Hamburg. Wie hoch sind die Gehälter der Vorsitzenden von DGB, Ver.di, IG Metall & Co? Das Abendblatt hat nachgehakt. Der Überblick mit vielen Details.
- Spitzenverdiener unter den Gewerkschaftschefs ist Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste
- Jan Koltze kommt als Bezirksleiter der IG BCE in Hamburg auf 85.000 Euro brutto im Jahr
- Tanja Chawla, die Vorsitzende des DGB Hamburg, erhält 84.000 Euro brutto im Jahr.
„Über Geld spricht man nicht.“ Dieses sehr deutsche Sprichwort galt für Gewerkschaften noch nie. Denn ihre ureigenste Aufgabe besteht darin, in den Tarifverhandlungen außer guten Arbeitsbedingungen auch möglichst hohe Löhne und Gehälter für die Beschäftigten herauszuschlagen. Über Geld sprechen die Verhandlungsführer von Ver.di, NGG, IG Bau & Co also ständig. Erst kürzlich erzielte die IG Metall Küste in Hamburg nach zähen Verhandlungen und Warnstreiks einen Pilotabschluss für Millionen Metaller in Deutschland.
Doch was verdienen die Vorsitzenden der Gewerkschaften eigentlich selbst? Werden sie auf Augenhöhe mit den Unternehmensbossen entlohnt, mit denen sie sich regelmäßig in den Clinch begeben müssen? Oder bewegen sich ihre Gehälter näher an den Beschäftigten, an deren Seite sie auf die Straße gehen?
Exklusiv: Das verdienen Hamburgs Gewerkschaftsbosse
Bislang war das ein gut gehütetes Geheimnis. Als das Abendblatt mit dieser Frage an den Hamburger DGB und seine acht Mitgliedsgewerkschaften herantrat und darauf verwies, dass für öffentliche Unternehmen schon seit Jahren die Gehälter veröffentlicht würden, hieß es daher erst mal, dass Gewerkschaften sich ja nicht über Steuern, sondern über Mitgliedsbeiträge finanzieren. Dementsprechend sei man nur den Mitgliedern gegenüber zur Transparenz verpflichtet.
Doch nach einiger Abstimmung untereinander entschieden sich die Arbeitnehmervertretungen für den gemeinsamen Gang in die Offensive und die erstmalige Offenlegung der Gehälter der Hamburger Gewerkschaftsspitzen. Diese verbinde man „mit der Erwartung, dass auch private Unternehmen diesen Schritt gehen“, hieß es stellvertretend vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
Von Millionen-Salären können Gewerkschaftschefs nur träumen
Tatsächlich gibt es da noch viel Nachholbedarf. Bei börsennotierten Unternehmen wie Beiersdorf oder Aurubis werden die Chefgehälter zwar in den Geschäftsberichten veröffentlicht. Und man darf vorwegnehmen: Von den dortigen Millionen-Salären können die Gewerkschaftschefs nur träumen. Aber bei kleineren und mittleren Unternehmen bleibt das Einkommen der Inhaber oder Geschäftsführer in der Regel Privatsache.
Anders bei der Stadt: Aus dem Beteiligungsbericht des Senats geht für mehr als 100 öffentliche Unternehmen jedes Jahr detailliert hervor, wie viel die Vorstände und Geschäftsführungen verdienen und auf wie viel ihre Beschäftigten im Durchschnitt kommen. An der Spitze steht die HHLA-Vorstandsvorsitzende Angela Titzrath, die rund eine Million Euro im Jahr erhält – etwa zehnmal so viel wie ihre Mitarbeiter im Schnitt (99.500 Euro).
Einige Gewerkschaftschefs arbeiten haupt-, andere ehrenamtlich
Dagegen verdienen die Geschäftsführerinnen des Kita-Betreibers Elbkinder, Ulrike Muß und Katja Nienaber jeweils „nur“ rund 140.000 Euro im Jahr – weniger als das Dreifache ihrer Mitarbeiterinnen. Und das, obwohl die Elbkinder ebenso wie die HHLA mehr als 6000 Beschäftigte haben. Die meisten Geschäftsführerinnen oder Vorstände der großen öffentlichen Unternehmen wie Hochbahn, Saga, Stadtreinigung und Flughafen kommen auf Bruttojahresgehälter von etwa 300.000 bis 500.000 Euro.
Gemessen an diesen Spitzenpositionen ist die Entlohnung der Gewerkschaftsspitzen deutlich zurückhaltender. Wobei Vergleiche schwierig sind, da sowohl Zuständigkeitsbereiche und Mitgliederzahlen sich ebenso stark unterscheiden wie die Positionen: Manche Gewerkschaftsbosse sind auf Zeit in ihr Amt gewählt, andere sind hauptamtliche Geschäftsführende und wieder andere arbeiten ehrenamtlich.
In Gewerkschaften entscheiden Mitglieder über Chefgehälter
Hinzu kommt eine Besonderheit: Während Chefgehälter in der Wirtschaft in der Regel mit dem Aufsichtsrat oder einem anderen Kontrollgremium verhandelt werden, sind in den Gewerkschaften in der Regel die Mitglieder „das Gehaltsregulativ“, wie die Hamburger DGB-Vorsitzende Tanja Chawla sagt. „Sie entscheiden in Personalkommissionen über die Gehälter der Gewerkschaftsspitzen. Daran können sich Unternehmen ein Beispiel nehmen.“
Spitzenverdiener unter den Gewerkschaftsführern ist Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste, mit einem Brutto-Jahreseinkommen von rund 210.000 Euro. Es setze sich aus dem monatlichen Entgelt sowie Sonderzahlungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld zusammen (diese sind in allen hier angegebenen Gehältern enthalten), so die Gewerkschaft.
Spitzenverdiener ist Daniel Friedrich von der IG Metall Küste
Variable Bestandteile wie Boni gebe es nicht. Auch das gilt für alle angefragten Positionen und unterscheidet diese von den Führungskräften in privaten und öffentlichen Unternehmen, wo erfolgsabhängige Zahlungen mitunter die Hälfte des Einkommens ausmachen.
Friedrich habe zudem einen Dienstwagen, den er auch privat nutze, wofür er 1,0 Prozent des Listenpreises von seinem Netto-Entgelt in die Kasse der IG Metall einzahle. Solche „geldwerten Vorteile“ wie ein Dienstwagen sind bei großen privaten und auch öffentlichen Unternehmen im Bereich Führungskräfte gang und gäbe – bei Gewerkschaften dagegen eher die Ausnahme.
Gehälter Hamburg: Metallbranche zahlt traditionell gut
Allerdings ist die IG Metall Küste, zu der außer Hamburg auch Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein und der Nordwesten von Niedersachsen zählen, mit rund 176.000 Mitgliedern auch eine der größten Arbeitnehmervertretungen im Norden. Daher hat sie in ihren regionalen Geschäftsstellen sowie in der Bezirksleitung in Hamburg mit rund 160 Beschäftigten auch deutlich mehr Personal als die anderen Gewerkschaften.
Und: In der Metallbranche mit Großunternehmen wie Airbus wird traditionell überdurchschnittlich verdient – das schlägt sich auch im Gehalt der höchsten Arbeitnehmervertreter nieder. So kommt Ina Morgenroth, die Erste Bevollmächtigte und Geschäftsführerin IG Metall Region Hamburg, auf ein Brutto-Jahreseinkommen von immerhin 154.845 Euro. Zusammen mit 23 Beschäftigten, einem Azubi und einem Co-Geschäftsführer kümmert sie sich um die Belange von rund 50.000 organisierten Metallern in der Hansestadt.
IG-Metall-Chef verdient rund dreimal so viel wie Beschäftigte
Diese beziehen nach Angaben des Arbeitgeberverbands Nordmetall ein durchschnittliches Jahresbruttogehalt von etwa 70.000 Euro. Die Hamburger Gewerkschaftschefin verdient also grob das Doppelte der Beschäftigten, für die sie kämpft, Bezirksleiter Daniel Friedrich rund das Dreifache. Zum Vergleich: In den städtischen Firmen verdienen die Geschäftsführungen im Durchschnitt knapp das Vierfache ihrer Beschäftigten. In privaten Unternehmen dürfte die Schere oft noch viel weiter auseinandergehen.
„Mit dem Gehalt kommt eine hohe Verantwortung, die beste Leistung für unsere Mitglieder zu bringen – manchmal auch über den Bezirk hinaus“, sagte Daniel Friedrich dem Abendblatt und verwies auf den Pilotabschluss für 3,9 Millionen Beschäftigte in Deutschland, den seine Gewerkschaft kürzlich ausgehandelt habe. Die Gehälter der IG Metall-Beschäftigten und der Vorsitzenden orientierten sich übrigens an diesen Tarifabschlüssen.
Gehälter: Das verdienen die DGB-Chefinnen im Norden
Zu den Spitzenverdienerinnen im Gewerkschaftsbereich zählt auch Laura Pooth als Bezirksvorsitzende des DGB Nord. Sie kommt inklusive „Mobilitätszuschuss“ auf 135.203 Euro. Zudem nutzt sie einen Dienstwagen, der entsprechend versteuert werde, so der DGB. Pooth ist als Chefin des Dachverbands für knapp 400.000 Mitglieder in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern zuständig, die sie zusammen mit 52 Beschäftigten betreut.
Einen Teilbereich davon mit rund 200.000 Mitgliedern verantwortet Tanja Chawla: Die gewählte Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hamburg erhält dafür 84.000 Euro brutto im Jahr. Die vergleichsweise niedrige Summe mag überraschen, zumal die DGB-Chefin in der Stadt sehr präsent ist. Allerdings hat der DGB Hamburg auch nur fünf Beschäftigte.
Hamburgs Ver.di-Chefin verdient 139.000 Euro im Jahr
Dagegen verfügt die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di mit 105 hauptamtlichen Beschäftigten über den größten gewerkschaftlichen Personalstab in Hamburg. Das dürfte ein Grund dafür sein, dass Sandra Goldschmidt als gewählte Landesbezirksleiterin mit 139.000 Euro brutto ein deutlich höheres Jahreseinkommen erzielt.
Alle anderen Hamburger Gewerkschaftschefs liegen im Bereich der DGB-Vorsitzenden: Jan Koltze kommt als Bezirksleiter der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE, neun Beschäftigte) in Hamburg auf 85.000 Euro brutto im Jahr, Frank Maur als Geschäftsführer der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG, sechs Beschäftigte) Hamburg auf rund 90.000 Euro.
Gehälter: Das verdienen die Chefs von GEW, GdP und IG BCE
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), die in Hamburg mit zwölf Mitarbeitenden unter anderem die rund 20.000 Lehrkräfte vertritt, hieß es, dass die gewählten Vorsitzenden in der Regel für ihr Amt vom Arbeitgeber freigestellt würden und die GEW dann das Gehalt übernehme. Beim Vorsitzenden Sven Quiring seien das 75.000 Euro brutto im Jahr.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) nannte als Einzige kein konkretes Gehalt, aber immerhin einen Rahmen. Denn auch Führungskräfte wie Anne Widder, Geschäftsführerin der Region Hamburg-Elmshorn mit sechs Beschäftigten, seien „abhängig beschäftigt“ und hätten in der Regel den Status „Gewerkschaftssekretär/-innen“. Diese erhielten nach der NGG-Entgelttabelle Jahresbruttogehälter zwischen 74.101 Euro und 87.426 Euro.
Zwei Gewerkschaftsbosse in Hamburg arbeiten ehrenamtlich
Achim Bartels, Bezirksvorsitzender der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) Hamburg, führt sein Amt und die sechs Beschäftigten dagegen ehrenamtlich. Ebenso Horst Niens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), die in der Hansestadt fünf Mitarbeiter beschäftigt. Er erhält dafür eine Ehrenamtspauschale von 200 Euro im Monat.
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„Wir wollen faire Löhne für alle und eine gerechte Verteilung von Arbeit und Einkommen“, sagte Tanja Chawla zum Selbstverständnis der Gewerkschaften. „Diesen Maßstab setzen wir auch bei uns selbst an. Wenn Führungskräfte in Unternehmen das Zehnfache ihrer Mitarbeitenden verdienen, dann steht das in keinem Verhältnis“, kritisierte die Hamburger DGB-Chefin und betonte: „Bei uns ist das anders, denn Verteilungsgerechtigkeit ist ein zentrales Ziel für uns Gewerkschaften.“