskonzern, der im vergangenen Jahr Verluste geschrieben hat, so: „Der Otto Group war und ist es wichtig, bei Joint Ventures im Kerngeschäft relevanten Einfluss nehmen zu können. Das wäre in der neuen Konstellation so nicht möglich.“ Die nun potenziell frei werdenden Investitionsmittel will Otto ins Unternehmen stecken.
Beifall kommt von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger: „Der Zusammenschluss von Zalando und About You erscheint operativ sinnvoll“, sagte der Vorstandsvorsitzende Daniel Bauer. Das Angebot sei in Ordnung, da es deutlich über dem Börsenkurs der letzten Monate liege und derzeit nicht davon auszugehen sei, dass About You eigenständig deutlich besser performen würde.
Christiane Hölz, Geschäftsführerin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sagte mit Blick auf das Zalando-Angebot von 6,50 je Aktie, dies sei für Aktionäre, die schon länger bei About You dabei sind, natürlich ein schlechtes Geschäft. Aber aktuell schwächele die Modebranche und mit dem Aufpreis auf den letzten Kurs vor dem Übernahmeangebot „ist das durchaus ein attraktives Angebot“, sagte die Expertin dem Abendblatt.