Hamburg. Hapag-Lloyd mit historischer Zahl. Auch bei anderen Reedereien wächst die Flotte. Was dahintersteckt und welche Probleme drohen.
Es ist wenige Tage her, da verkündete Hapag-Lloyd Historisches: Hamburgs Traditionsreederei gab den größten Flottenzuwachs in der Unternehmensgeschichte bekannt. Innerhalb einer Woche kamen drei neue große Containerschiffe hinzu – mit einer Gesamtkapazität von 60.000 Standardcontainern (TEU).
Da sich dies alles in Asien abspielte, hat es hierzulande kaum einer bemerkt: Die „Damietta Express“ wurde auf der Hanwha Werft in Südkorea fertig. Die „Iquique Express“ wurde in China auf der New Times Werft getauft und die „Singapore Express“ in Singapur. Insgesamt 22 Schiffe unterschiedlicher Größen hat Hapag-Lloyd seit 2021 in verschiedenen Programmen seiner Flotte hinzugefügt. Fünf davon sind für lange Zeit gechartert, die restlichen eigene Neubauten.
Hamburger Hafen: Hapag-Lloyd will seine Flotte modernisieren
Besonders auffällig: Die Megafrachter der Hamburg-Express-Klasse, deren gleichnamiges Flaggschiff Hapag-Lloyd im Sommer in Hamburg taufen wird. Bereits im Oktober hatte die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Elke Büdenbender, die „Berlin Express“ aus dieser Serie getauft. Insgesamt handelt es sich dabei um zwölf Neubauten, die alle mit Flüssigerdgas (LNG) betankt werden. Sechs Schiffe dieser Klasse, die 24.000 Standardboxen tragen können, sind fertig. Die restlichen sechs werden bis Ende 2025 ausgeliefert.
Die Gründe für die Schiffsbestellungen der Reederei sind vielfältig. Zum einen will Hapag-Lloyd seine Flotte modernisieren – sowohl bezüglich der Schiffsgröße, als auch in puncto Nachhaltigkeit. Zum anderen kommen die Planer vom Ballindamm einer anhaltend hohen Nachfrage nach und versuchen mit den effizienteren neuen Schiffen die Stückkosten zu senken.
Hamburger Reederei Vogemann ordert Massengutfrachter
Sind die Beweggründe auch unterschiedlich, so ist Hapag-Lloyd kein Einzelfall. Praktisch wöchentlich kommen Meldungen von Hamburger Reedern, die bei Werften neue Schiffe bestellen. Die Reederei Peter Döhle hat vier neue Containerschiffe mit einer Kapazität von jeweils 14.000 TEU in China geordert, die 2027 ausgeliefert werden sollen.
Von der Hamburger Reederei Vogemann gibt es noch keine Bestätigung. Es hält sich aber hartnäckig das Gerücht, dass sie vier mit Abgaswäschern ausgestattete Massengutfrachter mit einer Tragfähigkeit von 180.000 Tonnen bei Hengli Shipbuilding in Dalian geordert hat. Dem Branchendienst „Splash 247“ zufolge baut die neue Order auf einer Bestellung von Vogemann aus dem vergangenen Jahr auf, die bereits acht besonders große Massengutfrachter umfasste.
Hapag-Lloyd mit historischem Wert
Jahrelang haben die Reeder aufgrund klammer Kassen nach der großen Schifffahrtskrise und wegen einer nur gering steigenden Nachfrage auf den Bau neuer Schiffe verzichtet. Bei der Reederei Peter Döhle handelt es sich beispielsweise um die erste Neubaubestellung seit neun Jahren. Doch die Marktlage dreht sich. „Die allgemeine Erholung des Welthandels mit starken Wachstumsraten beim Warenaustausch steigert die Nachfrage nach Frachtschiffen. Zwar schwächelt derzeit die Exportleistung der europäischen Industrie, jedoch erholen sich viele Länder wirtschaftlich schneller als Europa, insbesondere China und die USA. Diese Entwicklung hat den Bedarf an Seetransporten erhöht“, sagt ein Sprecher des Verbands Deutscher Reeder (VDR).
Dieser Trend werde durch die angespannte Sicherheitslage im Roten Meer und kürzlich auch durch Engpässe im Panamakanal noch verschärft. „Die Umfahrung Afrikas erfordert zusätzliche Tonnage, um Liniendienste aufrechtzuerhalten, da diese Route deutlich länger ist und die Güter länger unterwegs sind.“
Hamburger Reeder kämpfen mit gestörten Schifffahrtsrouten
Laut VDR gibt es einen weiteren Grund für den erhöhten Bedarf an Schiffstonnage: „Zusätzlich fahren viele Schiffe mittlerweile langsamer, um Emissionen gemäß den neuen Umweltvorgaben zu reduzieren. Sämtliche Neubauten wurden bereits vom Markt absorbiert, doch die Nachfrage nach Schiffsraum bleibt derzeit hoch. Es gibt kaum noch freie Containerschiffe auf dem Markt.“
Zahlreiche Häfen kämpfen außerdem mit den Folgen gestörter Schifffahrtsrouten, was zu zusätzlichen Engpässen bei den Terminals und zu Produktivitätseinbrüchen beim Containerumschlag führt. Aufgrund der Störungen in den Lieferketten hätten Importeure begonnen, ihre Bestellungen für die zweite Jahreshälfte vorzuziehen, heißt es vom VDR. „So erleben wir derzeit eine vorgezogene Peak Season.“
2023 wurden rund 13 Prozent mehr Schiffe gekauft oder neu gebaut als 2024
Das Wachstum spiegelt sich auch in Zahlen wider. Laut VDR wurden 2023 insgesamt rund 13 Prozent mehr Schiffe gekauft oder neu gebaut als ein Jahr zuvor. Waren es 2022 noch 114 Schiffe, stieg die Zahl 2023 auf 129. Insbesondere die Neubauten nahmen dabei zu, sie stiegen um mehr als das Vierfache von neun Schiffen 2022 auf 42 im Jahr darauf. Im ersten Quartal 2024 gab es bereits 16 Ankäufe und 23 Neubauten.
Aber nicht nur Containerschiffe sind knapp. Die Hamburger Reederei Carsten Rehder gab in dieser Woche bekannt, bei einer indischen Werft den Bau von vier Mehrzweckfrachtschiffen für Trockengut in Auftrag gegeben zu haben. Zudem besteht eine Option für den Bau vier weiterer. Sie werden im innereuropäischen Transportverkehr eingesetzt.
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Hamburger Hafen: Bauboom auf den Werften hat auch seine Schattenseiten
„Die von uns kontrahierten Neubauten sind für den europäischen Verkehr mit Stückgut und Projektladung konzipiert. Die Flotte in diesem Markt der europäischen Küstenverkehre hat trotz einiger Neubauorders in letzter Zeit wegen des hohen Altersdurchschnitts einen deutlichen Bedarf an neuer Tonnage“, sagte Reedereichef Thomas Rehder dem Abendblatt. „Dies auch insbesondere, weil die Dekarbonisierung der Schifffahrt und die europäischen Maßnahmen zur Emissionsreduzierung moderne verbrauchsarme Schiffe mit Flexibilität für nicht fossile Brennstoffe notwendig machen.“
Der Bauboom auf den Werften hat aber auch seine Schattenseiten. Schon fürchten die Ersten, dass es 2025 zu Überkapazitäten kommen könnte, weil der Transportbedarf dann möglicherweise geringer ausfällt als das Angebot. Aber das ist eine andere Geschichte.