Hamburg. Modekonzern lehnt den Antrag auf Teilzeit der Hamburgerin ab. Jetzt ist der Fall vor Gericht. Gewerkschaft: Thema ist Dauerbrenner.
Auf diesen Tag wollte Britta R. gut vorbereitet sein. Nach dem dritten Geburtstag ihres jüngsten Kindes und dem Ende der Elternzeit im Juli stand für die Mutter von vier Kindern die Rückkehr in ihren Job an. Schon im Februar, fast ein halbes Jahr vor dem Stichtag, hatte sie sich deshalb an die Personalabteilung ihres Arbeitgebers H&M gewandt. „Ich wollte rechtzeitig wissen, welche Möglichkeiten es für mich im Unternehmen gibt. Schließlich ändert das den gesamten Familienalltag“, sagt die 42-Jährige, die zuletzt als Abteilungsleiterin bei dem schwedischen Modekonzern beschäftigt war.
Doch statt einer Lösung gibt es jetzt richtig Zoff. Arbeitnehmerin und Arbeitgeber stehen sich inzwischen vor dem Arbeitsgericht gegenüber. Britta R. will eine Teilzeitbeschäftigung erwirken und erhebt schwere Vorwürfe gegen H&M. „Ich kann nicht verstehen, dass mir erst nicht geantwortet wird und mir dann meine Rechte verweigert werden.“ Sie habe immer sehr gern für H&M gearbeitet. „Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich in eine Kündigung gedrängt werden soll.“
H&M: Warum eine vierfache Mutter sich in Hamburg mit dem Textilriesen anlegt
H&M äußerte sich auf Abendblatt-Anfrage nicht zu dem laufenden Verfahren, verwies aber auf die Firmenphilosophie. „Als Arbeitgeber sind wir uns unserer Verantwortung gegenüber Frauen und insbesondere Müttern natürlich bewusst. Um nur ein Beispiel zu nennen: Wir bieten unseren Kolleg*innen eine Vielzahl an Unterstützungs- und Weiterbildungsangeboten, die über die gesetzlichen Forderungen hinausgehen, z. B. einen firmenunabhängigen Beratungs- und Vermittlungsdienst“, sagte eine Sprecherin. Dabei handelt es sich um ein Unternehmen, das unter anderem Kinderbetreuungsangebote macht.
Rückblick: Kita-Platz und Kita-Gutschein für die Jüngste, Ganztagsbetreuung für die älteren Kinder in der Schule, eventuell zusätzliche Unterstützung für das familiäre Nachmittagsprogramm – lauter Themen, vor denen Britta R. und ihr Ehemann vor ihrer bevorstehenden Rückkehr in den Job standen. „Ich habe mehrere Fragen zu Beschäftigungsoptionen in Vollzeit oder beim Wechsel in Teilzeit gestellt“, sagt die Arbeiternehmerin, die 2006 bei H&M angefangen hatte und nach Stationen in mehreren Städten 2012 vor der Geburt ihres ersten Kindes in Mutterschutz und danach in Elternzeit gegangen war.
Elternzeit: H&M reagierte wochenlang nicht auf die Schreiben der Mutter
Wochenlang wartete sie auf eine Reaktion. Aber nichts passierte. Auch eine Nachfrage im März und ein Brief ihres Anwalts im April ließ H&M unbeantwortet. Der Platz in der nahe gelegenen Kita war da schon weg. Erst ihr Antrag auf Teilzeitbeschäftigung mit 17 Stunden in einem rollierenden Wochenmodell, den sie wegen der gesetzlichen Fristen Anfang Mai stellte, brachte Bewegung in den Fall. Allerdings ganz anders, als R. es sich vorgestellt hatte.
Nach einem Monat, sieben Wochen vor dem Ende der Elternzeit, kam die Ablehnung des Antrags: aus betrieblichen Gründen. „Viele andere in meiner Situation hätten wahrscheinlich aufgegeben“, sagt die Hamburgerin, die mit ihrer Familie in Blankenese lebt. R. beschloss zu kämpfen.
Gewerkschaft: „Thema ist bei H&M ein Dauerbrenner“
Es ist kein Einzelfall, dass Frauen bei der Rückkehr aus der Elternzeit Schwierigkeiten mit dem Modefilialisten als Arbeitgeber haben. „Das Thema ist bei H&M ein Dauerbrenner“, sagt Anna Janzen-Schroiff, Ver.di-Gewerkschaftssekretärin im Bereich Handel. Zwar ist das Recht auf Teilzeit über das Teilzeit- und Befristungsgesetz ab einer bestimmten Unternehmensgröße festgelegt, aber in den konkreten Fällen komme es immer wieder zu Konflikten. „H&M will möglichst flexible Arbeitszeiten durchsetzen, aber genau das ist für Familien in der Regel nicht umsetzbar“, so die Gewerkschafterin.
Bei H&M heißt es dazu allgemein: „Bei H&M gelten für Beschäftigte, die aus der Elternzeit zurückkommen, selbstverständlich die gesetzlichen Vorgaben.“ Sollten sich die Zeiten der Verfügbarkeiten verändern, gebe es nach § 8 TzBfg und § 9 TzBfg (Teilzeit- und Befristungsgesetz, d. Red.) gesetzliche Bestimmungen, auf deren Grundlage Anträge eingereicht werden könnten. Der Arbeitgeber prüfe die Anträge. Auch offene Stellen würden angeboten, um für beide Seiten das Richtige zu finden. Bundesweit sind 80 Prozent der H&M-Beschäftigten Frauen, nahezu die Hälfte hat Kinder.
H&M: Nur Angebot für schlechter bezahlte Teilzeitstelle in Hamburg
Im Fall von Britta R. gab es nach der mehrseitigen Ablehnung ihres Teilzeitantrags, bei der unter anderem das entgegenstehende Organisationskonzept, unverhältnismäßige Verursachung von Kosten und die Lage im Einzelhandel als Begründungen genannt wurden, ein Gespräch und Ende Juli auch ein Angebot. „Es war eine Stelle im Verkauf mit 15 Wochenstunden ohne Führungsverantwortung und deutlich schlechter bezahlt, noch dazu in einer für mich schwer zu erreichenden Filiale. Das ist unverhältnismäßig, und ich habe das abgelehnt“, sagt Britta R.
Nachdem die Kammer des Arbeitsgerichts Ende Juli eine einstweilige Verfügung für eine Beschäftigung in Teilzeit abgelehnt hatte, war die Arbeitnehmerin Anfang August an ihren letzten Arbeitsplatz in Rahlstedt zurückgekehrt. Ihr Mann hatte zu dem Zeitpunkt Urlaub genommen, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. „Allerdings war meine Position als Leiterin der Abteilung Herren/Kinder besetzt“, sagt Britta R. In mehreren Fällen habe sie sich psychisch unter Druck gesetzt gefühlt. Das zusammen mit der ohnehin schon hohen Belastung durch Achtstundenschichten und dreieinhalb Stunden Fahrt pro Tag sei schließlich zu viel für sie gewesen, und sie sei gesundheitlich nicht mehr in der Lage gewesen zu arbeiten. Aktuell ist sie krankgeschrieben.
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H&M war bereits 2020 in der Kritik, als das Unternehmen bundesweit 800 Stellen abbauen wollte. Ein Freiwilligenprogramm, so die Kritik von Gewerkschaften, habe sich vorrangig an Mitarbeiter gewandt, die zeitlich nicht flexibel einsetzbar seien, darunter teilzeitbeschäftigte Mütter und Väter. In Hamburg war der Stellenabbau beendet worden, nachdem sich den Angaben zufolge gut 30 Beschäftigte für einen Aufhebungsvertrag entschieden hatten.
H&M hat mit rückläufigen Umsätzen zu kämpfen
Das Unternehmen ist schon länger auf Sparkurs, nachdem die Umsätze zurückgegangen waren. Zuletzt sollten in Hamburg wegen der Verlagerung des Distributionszentrums in Allermöhe nach Polen und Tschechien mehrere Hundert Stellen abgebaut werden. Nach Unternehmensangaben arbeiten in der Hansestadt 1200 Menschen für das Unternehmen, davon sind 800 in Filialen. Auf der Internetseite wurden Anfang der Woche 30 freie Stellen im gesamten Stadtgebiet angeboten, darunter eine Reihe von Teilzeitstellen und mehrere Positionen mit flexiblen Arbeitszeiten und einer Befristung.
Wie es für Britta R. weitergeht, wird sich voraussichtlich erst kurz vor Weihnachten entscheiden. Am 17. Dezember ist die Verhandlung vor dem Arbeitsgericht angesetzt. Fast elf Monate nach ihrem ersten Brief an H&M. „Aus unserer Sicht steht meiner Mandantin die beantragte Teilzeitregelung zu, weil das Gesetz es so vorsieht und dem keine betrieblichen Gründe entgegenstehen“, ist ihr Rechtsanwalt Matthias Timm zuversichtlich. Die Richterin hatte bei einem Gütetermin im August eine außergerichtliche Einigung vorgeschlagen. Britta R. und ihr Anwalt haben mit Verweis darauf inzwischen einen Vorschlag unterbreitet. Bislang habe es aber kein Angebot von H&M gegeben, so der Anwalt.