Hamburg. Die Modekette will bundesweit 800 Stellen streichen. Dann haben Mitarbeiter Schreiben von H&M bekommen – und sind “entsetzt“.

Der Konflikt um den Personalabbau beim Modekonzern Hennes & Mauritz (H&M) geht in die nächste Runde. Das Unternehmen will bundesweit 800 Stellen streichen. Das sind fünf Prozent aller Beschäftigen in Deutschland. In Hamburg, von wo aus Deutschland-Chef Thorsten Mindermann die Geschäfte hierzulande führt, sind nach Angaben des Unternehmens sieben Standorte betroffen, auch in Pinneberg, Norderstedt und Schenefeld sollen Stellen reduziert werden. Eine konkrete Zahl hatte das Unternehmen zunächst nicht genannt, will die Auseinandersetzung jetzt aber offenbar beenden.

Bereits Ende 2020 hatte H&M ein Freiwilligenprogramm vorgelegt. Arbeitnehmervertreter kritisieren, dass es sich vorrangig an Mitarbeiter richtet, die zeitlich nicht flexibel einsetzbar sind – teilzeitbeschäftige Mütter und Väter, Langzeiterkrankte sowie Schwerbehinderte. Obwohl sowohl der Gesamtbetriebsrat als auch lokale Betriebsräte in Hamburg die entsprechende Betriebsvereinbarung abgelehnt haben, hatte H&M an dem Kurs festgehalten und sich zuletzt direkt an Mitarbeiter gewandt.

Langjährige H&M-Mitarbeiterin erhält Aufhebungsvertrag

Birgit Meier (Name geändert) ist eine von ihnen. Die 48-Jährige, die auch Betriebsratsmitglied ist, hatte vor einigen Wochen einen Brief ihres Arbeitgebers in der Post, in dem ihr ein Aufhebungsvertrag angeboten wurde. „Ich war entsetzt“, sagt sie. Bereits seit 20 Jahren arbeitet Meier als Verkäuferin bei dem Textilhändler, nach der Geburt ihrer Kinder in Teilzeit. „Ich bin darauf angewiesen, zwischen 8 und 16 Uhr zu arbeiten“, sagt sie.

Auch Vanessa Richter (Name geändert) bekam ein Schreiben mit der Blanko-Ausfertigung eines Aufhebungsvertrags. „Schon vorher hatte mein Chef angerufen und mich nach meinem Gesundheitszustand befragt“, sagt die 49-Jährige. Sie war wegen einer Langzeiterkrankung mehrere Monate krankgeschrieben und kehrte dieses Jahr an ihren Arbeitsplatz zurück. „Ich fühle mich unter Druck gesetzt“, sagt sie.

Protestaktion für Stopp des Personalabbaus bei H&M

Nach Angaben aus Betriebsratskreisen gibt es in den betroffenen Hamburger Filialen Streichlisten mit Namen. Dabei handele es sich vor allem um Beschäftigte mit Kindern, Kollegen in Elternzeit, Langzeitkranke und Schwerbehinderte. So soll der Stundenüberhang in der Kernarbeitszeit reduziert und flexiblere Einsatzmöglichkeiten an Sonnabenden und am Abend erreicht werden.

„Die Art und Weise, wie H&M vorgeht, ist nicht nachvollziehbar und zu verurteilen“, sagt Milka Perovic aus dem Ver.di-Fachbereich Handel. Gemeinsam mit Betriebsräten aus sechs Hamburger Standorten hat die Gewerkschaft eine Protestaktion gestartet. Darin wird der Stopp des Personalabbaus sowie die Beteiligung der Beschäftigten an den Prozessen der Umstrukturierung gefordert. Ver.di hat den Modehändler bereits im vergangenen Jahr aufgefordert, einen sogenannten Digitalisierungstarifvertrag abzuschließen. Ziel: Beschäftigungssicherung und Qualifizierung im Rahmen der laufenden Digitalisierung.

Umsätze bei H&M durch Corona um ein Fünftel eingebrochen

H&M kämpft schon seit Längeren mit sinkenden Geschäftszahlen. Im Corona-Jahr 2020 hat der Modegigant mit 5000 Läden weltweit deutlich weniger Geld eingenommen. Der Gewinn vor Steuern war nach Konzernangaben drastisch auf 2,05 Milliarden schwedische Kronen (umgerechnet 203 Millionen Euro) abgesackt. Im Vorjahr hatte der Wert noch bei 17,4 Milliarden Kronen gelegen.

Lesen Sie auch:

Die Umsätze waren trotz Steigerungen im Onlinehandel um ein Fünftel eingebrochen. Auch in den ersten Monaten dieses Jahres drückt der Lockdown auf die Umsätze. Wie aus dem Jahresbericht für das Geschäftsjahr 2020 hervorgeht, sollen weltweit 350 Filialen geschlossen werden. 100 Eröffnungen sind geplant.

Ziel: Stundenüberhang in H&M-Geschäften reduzieren

Auf Anfrage des Abendblatts erklärt eine H&M-Sprecherin zu dem geplanten Stellenabbau: „Ziel dieser harten, aber unumgänglichen Maßnahme ist es, den aktuell vorherrschenden Stundenüberhang in den H&M-Geschäften zu reduzieren.“ Das Freiwilligenprogramm habe dabei der Vermeidung von betriebsbedingten Kündigungen dienen sollen.

„Sollten über dieses Angebot nicht ausreichend Kolleginnen erreicht werden, ist die betriebsbedingte Kündigung der nächste Schritt“, so die Unternehmenssprecherin. Nach ihren Angaben haben bis Ende Februar 31 Mitarbeiter in der Metropolregion Aufhebungsverträgen im Rahmen des Freiwilligenprogramms zugestimmt. Zum weiteren Vorgehen äußerte sie sich zunächst nicht.

Angst und Unsicherheit bei H&M-Mitarbeitern

Unter den Mitarbeiterinnen wachsen Angst und Unsicherheit. „Es ist derzeit völlig unklar, wie es weitergeht und ob demnächst Kündigungen verschickt werden“, sagt Betriebsrätin Birgit Meier. Weder sie noch ihre Kollegin Vanessa Richter haben einen Aufhebungsvertrag unterschrieben. „Wenn man mich hier raushaben will, geht das nur über das Gericht“, sagt Richter. Bei Birgit Meier mischt sich in die Wut auch Enttäuschung. „Ich war immer stolz, für H&M zu arbeiten. Jetzt schäme ich mich.“

Offenbar will das Unternehmen jetzt Ruhe in die Sache bringen. H&M erklärte am Montag, dass der Personalabbau in Hamburg als abgeschlossen betrachtet würde, sobald die 31 Mitarbeiter, die sich für das Freiwilligenprogramm entschieden hätten, ihre Aufhebungsverträge unterschrieben hätten. „Es resultieren hieraus keine betriebsbedingten Kündigungen in den betroffenen H&M-Geschäften in Hamburg“, hieß es.