Hamburg. Die von Tarek Müller gegründete Firma sagt, sie sei profitabel – Bilanzzahlen sagen etwas anderes. So sieht ein Analyst ihre Zukunft.

  • Online-Modehändler About You feiert seinen 10. Geburtstag mit „finanziellem Meilenstein“
  • Nach einem dicken Umsatz-Minus im Vorjahr wurde die Prognose zur Profitabilität nun erfüllt
  • Wie das Online-Unternehmen dieses Ziel erreicht hat

Der Hamburger Onlinemodehändler About You hatte sich früh festgelegt: Schon im Sommer 2022 sagte Co-Chef Tarek Müller, man sei sehr zuversichtlich, im Geschäftsjahr 2023/2024 „auf Gruppenebene profitabel zu werden”. Und tatsächlich hieß es im Mai 2024 bei der Vorlage der Jahreszahlen, das – offizielle Sprachregelung – „zum Portfolio der zur Otto Gruppe gehörige Unternehmen“, feiere seinen zehnten Geburtstag mit einem „finanziellen Meilenstein“. Die Prognose zur Profitabilität sei erfüllt worden.

Ausgewiesen wurde bei einem Umsatz von gut 1,9 Milliarden Euro ein „bereinigtes Ebitda“ von 3,2 Millionen Euro. Im Jahr davor lag diese Kennzahl noch mit 137 Millionen Euro im Minus.

About You: Wie sich der Hamburger Modehändler in die Gewinnzone rechnet

Zwar ist das Ebitda – die Abkürzung bezieht sich auf die englische Bezeichnung für das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen – eine international durchaus gängige Ertragskenngröße. Sie wird besonders gern von Start-ups verwendet, weil in Phasen starken Unternehmenswachstums verschiedene Anlaufkosten, die relativ hohe Zinszahlungen und Abschreibungen verursachen können, den Ertragsausweis dominieren und operative Fortschritte überdecken würden. Doch im deutschen Handelsrecht kommt sie nicht vor.

Man muss sich schon selbst die Mühe machen, im Zahlenwerk von About You noch andere, eher vertraute Gewinn- oder Verlustkenngrößen zu finden. Und dabei zeigt sich: Das Ergebnis vor Steuern beträgt minus 113,1 Millionen Euro, das Unternehmen steckt also eigentlich weiter tief in den roten Zahlen. Im Geschäftsjahr zuvor war der Fehlbetrag mit 227,2 Millionen Euro allerdings noch doppelt so groß.

Otto Gruppe: Wie der Modehändler About You sich in die Gewinnzone rechnet

Auf die Frage, warum About You für die Öffentlichkeit praktisch ausschließlich mit dem „bereinigten Ebitda“ umgeht, sagt Firmensprecherin Laila Helmy, diese Kennzahl ermögliche „einen Vergleich der Leistungen auf einer konsistenten Basis ohne Sondereffekte“. Zudem sei sie „branchenüblich“. Tatsächlich operiert jedoch etwa der deutlich größere Wettbewerber Zalando mit dem „bereinigten Ebit“, also einem Ergebnis, das zwar auch die Zinsen außen vor lässt, Abschreibungen aber berücksichtigt.

Wie die About-You-Sprecherin weiter erklärt, wurden im Geschäftsjahr 2023/2024 Aufwendungen in Höhe von 25,7 Millionen Euro „bereinigt“, also herausgerechnet. Davon entfallen 12,5 Millionen Euro auf Einmalkosten, die unter anderem aus dem verschobenen Hochlauf eines Verteilzentrums in Frankreich resultieren. „Weitere 12,5 Millionen Euro erklären sich durch Aufwendungen für anteilsbasierte Vergütungen“, heißt es.

Branchenkenner Alexander Zienkowicz vom Hamburger Analysehaus MWB Research sagt dazu: „Über die ‚Bereinigung‘ einiger Faktoren kann man sicherlich streiten, zum Beispiel wenn es um die aktienbasierte Vergütung geht.“ Jedoch könne die Herausnahme von Restrukturierungskosten und nicht-operativen Einmaleffekten „durchaus sinnvoll sein“.

Hamburger Analyst: Das Vorsteuerergebnis bleibt auch dieses Jahr negativ

Offen bleibt die Frage, wie lange es noch dauern wird, bis About You auch auf der Ebene des Ergebnisses vor Steuern (EBT) einen Gewinn ausweisen kann. Dazu gibt es vom Unternehmen keine Prognose. Nur so viel: „Selbstverständlich streben wir an, die Profitabilität jedes Geschäftsjahr zu verbessern.“ Für 2024/2025 erwarte man ein bereinigtes Ebitda zwischen 10 Millionen und 30 Millionen Euro.

Nach Einschätzung von Zienkowicz wird der Onlinehändler aber auch im aktuellen Geschäftsjahr auf der EBT-Ebene noch einen Verlust ausweisen. Nach der Schätzung des Analysten werden es 44,7 Millionen Euro sein. Voraussichtlich erst im Geschäftsjahr darauf werde man es auch im Hinblick auf diese Kennzahl in die Gewinnzone schaffen.

Seit dem Börsengang hat die About-You-Aktie 85 Prozent Wert verloren

Eindeutig ist jedenfalls: Dem Vorstand von About You ist es mit der Vorlage der Geschäftszahlen und der neuen Prognosen nicht gelungen, die Börsianer zu überzeugen. Denn der Aktienkurs, der schon seit dem Börsengang Mitte 2021 von damals gut 25 Euro bis Anfang Mai 2024 auf rund 4,50 Euro gesunken war, ist in den Wochen nach der Ergebnispräsentation zeitweise auf ein neues Allzeittief von 3,74 Euro abgerutscht. Zuletzt lag er bei 3,82 Euro, was einen Wertverlust von nicht weniger als 85 Prozent gegenüber der Erstnotiz des Papiers bedeutet. Angesichts der herben Einbußen nahm die Muttergesellschaft Otto Group zuletzt eine Abschreibung von 175 Millionen Euro auf die Mehrheitsbeteiligung an About You vor.

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Mit Blick auf die jüngsten Kursverluste sagt der Hamburger Analyst Zienkowicz, der vom About-You-Vorstand im Mai genannte Ausblick auf 2024/25 sei „enttäuschend“ ausgefallen. Zwar stellten Tarek Müller und seine Kollegen ein Umsatzwachstum im Bereich zwischen einem Prozent und sogar zehn Prozent in Aussicht. Aber „die breite Spanne spiegelt bestehende Unsicherheiten wider“, merkt Zienkowicz dazu an – und im Mittel hätten Beobachter ein neues Wachstumsziel von sieben Prozent erwartet.

Otto Gruppe: About You senkt Marketingausgaben um 90 Millionen Euro

Insgesamt scheine sich die Verbraucherstimmung zu erholen, wie der aktuelle Konsumklima-Index des Marktforschungshauses GfK zeige, so Zienkowicz. Aber: „About You dürfte opportunistisch handeln und mehr ins Kundenwachstum investieren, sobald es die Rahmenbedingungen hergeben.“ Damit würden jedoch die Marketingausgaben wieder steigen und den Ertrag schmälern.

Denn die Ergebnisverbesserung des abgelaufenen Geschäftsjahres beruhte ganz wesentlich auf einer Drosselung der Marketingkosten um gut 90 Millionen Euro auf etwa 210 Millionen Euro. Dafür erreichte der Onlinemodehändler aber auch nur ein Umsatzwachstum von gerade einmal 1,6 Prozent – nicht viel für ein Unternehmen, das noch 2021/22 ein Wachstum von 48 Prozent realisieren konnte.