Hamburg. Die Wirtschaftslage der Branche hat sich eingetrübt. Doch Jobs gibt es genug. Das Abendblatt gibt einen Überblick. Wer Chancen hat.

Die Zeit der Fabelgewinne in vielfacher Milliardenhöhe ist bei Hapag-Lloyd vorbei. Derzeit muss sich Hamburgs Traditionsreederei wieder ein wenig bescheiden geben. Unternehmenschef Rolf Habben Jansen erwartet für dieses Jahr ein Geschäftsergebnis zwischen null und einer Milliarde Euro und spricht bereits von Sparmaßnahmen. An einer Stelle wird aber nicht gespart: bei der Zahl der Mitarbeiter.

109 offene Stellen bietet das Unternehmen derzeit von der Führungskraft bis hin zum Werkstudenten oder Praktikanten. Und wie das bei einem weltweit agierenden Unternehmen üblich ist, gelten die Jobangebote für verschiedene Länder der Erde. Es geht nach Rotterdam oder in Ghanas Hauptstadt Accra. Sogar auf der Trauminsel Mauritius kann man als „Operations Coordinator“ sofort anfangen. Die meisten Angebote gibt es derzeit aber in der Zentrale in Hamburg sowie in Danzig und Mumbai.

Hamburgs Reedereien suchen händeringend frisches Personal

„Hamburg, Polen und Indien sind die drei Standorte, an denen wir derzeit unsere IT-Sicherheit ausbauen“, sagt Kristina Duwe, Senior Director im Personalwesen und Personalleiterin für Deutschland und Zentraleuropa bei der Traditionsreederei. Angesichts eines Personalstamms von mehr als 16.000 Beschäftigten seien 109 offene Stellen keine Besonderheit, sagt sie. „Wir bauen aber derzeit weiter auf. Hier und auch anderswo“, so Duwe.

Schulung nautischer Fachkräfte in einem Schiffssimulator der Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) auf Zypern.
Schulung nautischer Fachkräfte in einem Schiffssimulator der Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) auf Zypern. © BSM | bsm

Das hänge vor allem mit den sich wandelnden Anforderungen im Zuge der digitalen Transformation zusammen. „Neben IT-Experten suchen wir im Hauptquartier Hamburg auch Mitarbeiter im Controlling und im Einkauf.“ Ebenso würden im neuen Berufsbild „Agile Coach“ Personen von außen eingestellt. Ein Agile Coach unterstützt Teams dabei, sich selbst auf die Anforderungen im Zuge der Transformation vorzubereiten.

Solide Englischkenntnisse sind bei Hapag-Lloyd Pflicht

Da die Jobs sehr unterschiedlich sind, für die Hapag-Lloyd derzeit Personal sucht, müssen auch die Bewerber unterschiedliche Profile haben. „Wichtig ist für uns, dass sie ins Team und zu unserem Unternehmen passen“, sagt Duwe. Interessenten sollten offen für ein globales Unternehmen sein, sehr solide Englischkenntnisse und ein Verständnis für Diversität haben, da in dem Unternehmen tatsächlich die unterschiedlichsten Menschen zusammenarbeiten würden.

Nicht anders ist das Bild bei der Bernhard Schulte Shipmanagement. Sie bietet derzeit auf ihrer Internetseite 66 offene Stellen an. Die Hamburger Schulte Group gehört zu den größten deutschen Reedereien mit eigener Flotte und einem riesigen Angebot an maritimen Dienstleistungen. An Land beschäftigt das Unternehmen 3000 Mitarbeiter, mehr als 20.000 sind es auf See.

Schulte Gruppe richtet zusätzliches Schulungszentrum ein

„Ohne die genaue Zahl der offenen Stellen weltweit zu kennen, kann ich bestätigen, dass wir derzeit Fachkräfte in allen Bereichen suchen. Am liebsten Leute mit maritimem Hintergrund, denn auch an Land sind Mitarbeiter mit Seeerfahrung wichtig“, sagt Annette Krüger, Sprecherin der Schulte Gruppe.

Der Mitarbeiter eines Depots von Hapag-Lloyd in Wilhelmsburg prüft einen Container.
Der Mitarbeiter eines Depots von Hapag-Lloyd in Wilhelmsburg prüft einen Container. © Hapag Lloyd | Hapag Lloyd

„Wir bilden seit Langem eigene Fachkräfte in unseren Schulungszentren auf Zypern, in China, Indien und auf den Philippinen aus, und haben zusätzlich im vergangenen Jahr ein Ausbildungszentrum in Polen eingerichtet.“

Seeschifffahrt entwickelt sich zur Jobmaschine

Um die digitale Transformation in der Schifffahrt voranzutreiben, hat die Schulte Gruppe ein eigenes Technologieunternehmen namens MariApps mit 900 Mitarbeitern eingeführt. „Auch hier benötigen wir Fachkräfte“, so Krüger.

Ebenso sucht Peter Döhle für seine zahlreichen Tochtergesellschaften Fachkräfte. Ist die Seeschifffahrt eine Jobmaschine? „Ja, das ist so“, heißt es beim Verband Deutscher Reeder (VDR). „Die deutsche Seeschifffahrt ist ein starker Wirtschafts- und Beschäftigungsmotor. Neben den offensichtlichen Positionen an Bord von Schiffen wie Kapitänen, nautischen und technischen Offizieren sowie Schiffsmechanikern gibt es eine Vielzahl von Arbeitsplätzen an Land“, so ein Sprecher. Dazu gehörten Positionen in den maritimen Verwaltungen, der Informationstechnik, Logistik; aber auch Tätigkeiten im Personalwesen, im rechtlichen oder versicherungstechnischen Bereich, in der Forschung und Entwicklung oder im Marketing.

Zahl der Neueinsteiger steigt um elf Prozent

„Auf den 1800 Schiffen der 266 hiesigen Reedereien sind derzeit rund 7000 Menschen in Deutschland sozialversicherungspflichtig tätig. An Land sind es nach Schätzungen mit mehr als 21.000 Personen dreimal so viele“, so der VDR-Sprecher. Damit schaffe die deutsche Schifffahrt derzeit unmittelbar knapp 30.000 Arbeitsplätze.

Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen will sparen und sucht dennoch zeitgleich neue Fachkräfte.
Hapag-Lloyd-Vorstandschef Rolf Habben Jansen will sparen und sucht dennoch zeitgleich neue Fachkräfte. © picture alliance/dpa | Ulrich Perrey

In Zeiten knapper Arbeitnehmerressourcen sei es nicht einfach, neues Personal für sich zu gewinnen. „Aber die Schifffahrt ist eine attraktive Branche, die durch vielfältige und einzigartige Karrieremöglichkeiten in einem internationalen Umfeld viele junge Menschen anzieht. Dies unterstreicht die Entwicklung der Zahl an Neueinsteigern in der Schifffahrt im Jahr 2023, die im Vergleich zum Vorjahr um rund elf Prozent gestiegen ist“, heißt es vom VDR.

Hamburg wichtiger Standort

Den Trend zum Mitarbeiteraufbau spüren auch die Schiffsmakler. „Auch wenn in den letzten Jahren mehr Wert auf die Digitalisierung gelegt wurde, und es in den letzten Jahren pandemiebedingt recht ruhig war, so kamen zuletzt positive Meldungen vom maritimen Arbeitsmarkt. So beobachten wir seit einiger Zeit einen erhöhten Bedarf an Mitarbeitenden in allen Ebenen in unseren Mitgliederunternehmen“, sagt Alexander Geisler, Geschäftsführer des Verbands Hamburger und Bremer Schiffsmakler.

Mit Blick auf Hamburg sei wenig überraschend, dass viele Schifffahrtsunternehmen aus dem Ausland die Hansestadt als Standort für ihre Deutschland- oder Europaniederlassung wählen würden. „Mit der Berufsschule für Schifffahrtskaufleute haben sie hier, wie auch in Bremen, Zugang zu besonders gut ausgebildetem Fachpersonal.“

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Sogar der Hafenkonzern HHLA, der eigentlich wegen der Automatisierung seiner Umschlagbetriebe Arbeitskräfte abbaut, sucht neues Personal: „Derzeit sind international mehr als 50 Stellen ausgeschrieben“, bestätigt eine Sprecherin. „Auch wenn die HHLA ein attraktiver Arbeitgeber ist, spürt das Unternehmen den Fachkräftemangel bereits bei Fach- und Führungskräften in den Bereichen IT und Technik.“

Gute Zeiten für Bewerber.