Hamburg. Containerfrachter fahren immer langsamer. Kosteneinsparungen sind angeblich nicht der Grund. Worum geht es dann? Die Hintergründe.
Es geht auf den Ozeanen langsamer voran. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der Containerschifffahrt ist auf einen neuen Tiefpunkt gesunken, wie die jüngste Ausgabe des Fachmagazins „Deutsche Seeschifffahrt“ berichtet. Sie bezieht sich auf eine Auswertung der Hamburger Reederei Döhle. Demnach sank das Tempo von Schiffen mit mehr als 7500 Standardcontainern (TEU) Kapazität gegenüber dem Herbst 2022 um mehr als einen auf 15,6 Knoten (umgerechnet 28,9 Kilometer pro Stunde).
Kleinere Schiffe sind noch langsamer unterwegs. So liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit bei Schiffen mit einer Kapazität von 2500 TEU bei 14,3 Knoten (26,4 Kilometer pro Stunde). Wie es weiter heißt, reagiert die Branche damit auf strengere Emissionsvorschriften.
Schifffahrt: Schleichfahrt auf dem Ozean – Reedereien drosseln Tempo
Zugleich reguliert sich der Markt nach dem Ende der Corona-Phase neu, als Transportkapazitäten auf See extrem knapp waren. „Während der Covid-19-Pandemie haben Linienreedereien aufgrund der starken Nachfrage und der weit verbreiteten Überlastung der Häfen die durchschnittliche Fahrgeschwindigkeit um bis zu vier Prozent erhöht“, sagt die internationale Schifffahrtsorganisation Baltic and International Maritime Council Bimco. Heute ist die Situation ganz anders – und im ersten Quartal 2023 hat sich die durchschnittliche Segelgeschwindigkeit deutlich verlangsamt.“
„Slow Steaming“, so der Fachbegriff, ist keine neue Erfindung der Linienschifffahrt. Bereits während der Schifffahrtskrise nach 2007 hatte die Weltflotte ihr Tempo gedrosselt, um Treibstoff und damit Kosten zu sparen.
„So richtig schnell sind wir seit Langem nicht mehr unterwegs“, sagt deshalb der Chefkapitän von Hapag-Lloyd, Richard von Berlepsch. Ein Tempo von 23 Knoten (knapp 43 Kilometer pro Stunde) oder mehr würden der Vergangenheit angehören. Heute seien die Schiffe mit 18 bis 20 Knoten unterwegs (33 bis 37 Kilometer pro Stunde). „Aber auch wir planen, die Geschwindigkeit noch weiter auf 14 bis 15 Knoten zu reduzieren.“ Sei die Tempodrosselung während der Schifffahrtskrise vor allem als Kostenersparnis erfolgt, stünden nun der Umweltgedanke und eine insgesamt gestiegene Effizienz im Warentransport im Mittelpunkt.
Schifffahrt Hamburg: Slow Steaming bedeutet 160 Tonnen weniger CO₂ am Tag
Laut von Berlepsch seien die Absenkung des Treibstoffverbrauchs und damit die Reduktion von CO₂ enorm. Etwa 360 Tonnen Klimagas würden die großen Containerschiffe pro Fahrttag normalerweise ausstoßen. Bei einer Drosselung auf 15 Knoten wären es nur noch 200 Tonnen. Man kann also mehr als 30 Prozent CO₂ einsparen.
Da sich die Fahrtzeit dann verlängere, müsste zwar ein Schiff zusätzlich eingesetzt werden, um den Wochentakt beim Anlauf der Häfen zu halten. Aber selbst das würde sich in der Klimabilanz noch positiv darstellen. „Derzeit setzen wir zehn Schiffe in einem Liniendienst zwischen Asien und Europa ein. Das macht 3600 Tonnen CO₂-Ausstoß pro Tag. Kommt ein elftes mit 360 Tonnen hinzu, ergibt sich dennoch eine deutliche Einsparung, wenn das Tempo aller Schiffe auf 15 Knoten gedrosselt wird“, so von Berlepsch.
Fahrtdauer der Schiffe verlängert sich
Die Fahrtdauer pro Schiff würde sich bezogen auf die gesamte Strecke zwischen Asien und Europa nur gering erhöhen – etwa um zwei Tage, meint der Chefkapitän von Hapag-Lloyd. „Ich sage ausdrücklich: Wir planen eine Temporeduzierung. Wenn aber etwas Unverhofftes dazwischenkommt – wie ein Sturm, der umfahren werden muss oder ein Stau im Hamburger Hafen –, müssen die Schiffe natürlich schneller fahren, um die verlorene Zeit wieder hereinzuholen.“
Zudem gebe es Dienste, bei denen eine Temporeduzierung nicht möglich sei, wie etwa der sogenannte Kirschen-Express zwischen Chile und China. „Wenn es um leicht verderbliche Ware geht, müssen wir schnell fahren.“
Welthandel muss am Laufen gehalten werden
„Damit die Schifffahrt, wie von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) vorgegeben, bis 2050 klimaneutral wird, nutzt sie alle verfügbaren Technologien und Möglichkeiten zur Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen. Neben der Verbesserung der Energieeffizienz der Schiffe wird dabei auch in Zukunft das Slow Steaming eine tragende Rolle spielen“, sagt Gaby Bornheim, Präsidentin des Verbands Deutscher Reeder (VDR) und Geschäftsführerin der Peter Döhle Schifffahrts-KG. „Schon da die neuen, alternativen Treibstoffe zum Teil fünffach so hohe Kosten verursachen wie herkömmliche Treibstoffe, bleibt es für Reedereien ein wichtiges Anliegen, so wenig Treibstoff wie möglich zu verbrauchen und gleichzeitig die Treibhausgas-Emissionen so weit wie möglich zu senken.“
Allerdings gibt es eine natürliche Grenze des Slow Steamings, sagt auch Bornheim, denn der Welthandel müsse am Laufen gehalten werden. „Die Schiffe müssen sicher in Fahrt bleiben, deswegen ist auch das Slow Steaming in seinem Potenzial auf lange Sicht endlich.“
Schifffahrt Hamburg: Emissionshandel wird zu weiterer Tempodrosselung führen
Noch ist das Potenzial aber nicht ausgeschöpft. Nach Ansicht des Reederverbands wird sich Slow Steaming noch verstärken, wenn vom kommenden Jahr an der CO₂-Ausstoß von Schiffen im Rahmen des Europäischen Emissionshandels hoch bepreist wird. „Dann wird es nochmals wichtiger für Schiffe, ihren Treibstoffverbrauch über eine langsame Fahrt umfassend zu reduzieren.“
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Am Mittwoch veröffentlichte das Beratungsunternehmen PWC seine diesjährige Reederstudie, wonach 96 Prozent der deutschen Reedereien die Erreichung von Klimazielen und Umweltauflagen als größte Hürde für die Zukunft bezeichnen. Die Schifffahrtsorganisation Bimco prognostiziert, dass die Schiffsgeschwindigkeiten bis 2025 noch einmal um zehn Prozent sinken könnten. Auch Hapag-Lloyd geht von einer weiteren Reduktion aus. „Volle Fahrt voraus“ gehört der Vergangenheit an. Jetzt ist Schleichfahrt auf den Weltmeeren angesagt.