Hamburg. Unter dem Namen Fyksin vertreiben zwei Gründerinnen besonders nachhaltige Produkte. Wie das Geschäft läuft, was Kunden bezahlen müssen.

Es ist einer der kleinsten und ungewöhnlichsten Läden Hamburgs. Im ehemaligen Kiosk der historischen U-Bahn-Station Buckhorn haben Sinah Röh (43) und Sabrina Urban (37) Verkaufsraum und Werkstatt aufgeschlagen. Wo in dem einsamen Bahnhof an einer Seitenlinie der U1 früher Zeitungen, Getränke und Snacks verkauft wurden, sind jetzt bunte Taschen, Rucksäcke, Portemonnaies, Tabletthüllen und vieles mehr liebevoll drapiert. Das Besondere: Die Hamburger Gründerinnen, die unter dem Markennamen Fyksin (gesprochen: Füchsin) firmieren, nähen ihre Kollektion ausschließlich aus ausrangierten Werbebannern aus PVC-Planen.

Das hellgrüne Täschchen „Lütte Aide“, das gerade mal Platz für Handy, Geldbörse und Schlüssel bietet, ist aus einer gigantischen Plakatwand an einem Hamburger Museum entstanden. Der Rucksack mit viel Pink und Weiß war mal Teil eines Banners an der Fassade eines Einkaufszentrums. Und die Geschichte eines blauen Allzwecktäschchens geht auf eine XXL-Werbung des Internetunternehmens Google am Schwimmdock 10 im Hamburger Hafen zurück. „Bei uns ist jedes Teil ein Unikat“, sagt Sinah Röh.

Gründerinnen aus Hamburg: Aus alten Plakatwänden werden Rucksäcke

Modedesignerin und Maßschneiderin Röh setzt seit 2022 zusammen mit Sabrina Urban, einer Handelswirtin, mit der Firma Tante Sophies Nichten auf die Kombination von Design und Nachhaltigkeit. „Wir wollen mit unserer Arbeit auf kreative Art zur Verminderung des Müllbergs beitragen“, sagen die Unternehmerinnen. Denn: Riesenposter und Roll-up-Banner in der Außenwerbung werden immer nur einen begrenzten Zeitraum genutzt. Weil man das robuste PVC-Material nicht einfach so entsorgen oder in den Recyclingkreislauf geben kann, landet es danach häufig in riesigen Lagerhallen und nicht selten in der Verbrennung.

Die Crossbags von der Marke Fyksin haben bunte Gurte, die aus Seilresten einer Firma für Kletterbedarf im Allgäu gefertigt sind.
Die Crossbags von der Marke Fyksin haben bunte Gurte, die aus Seilresten einer Firma für Kletterbedarf im Allgäu gefertigt sind. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Entstanden war die Idee für das Geschäftsmodell vor drei Jahren. Sinah Röh hatte damals das Angebot von einem Plakathersteller bekommen, die ausgedienten Werbeträger weiterzunutzen. Kostenlos. „Mich hat die Idee direkt elektrisiert“, sagt die Hamburgerin, die vorher lange in der Modeindustrie gearbeitet und sich 2010 selbstständig gemacht hatte. Zusammen mit Sabrina Urban entwickelte sie einen Businessplan und legte los. Das erste Poster, die Werbung eines Autoherstellers, war so groß, dass es nicht in ihre kleine Werkstatt im Obergeschoss des Ladens passte. „Wir haben es in der Halle des U-Bahnhofs ausgerollt und zugeschnitten“, erinnert sich Sabrina Urban.

Unternehmerinnen nähen ihre Kollektion direkt über dem Laden

Jetzt sitzen die Gründerinnen in ihrer Werkstatt über dem Laden. Der Raum platzt aus allen Nähten. In den Regalen lagern gerollte Plakate, an den Wänden hängen Zuschnitte. Es gibt vier Industrie-Nähmaschinen. Und alles, was man sonst noch so braucht, um die sorgfältig ausgetüftelten Fyksin-Modelle anzufertigen. Besonders stolz sind sie auf ihr neustes Produkt, eine Tasche für Duschutensilien für Camping und Fitnesscenter. „Unseren Duschbuddy kann man an die Armatur hängen. Da kann nichts mehr herunterfallen“, sagt Sabrina Urban. Dem synthetischen Mesch-Material macht Nässe nichts aus, trocknet zudem schnell.

Die Werkstatt der Marke Fyksin über dem Laden im historischen U-Bahnhof Buckhorn in Volksdorf ist gerade mal zehn Quadratmeter groß.
Die Werkstatt der Marke Fyksin über dem Laden im historischen U-Bahnhof Buckhorn in Volksdorf ist gerade mal zehn Quadratmeter groß. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Die Resonanz ist gut. Den ersten Rucksack hatte ein Rentnerehepaar gekauft, erinnern sich die Gründerinnen. „Inzwischen haben wir zahlreiche Stammkunden, von Jung bis Alt“, sagt Sinah Röh. Die nachhaltigen Taschen haben ihren Preis. Der Duschbuddy etwa kostet 39 Euro, die Crossbag mit selbst geflochtenem Gurt 75 Euro und die große Markttasche 85 Euro. Bei den Rucksäcken geht es mit einem klassischen Modell für 179 Euro los. Die Rolltop-Variante kostet 220 Euro. Erhältlich sind die Produkte zu den Öffnungszeiten am Donnerstag zwischen 9.30 und 18h im Laden, im Onlineshop und auf Kunsthandwerker-Märkten.

Erfinderin des CityCaddy lässt Taschen aus Werbebannern nähen

Dazu kommen Firmenkunden, die für das Gründerinnenduo eine immer wichtigere Rolle spielen. Aktuell arbeiten die beiden an einer Kooperation mit der Hamburger Start-up-Unternehmerin Elke Jensen. Die über 70-Jährige hatte den Einkaufstrolley CityCaddy entwickelt und hat jetzt bei Röh und Urban passende Recyclingtaschen in Auftrag gegeben. Für das Unternehmen Franky Tree, das nachhaltige Steck-Weihnachtsbäume aus Holz herstellt, haben sie eine Aufbewahrungstasche konzipiert. Für das Museum für Kunst und Gewerbe nähen die Fyksinnen Beuteltaschen mit Logo, die unter anderem im Museumsshop verkauft werden.

„Durch die Kooperationen können wir größere Mengen herstellen“, sagt Sinah Röh. Dabei kann sie sich auch vorstellen, dass die Firmen ihre Werbebanner zurücknehmen und etwas Neues daraus machen lassen. Es gehe schließlich auch darum, dass Unternehmen Verantwortung für ihren Müll übernehmen. „Bei uns können sie sogar etwas Sinnvolles daraus machen lassen und einen Mehrwert schaffen.“

Mehr Wirtschaftsthemen

Upcycling ist auch in Hamburg ein Trend. Ein gutes Dutzend Hersteller ist in der Hansestadt auf dem Markt. Einer der Pioniere ist Bridge & Tunnel, die in Wilhelmsburg aus alten Jeans neue Kleidungsstücke, Taschen und Kissen machen. Bracenet fertigt aus gebrauchten Fischernetzen unter anderem modische Armbänder. Und das Label 8beaufort gibt ausgemusterten Segeln ein zweites Leben als Sneaker. Tentation setzt auf kaputte Zelte als Rohmaterial für neue Regenjacken. In Hannover gibt es bereits seit einiger Zeit das Unternehmen Maesch, das ebenfalls ausgediente Plakatwände zu Gebrauchsutensilien verarbeitet.

Das neuste Produkt der Marke Fyksin: ein sogenannter Duschbuddy für den Einsatz beim Campingurlaub oder im Fitnesscenter
Das neuste Produkt der Marke Fyksin: ein sogenannter Duschbuddy für den Einsatz beim Campingurlaub oder im Fitnesscenter © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Die „Fyksinnen“ konnten ihren Umsatz im vergangenen Jahr in etwa verdoppeln. Genauer wollen sie es nicht sagen. „Wir arbeiten kostendeckend“, sagt Sabrina Urban. Leben können sie allerdings noch nicht von ihrem Geschäftsmodell. Röh ist durch ihre Familie abgesichert, Urban hat einen Zweitjob. Klar ist aber, dass sie weiter wachsen wollen. „Auf Sicht brauchen wir Mitarbeiter und stellen uns eine Art Genossenschaftsmodell vor“, sagt Sinah Röh. Gerade haben sie auch die erste Anfrage von einem Investor bekommen, der bei ihnen einsteigen will.

Hamburger Gründerinnen machen Taschen aus alten Plakatwänden

Bleibt die Frage, wie die Gründerinnen auf den Namen Fyksin kamen. „Unser Markentier ist der Fuchs, weil er schlau, schnell und selbstbewusst ist“, sagt Sabrina Urban. Die ungewöhnliche Schreibweise sei dem Marken- und Namensrecht geschuldet, das eine Anmeldung unter „Füchsin“ nicht erlaubt.