Hamburg. Am Montag tauft Hapag-Lloyd sein neues Flaggschiff. Das Abendblatt durfte sich an Bord umschauen. Der Kapitän erklärte die Details.
Es ist eine der spektakulärsten Aktionen im Hamburger Hafen in diesem Jahr. Die Hamburger Traditionsreederei Hapag-Lloyd tauft am Montag ihr neues Flaggschiff, den Megafrachter „Berlin Express“. Der Name ist in diesem Fall Programm, denn zu der Taufe, die durch die Frau von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Elke Büdenbender, erfolgt, wird weitere Bundesprominenz aus der Hauptstadt erwartet. Während am Athabaskakai der Hamburger Hafen und Logistik AG die Vorbereitungen laufen, konnte das Abendblatt schon einmal das Schiff besuchen und hat exklusive Einblicke bekommen.
Schon der Weg auf der Gangway an der Bordwand nach oben scheint endlos lang: vom Kiel bis zum Hauptdeck misst der Rumpf des Containerschiffes mehr als 33 Meter. Oben angekommen empfängt einen viel Platz: 400 Meter lang, 61 Meter breit ist das Schiff und in allen Gängen in zwei Farben aufgeteilt: Der Fußboden ist grün, die Wände sind weiß gestrichen. Alles blitzt und blinkt. Nichts ist davon zu sehen, dass das Schiff bei seiner Überfahrt von der südkoreanischen Werft nach Europa im Indischen Ozean schon in einen schweren Monsun geraten war.
Hamburger Hafen: „Berlin Express“ ist ein 400 Meter langes Stahlmonstrum
Acht Decks oder 135 Treppenstufen über dem Hauptdeck steht Kapitän Karsten Metzner auf der Brücke und begrüßt seine Gäste. Er ist seit 1992 bei Hapag-Lloyd, hat eine Schiffsmechanikerlehre gemacht, die Seefahrtschule besucht, fuhr als Ingenieur zur See und ist seit 2010 Kapitän. Groß, hager, mit Vollbart steht er im Ruderhaus dieses Stahlmonstrums, das voll beladen 23.663 Container tragen kann und damit zu den größten Containerschiffen der Welt gehört. Hapag-Lloyd hätte wohl kaum einene besseren Kapitän für das Schiff finden können. Warum? „Ich komme aus Berlin, da ist es für mich eine besondere Freude ein Schiff mit diesem Namen fahren zu dürfen“, sagt er.
Metzner wechselt sich mit Kapitän Michael Kowitz ab, der das Schiff aus Singapur nach Hamburg gebracht hat, und nun im Urlaub ist. Jeweils zwölf Wochen befehligt einer von beiden das Schiff mit seiner 27-köpfigen Besatzung, während der andere an Land pausiert.
Vor Hindernissen kann das Schiff kaum mehr bremsen
Der Ausblick von der Brücke in rund 70 Meter Höhe ist gewaltig. Der Michel ist zu sehen, die Elbphilharmonie. Nur Bug und Heck sind kaum auszumachen, weil sie hinter einem riesigen Berg von Containern liegen. Die Hafenarbeiter der HHLA haben auf Bitten der Reederei die Stahlboxen in besonderer Art und Weise gestaut. Das heißt: Die Container mit dem Schriftzug von Hapag-Lloyd wurden in einem Ring entlang des Außenbords des Frachters säuberlich gestapelt. Bis zu zwölf Container übereinander passen pro Stellplatz unter die Ladeluke, weitere 13 obendrauf. Winzig klein wirkt von der Brückennock aus ein niederländisches Baggerschiff, das vor der „Berlin Express“ seine Kreise zieht. So klein es ist, so wichtig ist es auch. Ohne dessen Arbeit würde der schwere Pott, der vollbeladen 250.000 Tonnen wiegt, schon beim Umsetzen zum Athabaskakai im Hafenschlick stecken bleiben.
Wie fährt sich denn so ein Schiff? „Aufgrund seiner Größe reagiert es träger auf Ruderbefehle als kleine Schiffe“, sagt Metzner. „Man muss also vorausschauend fahren und noch früher reagieren. Um so einen großen Frachter abzubremsen, braucht es mehrere Seemeilen, bis er steht. Taucht also ein Hindernis auf, ist es besser dieses zu umfahren.“
Mehr Elektriker als üblich an Bord
Ein Decksmann klackst noch einen Tupfer Farbe hier und da an ein Rohr. Ein Techniker justiert im Ruderhaus ein technisches Gerät neu. Die „Berlin Express“ ist ein Produkt des digitalen Zeitalters. Hebel und Schaltknöpfe sind passé, Monitore mit verschiedenen Anzeigen zum Zustand des Schiffs bestimmen die Instrumententafel. „Seekarten auf Papier benutzen wir nur noch, wenn etwas ausfallen sollte“, sagt Metzner.
Der Automatisierungsgrad der „Berlin Express“ ist hoch, dennoch ist die Zahl der Mannschaft nicht reduziert worden. Im Gegenteil: „An Bord wird so vieles über Sensoren gesteuert, dass wir drei Elektriker benötigen, während die meisten Schiffe mit zweien auskommen“, sagt der Kapitän.
Hamburger Hafen: Die „Berlin Express“ kehrt erst in zwölf Wochen wieder zurück
Metzner ist nicht mehr allein auf der Brücke, eine junge Frau steht neben ihm. Lara Marie Habedank ist 27 Jahre alt und 2. Offizierin an Bord. Sie ist für die Sicherheit und den Brandschutz zuständig. Auch hier ist die „Berlin Express“ Vorreiterin. Auf der Brückennock wurden große Feuerlöschkanonen installiert „Gerät ein Teil der Ladung in Brand, können wir Seewasser daraufspritzen. Die Kanonen reichen 110 Meter weit“, sagt Habedank. Die begeisterte Seglerin kommt aus Brunsbüttel und ist an und auf der Elbe groß geworden. „Heimat“, sei ihr erster Gedanke gewesen, als das Schiff nach der Überfahrt seinen riesigen Bug in die Elbfahrrinne gelenkt hat. Verstärkt worden sei dieses Gefühl, als die ganze Familie in Wedel winkend am Ufer stand, sagt sie.
Es geht mit dem Fahrstuhl zehn Decks tiefer. Dann einen mehrere Hundert Meter langen Gang an der Schiffswand entlang. Eine Druckschleuse führt in den Maschinenraum. Das Reich des Leitenden Ingenieurs, Alexander König. Elf Zylinder hat die Hauptmaschine, die er überwacht. Jeder ist mit einem Kolbenhub von drei Metern ausgestattet. Das Schiff fährt mit Flüssigerdgas (LNG). Die Betankung erfolgt jeweils in Rotterdam. Der Tank fasst 18.650 Kubikmeter, das reicht für eine Reise nach Asien und zurück. Um flüssig zu sein, wird das Gas mit einer Temperatur von weniger als minus 162 Grad in das Schiff gepumpt. „Dann bedarf es keiner gesonderten Kühlung mehr. Das sich erwärmende Gas wird von uns sofort verbraucht“, sagt Kapitän Metzner.
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Metzner muss zurück auf die Brücke. Es sind noch einige Taufvorbereitungen zu treffen. Dienstagnacht, gegen halb zwei Uhr, wird er mit der „Berlin Express“ Hamburg wieder verlassen. Über Antwerpen und Southampton geht es nach Asien. Erst in zwölf Wochen wird das Schiff erneut in Hamburg sein und Metzner nach Berlin heimkehren, zu seiner Frau und seinen zwei Kindern.