Hamburg. Eine Studie registriert wieder mehr Wohnungsbauprojekte als vor einem Jahr. Ist das schon der Aufschwung? Was dafür und was dagegen spricht.

Viele Jahre war der boomende Wohnungsbau eines der Hamburger Vorzeigeprojekte. Doch der russische Überfall auf die Ukraine und seine Folgen – von explodierenden Baukosten und steigenden Zinsen bis hin zu politischer Unsicherheit, Stichwort Heizungsgesetz – hat der Branche den Stecker gezogen. Baugenehmigungen und Fertigstellungszahlen brachen um bis zu 50 Prozent ein, die der Baubeginne sogar um 85 Prozent. Bundesweit sah es nicht besser aus.

Doch nun gibt es eine Studie, die etwas Hoffnung macht: Demnach nimmt die Bautätigkeit in Hamburg und anderen großen deutschen Städten wieder zu. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls die Leipziger Real Estate Pilot AG, die den Wohnungsbau mithilfe ihrer Online-Datenbank GeoMap analysiert hat.

Wohnungsbau in Hamburg: Wieder mehr Projekte

Demnach gab es zum Stichtag 1. August in Hamburg 488 laufende Wohnungsbauprojekte, von denen 183 noch in diesem Jahr fertiggestellt werden sollen. Ein Jahr zuvor waren es dagegen nur 429 Bauprojekte, was einem Plus von knapp 13,8 Prozent entspricht.

Die Hansestadt liegt damit im Trend: Denn den Daten zufolge nimmt die Wohnungsbautätigkeit auch in Berlin (696 laufende Projekte, plus 9,3 Prozent gegenüber 2023) und in München zu: Für die bayerische Landeshauptstadt wurden 509 laufende Wohnungsbauprojekte verzeichnet, was einem Anstieg von 13,6 Prozent entsprach. Auch in anderen Großstädten wie Köln, Leipzig, Hannover und Düsseldorf sei die Bautätigkeit stabil bis leicht steigend, so die Analyse. Lediglich Frankfurt verzeichne einen geringfügigen Rückgang von 181 auf 176 Projekte.

Auch andere Großstädte legen beim Wohnungsbau zu

„Dieser Anstieg ist ein Indikator dafür, dass trotz der allgemeinen Krise im Wohnungsbau und der rückläufigen Genehmigungszahlen weiterhin ein hohes Maß an Bautätigkeit in den größten Städten Deutschlands besteht“, heißt es in der Mitteilung von Real Estate Pilot. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 12.000 aktuelle Bauprojekte in Deutschland ausgewertet.

Die Saga baut noch relativ viel in Hamburg. In Rothenburgsort errichtet sie zum Beispiel einen Neubau mit 42 öffentlich geförderten Wohnungen – teilweise mit Elbblick.
Die Saga baut noch relativ viel in Hamburg. In Rothenburgsort errichtet sie zum Beispiel einen Neubau mit 42 öffentlich geförderten Wohnungen – teilweise mit Elbblick. © Schenk Fleischhaker Architekten | Schenk Fleischhaker Architekten

Inwiefern sich daraus ein Hoffnungsschimmer für Hamburg ableiten lässt, ist jedoch zumindest fraglich. Das liegt zum einen an der Definition von „Bauprojekten“: Bei Real Estate Pilot zähle man dazu nicht nur im Bau befindliche Projekte, sondern auch solche, die noch in der Planungsphase sind oder erst in einigen Jahren umgesetzt werden sollen, hieß es auf Nachfrage des Abendblatts.

Online-Portal errechnet 78.000 neue Wohnungen für Hamburg

Komplett neue Stadtteile, wie sie in Oberbillwerder oder auf dem Grasbrook enstehen sollen, zähle man ebenso dazu wie die Science City Bahrenfeld – alles eher Zukunftsmusik. So kommt das Portal auf die scheinbar aberwitzige Zahl von mehr als 78.000 Wohneinheiten, die in Hamburg im Bau oder geplant seien.

Zur Einordnung: Um die steigenden Mieten zu begrenzen, hatte der damals neue Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) 2011 das selbstbewusste Ziel ausgegeben, pro Jahr für 6000 neue Wohnungen sorgen zu wollen. Als das erreicht wurde, wurde das Ziel auf 10.000 Wohnungen hochgeschraubt. Auch diese Marke wurde einige Jahre später erreicht oder sogar übertroffen – allerdings während des Immobilienbooms.

Hamburgs „Bündnis für das Wohnen“ galt viele Jahre als Vorbild

Hamburg mit seinem erfolgreichen „Bündnis für das Wohnen“ aus Senat, Bezirken und Wohnungswirtschaft galt damit bundesweit als Vorbild. Auch daher versuchte Scholz als Kanzler, das Modell auf die gesamte Republik zu übertragen: Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sollte für 400.000 Wohnungen im Jahr sorgen. Doch dann machte der Krieg in der Ukraine allen schönen Plänen und Trends einen Strich durch die Rechnung.

Da die laufenden Projekte in der Regel allen Widrigkeiten zum Trotz fertiggestellt wurden, wurden im Jahr 2022 zwar noch einmal 9234 Wohnungen in Hamburg übergeben. Doch schon im Jahr darauf waren es nur noch 5999 – ein Minus von 35 Prozent, gegenüber 2020 (11.269) sogar ein Rückgang um 47 Prozent. Um 78.000 neue Wohneinheiten am Horizont zu sehen, wie Real Estate Pilot es errechnet hat, braucht es daher schon einige Fantasie.

Baugenehmigungen in Hamburg um fast 50 Prozent rückläufig

Zumal es bislang kaum Anzeichen für eine Besserung der Lage gibt. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der Baugenehmigungen in Hamburg um fast 50 Prozent auf nur noch 5404 Wohnungen – das ist immer noch der sicherste Indikator dafür, was in einigen Jahren fertig wird. In diesem Jahr beschleunigte sich der Abwärtstrend sogar noch: Bis Ende Juni wurden nach Angaben des Statistikamts Nord in Hamburg Baugenehmigungen für 1580 Wohnungen erteilt, ein weiterer Rückgang um 38 Prozent gegenüber 2023, als von Januar bis Juni 2547 Wohnungen genehmigt worden waren.

Auch die im BfW-Nord organisierten freien Wohnungsunternehmen können derzeit noch keine wesentliche Belebung des Marktes erkennen: „Was derzeit gebaut wird, sind zum einen die letzten Fertigstellungen aus der Vorkrisenzeit und in anderen Fällen keine neuen Projekte, sondern Vorhaben, die in den vergangenen Jahren zurückgestellt wurden“, sagte Kay Brahmst, Vorstandsvorsitzender des BfW-Nord, dem Abendblatt.

Wohnungsverband: zu hohe Baukosten, zu viel Bürokratie

Seine Einschätzung der Lage: „Die Investoren sehen sich immer noch mit viel zu hohen Baukosten und langwierigen Genehmigungsverfahren konfrontiert.“ Um den Wohnungsbau wirklich voranzubringen, brauche man schnellere und unbürokratischere Verfahren sowie den Abbau überflüssiger Normen und Regularien, so Brahmst: „Ansonsten können wir die Wohnungsbauziele auch in zukünftigen Zeiten nicht erreichen.“

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Dagegen hatten die im Immobilienverband-Nord organisierten Makler sich kürzlich vorsichtig optimistisch gezeigt: „Es gibt wieder mehr Notartermine als vor einem Jahr“, hatte die Vorsitzende Anika Schönfeldt-Schulz Ende Juli dem Abendblatt gesagt und hinzugefügt. „Es ist ein bisschen Licht am Horizont.“ Mehr Nachfrage nach Wohneigentum solle perspektivisch mehr Angebote nach sich ziehen – also mehr Wohnungsbau.

Mieten Hamburg: Saga hat Bau von 1123 Wohnungen begonnen

Auch Hamburgs größter Vermieter, die städtische Saga mit ihren 140.000 Wohnungen, hält perspektivisch an ihrem Minimalziel von 1000 neuen Wohnungen pro Jahr fest und will in einigen Jahren auf 2000 pro Jahr kommen. 2023 hatte sie zwar nur noch 572 Einheiten fertiggestellt, dafür aber immerhin mit dem Bau von 1123 Wohnungen begonnen. Aktuell feiert sie regelmäßig irgendwo in der Stadt Richtfest.

Es gibt also neben vielen schlechten auch einige gute Nachrichten für den Wohnungsbau in Hamburg. Ob und wann daraus ein echter Aufschwung wird, bleibt allerdings abzuwarten.