Hamburg. Otto Wulff will in Hamburg auch ein Azubi-Wohnheim errichten. Obwohl günstiger Wohnraum benötigt wird, stockt das Projekt. Die Gründe.
Der Fachkräftemangel betrifft fast alle Branchen in Deutschland. In Großstädten wie Hamburg kommt aber noch ein Problem erschwerend hinzu: Fehlender Wohnraum und hohe Wohnkosten schrecken Interessenten ab. „Wenn sich Bewerber bei uns vorstellen, fragen sie als Erstes: Wo kann ich in Hamburg wohnen?“, sagt Stefan Wulff, geschäftsführender Gesellschafter des Bauunternehmens Otto Wulff, im Gespräch mit dem Abendblatt. Den aktuellen Einbruch des Wohnungsbaus betrachtet er daher als ein „Alarmsignal“, wie er sagt: „Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird immer mehr zum Problem Nummer eins in der Stadt.“
Und weil das so ist, will das alteingesessene Unternehmen das Problem nun auf seine Art angehen – und am Firmensitz in Billstedt Wohnungen für die eigenen Mitarbeiter und ein Azubi-Wohnheim bauen. Insgesamt gehe es um rund 165 Wohnungen, darunter etwa 75 Plätze in einem „Azubi-Haus“: „Diese möblierten Appartements wollen wir gezielt Auszubildenden zur Verfügung stellen – unseren, aber auch denen anderer, befreundeter Unternehmen“, sagt Wulff, dessen Unternehmen aktuell 21 gewerbliche und kaufmännische Azubis sowie fünf dual Studierende in Hamburg beschäftigt. Ende 2026, so hofft Wulff, soll dieses Wohnheim bezugsfertig sein.
Immobilien Hamburg: Otto Wulff plant Wohnungen für Azubis
Etwa 300 bis 350 Euro inklusive Nebenkosten sollen die Wohnheimplätze im Monat kosten – ein Schnäppchen für Hamburger Verhältnisse, wo selbst ein WG-Zimmer 600 Euro und mehr kosten kann. Auch die weiteren rund 90 Mietwohnungen mit 1,5 bis fünf Zimmern sollen mit Mieten ab etwa 500 bis 600 Euro vergleichsweise günstig angeboten werden – und zwar von Otto Wulff selbst. Denn das Unternehmen baut nicht nur Wohnungen, sondern tritt auch als Vermieter von mehr als 1000 Wohnungen in der Stadt auf.
Das Wohnheim samt Betreuung für minderjährige Bewohner wolle man ebenfalls in Eigenregie betreiben, erzählt Stefan Wulff, der für das ganze Projekt auf einen Mix aus öffentlich geförderten und frei finanzierten Wohnungen setzt und ein Quartier „im Sinne der Nachhaltigkeit“ entwickeln möchte: „Bei den Mikroapartments für Auszubildende streben wir eine ressourcenschonende Holzhybridbauweise an“, sagt er. Durch die Umwandlung einer innerstädtischen Gewerbefläche in ein Wohnquartier werde keine zusätzliche Grünfläche verbraucht.
Immobilien Hamburg: Otto Wulff plant auch Werkswohnungen für die eigenen Mitarbeiter
Etwa 15 bis 20 der Mietwohnungen will Wulff als Werkswohnungen den eigenen Mitarbeitenden anbieten. Was früher noch üblich war, erlebt aufgrund des Wohnungsmangels gerade eine zarte Renaissance, etliche Unternehmen denken über die Schaffung von Wohnraum für ihr Personal nach. So hat die Haspa gerade erst Richtfest für ihr Azubi-Wohnheim in Altona gefeiert – gebaut wird es von Otto Wulff.
Das Projekt auf dem eigenen Gelände ist Teil einer größeren Umstrukturierung. Das 1932 als Holzbaubetrieb in Billstedt gegründete Unternehmen hatte sich jahrzehntelang auf die Errichtung von Wohnungen konzentriert, in den vergangenen zehn bis 15 Jahren aber weitere Geschäftsfelder erschlossen: Der Schulbau steht inzwischen gleichrangig neben dem Wohnungsbau, auch Gewerbebauten und Infrastruktur wie Brücken gehören heute zum Portfolio. An den drei Standorten Hamburg, Berlin und Leipzig beschäftigt man inzwischen 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Otto-Wulff-Gelände in Hamburg-Billstedt ist von Wohnungsbau eingekesselt
Weil damit ein kräftiges Wachstum einherging – 2023 legte der Umsatz auf 400 Millionen Euro zu –, wurde das Betriebsgelände in Billstedt einerseits zu eng, um dort in großem Stil Kranteile, Schalungen und anderes schweres Gerät zu lagern. Zum anderen wurde das Areal schon seit den 60er- und 70er-Jahren vom Wohnungsbau eingekesselt, und die Archenholzstraße als einzige Zufahrtsmöglichkeit ist eine teilweise verkehrsberuhigte Tempo-30-Zone, durch die mehrere Buslinien führen.
„Hier passte es einfach nicht mehr“, sagt Stefan Wulff. „Was die Lautstärke und den Platz betrifft, gehört unser Bauhof einfach in ein gewerbegeprägtes Umfeld.“ Eine komplette Verlagerung der Firma war aber kein Thema, im Gegenteil: Erst 2023 wurde in Billstedt ein schickes neues Hauptgebäude eingeweiht. „Mehr Bekenntnis zu Hamburg geht doch nicht“, sagt Wulff über die 15-Millionen-Euro-Investition. Nur der Betriebshof sollte in ein Gewerbegebiet in Billbrook verlagert werden, und auf der dadurch frei werdenden Fläche sollen nun Wohnungen entstehen.
Neue Wohnungen müssen warten – Bebauungsplan steht immer noch nicht
Ein traditionsreiches Hamburger Unternehmen expandiert, investiert in den Standort und will nebenbei auch noch eine Menge der so dringend benötigten Wohnungen schaffen – man sollte meinen, dass da in Rathaus und Behörden die Sektkorken knallen und jegliche mögliche Unterstützung gewährt wird. Doch es lief etwas anders. „Diese zwei Genehmigungsverfahren haben uns sehr herausgefordert“, umschreibt Stefan Wulff den Ärger mit diesem Projekt sehr diplomatisch.
Dabei geht es ihm nicht um eine Sonderbehandlung, sondern generell um mehr Tempo bei den Genehmigungsverfahren: „Wir als Otto Wulff würden uns mehr Austausch und Transparenz wünschen, damit wir wieder mehr und schneller bauen können.” So hatte der Stadtplanungsausschuss des zuständigen Bezirks Hamburg-Mitte zwar schon im Oktober 2021 die Einleitung eines Bebauungsplan-Verfahrens beschlossen – doch der B-Plan „Billstedt 117“ steht bis heute nicht.
Vor-Ort-Termin mit Lkw und Bus soll beweisen: Die Straße ist zu eng
„Eigentlich sollte die Aufstellung des B-Plans ein- bis eineinhalb Jahre dauern, jetzt sieht es eher nach zweieinhalb und mehr Jahren aus – ohne dass erkennbar ist, woran das liegt“, sagt Wulff und fügt etwas frustriert hinzu: „Es wird oft darüber geklagt, dass nicht genug Wohnungen gebaut werden. Doch wenn jemand den Bau vorantreiben möchte, fehlt häufig die nötige Unterstützung.“
So hätten die Behörden anfangs nicht einsehen wollen, dass der Betriebshof in der eng bebauten Wohngegend nicht mehr sinnvoll zu betreiben ist, berichtet der Unternehmenschef. Schließlich habe man einen Vor-Ort-Termin mit einem Tieflader und einem Bus organisiert – nur um zu beweisen, was auch so recht offensichtlich ist: dass die Fahrzeuge nicht aneinander vorbeikommen und die ganze Straße blockieren.
Auch der Umzug auf den neuen Betriebshof verlief nicht ohne Probleme
Doch damit nicht genug: „Parallel haben wir auch die Nutzungsgenehmigung für den neuen Betriebshof in Billbrook nicht bekommen“, erzählt Wulff und berichtet von einer merkwürdigen Begründung. „Weil wir zu leise sind. Dort ist vorrangig lärmintensives Gewerbe vorgesehen, wozu wir offiziell nicht zählen. Dabei verursachen unsere Lkw oder die Reinigung von Schalungen auch erheblichen Lärm – Lärm, den wir nun in einem Gewerbegebiet machen und ihn nicht mehr den umliegenden Wohngebieten zumuten müssen.“
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Mittlerweile ist der Betriebshof umgezogen, aber der Baubeginn für das Wohnheim wird wohl nicht vor dem zweiten Halbjahr 2025 erfolgen, erwartet Wulff. Das deckt sich mit Einschätzungen des Bezirksamts Hamburg-Mitte: „Vorbehaltlich eines optimalen weiteren Verfahrensablaufs“, heißt es von dort auf Abendblatt-Anfrage, werde die „Vorweggenehmigungsreife“ des Projekts im ersten Halbjahr 2025 angestrebt. Derzeit werde zunächst die sogenannte „frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung“ vorbereitet, eine öffentliche Plandiskussion werde für die zweite Jahreshälfte avisiert.
Immobilien Hamburg: Bezirksamt sieht noch „Klärungsbedarf“
Auf die Frage, woran es zweieinhalb Jahre nach der Einleitung des B-Plan-Verfahrens immer noch hakt, teilte eine Sprecherin mit: Nach der behördlichen Grobabstimmung im April 2022 hätten sich noch „wichtige Klärungsbedarfe“ ergeben. Dabei gehe es unter anderem um die „Optimierung der Erschließung, Integration von Regenrückhaltung, erforderlichen Kita-Nachweis, Versorgung mit Kinderspielflächen usw.“. Diese Prozesse seien „zeitintensiv“, zudem bearbeite das Fachamt für Stadt- und Landschaftsplanung „eine Vielzahl wichtiger und prioritärer Bebauungsplanverfahren“.
Das Warten auf den B-Plan sei nicht nur ärgerlich, sondern erhöhe auch die Kosten und damit letztlich die Mieten, erklärt Wulff. „Am Bau ist Zeit Geld“, sagt er. „In Phasen niedriger Zinsen spielte das keine so große Rolle, aber angesichts der gestiegenen Zinsen und Baukosten macht jeder zusätzliche Monat ein Bauvorhaben teurer.“
Die Vorschläge, die Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) im Abendblatt zur Beschleunigung von Projekten und zur Baukostensenkung gemacht hat, findet er daher gut: „Alles, was Frau Pein sagt, ist richtig. Aber das Dilemma ist, dass die Senatsvorgaben in den Bezirken nicht ankommen – jedenfalls nicht in allen.“