Hamburg. DAX-Konzern drosselt Hochlauf der für Hamburg wichtigen A320-Produktion, kürzt Auslieferungs- und Gewinnziele. Aktienkurs fällt stark.
Parkplatzprobleme hatte es im Sommer 2018 in den Werken von Airbus gegeben. Rund 100 fertig gebaute Flugzeuge standen vor allem auf den Betriebsarealen in Hamburg und Toulouse herum und konnten nicht ausgeliefert werden. Der Grund: Den intern „Glider“ (Segelflugzeug) genannten Maschinen fehlten die Triebwerke. Der Platz für die Flieger wurde langsam eng.
Es ist ein Szenario, das sich in den nächsten Monaten wiederholen könnte – in noch offenem Ausmaß. „In Einzelfällen kann es vorkommen, dass uns Motoren für die Auslieferungen neuer, ansonsten fertiggestellter Flieger fehlen“, sagte Flugzeugspartenchef Christian Scherer unserer Redaktion vergangene Woche.
Airbus kämpft mit massiven Problemen bei Triebwerken
Nun gab das Unternehmen bekannt, dass dahinter ein größeres Problem steckt. Mit massiven Folgen: Gewinnprognose und Auslieferungsziel wurden gekappt, der Hochlauf der für Hamburg wichtigen A320-Produktion soll langsamer erfolgen als geplant. Die Aktie ging am Dienstag auf Talfahrt.
Konzernchef Guillaume Faury erläuterte in einer Analystenkonferenz die Details. Der Franzose verwies wie schon so häufig in der Vergangenheit auf die angespannte Lage bei Vorprodukten. „Die Zulieferer befinden sich im Hochlauf, aber nicht in dem Tempo, das wir benötigen“, so Faury.
Airbus will nun erst ein Jahr später 75 A320-Flieger pro Monat bauen
Verkaufsschlager des Luft- und Raumfahrtkonzerns sind vor allem die Flugzeuge der A320-Familie. Mehr als 7000 Maschinen stehen im Auftragsbuch in der Spalte unerfüllte Order. Die Produktion ist auf viele Jahre ausgelastet. Wenn eine Fluglinie heute einen Jet bestellt, erhält sie ihn frühestens Anfang der 2030er-Jahre. Daher will Airbus die Produktion hochfahren.
In der Corona-Krise wurde die Rate auf 40 Maschinen pro Monat um ein Drittel gekürzt. Nun dürfte sie deutlich über 50 liegen – wo genau, da macht der Konzern ein Geheimnis daraus. Etwa die Hälfte dieser Maschinen wird traditionell auf Finkenwerder endmontiert. Ursprünglich sollte die Rate 75 im Jahr 2025 erzielt werden, zuletzt sollte diese Zielmarke 2026 erreicht werden. Am Montagabend revidierte Airbus auch dieses Ziel. Jetzt solle es erst 2027 so weit sein, hieß es.
Airbus sucht das richtige Tempo für den Produktionshochlauf
Der Flugzeugbauer befindet sich praktisch in der Zwickmühle. Zwar sei die Nachfrage von Airlines weiterhin stark und die Zulieferer dabei, ihre Produktion aufzustocken. Aber das gehe nicht schnell genug. Man müsse jetzt das richtige Tempo finden, sagte Faury und ergänzte: „Wir hoffen, die Rate von 75 so schnell wie möglich zu schaffen.“
Angst um ihre Jobs müssen sich die Beschäftigten in Hamburg aber wohl nicht machen. 18.000 fest angestellte Mitarbeiter sind es, so viele wie nie. Seit 2022 wurde kräftig Personal aufgebaut. „In der Produktion werden wir sicherlich weiter einstellen, aber nicht mehr mit derselben Dynamik“, hatte Scherer vergangene Woche gesagt. Diese Einschätzung bleibe wohl bestehen, hieß es aus Konzernkreisen.
Hamburger Zulieferer Diehl hilft der spätere Ratenhochlauf
Bei dem größten Hamburger Zulieferer ist man offenbar froh, dass etwas Druck aus dem Kessel gewichen ist. Natürlich gehöre es zu den Aufgaben als Systemlieferant, die Produktionsraten den Planungen der Kunden anzupassen, hieß es von Diehl Aviation auf Anfrage. Das Unternehmen baut für die A320-Familie komplette Bordtoiletten.
„Dennoch bedeutet der Hochlauf etwa mit Blick auf die Lieferkettenprobleme eine besondere Anstrengung für uns und auch für unsere Zulieferer“, sagte Diehl-Aviation-Sprecher Guido van Geenen. „Daher hilft die neue Planung, erst 2027 eine Rate von 75 Maschinen pro Monat zu erreichen, die Lieferkette weiter zu stabilisieren und den Ramp-up nachhaltig vorzubereiten.“
Airbus-Chef Faury: Triebwerke werden jetzt zum signifikanten Problem
Hohe Kosten für Rohstoffe, Engpässe bei Fahrwerken oder Kabinenelementen sowie Fachkräftemangel galten bisher als Knackpunkte in der Zuliefererschiene. Doch zieht nun ein neues Konfliktfeld am Himmel auf. „Triebwerke waren kein Problem im Jahr 2023 und auch nicht am Anfang von 2024, aber sie werden jetzt zum signifikanten Problem“, sagte Faury.
Seine Kritik richtet sich nicht nur an Pratt & Whitney. Der US-Hersteller hatte im vergangenen Herbst die Branche verunsichert und einen großen Rückruf gestartet. Jahrelang war ein möglicherweise schadhaftes Pulvermetall für die Herstellung von Hochdruckturbinenscheiben genutzt worden. 3000 Motoren müssen überprüft werden. Eine monatelang dauernde Prozedur – pro Motor.
Airbus bereiten gleich zwei Triebwerkshersteller Schwierigkeiten
Pratt & Whitney liefert die Triebwerke für etwa die Hälfte der A320neo-Flotte. Der andere Produzent ist das US-französische Gemeinschaftsunternehmen CFM. „Wir sind mit einer Situation konfrontiert, in der sowohl Pratt als auch CFM nicht so liefern, wie sie es sollten“, sagte Faury. Das mache die ganze Lage herausfordernd und noch komplexer.
Die Motoren sind das Herzstück und größte Verkaufsargument für die A320neo-Flieger. Zwar konnte auch Airbus selbst durch Verbesserungen in der Kabine die Effizienz der Flugzeuge steigern. Aber das Gros der Treibstoffersparnis von mindestens 15 Prozent im Vergleich zu den herkömmlichen Airbus-Jets (ceo genannt) tragen die neu entwickelten Motoren.
Airbus-Chef Faury erwartet die Produktion von Segelflugzeugen
„Die neuen Triebwerke sind hervorragend bezüglich des Spritverbrauchs, sogar teilweise effizienter als geplant – sie verbrauchen aber mehr Material als geplant“, hatte Flugzeugchef Scherer unserer Redaktion gesagt. Daher müssten die Teile schneller ausgetauscht werden. Aber es gibt nicht ausreichend Teile, um sowohl die von Pratt-&-Whitney-Motoren angetriebene fliegende Flotte zu reparieren, als auch die Endmontagelinien von Airbus mit neuen Triebwerken zu versorgen.
Für den Flugzeugbauer ergibt sich die Situation, die an 2018 erinnert. Man produziere derzeit Glider, und man werde auch in der Zukunft Flugzeuge ohne Motoren bauen, sagte Faury und ergänzte, dass man sich bis zum Ende des Jahres davon auch nicht voll erholt haben werde. Das sei eine Situation, mit der man nicht gerechnet habe.
Airbus senkt Auslieferungsziel auf 770 Verkehrsflugzeuge
Der Konzern senkte daher sein Auslieferungsziel. Statt etwa 800 Verkehrsflugzeuge sollen es in diesem Jahr nur noch rund 770 neue Jets sein, die an Fluglinien übergeben werden. Wegen kommerzieller und technischer Herausforderungen im Raumfahrtbereich gebe es zudem Belastungen von rund 900 Millionen Euro im ersten Halbjahr, teilte der Konzern weiterhin mit.
Die Gewinnprognose für 2024 wurde gesenkt. Während man im Februar 6,5 bis sieben Milliarden Euro als operativen Gewinn in Aussicht gestellt hatte, wird nun nur noch mit rund 5,5 Milliarden Euro gerechnet. Auch der freie Cashflow soll von 4,0 auf 3,5 Milliarden Euro schmelzen.
Airbus-Aktie verliert am Dienstag zunächst deutlich an Wert
Es ist eine Gemengelage, die an der Börse schlecht ankam. Bis zum Dienstagmittag verlor die Aktie rund zwölf Prozent und stand bei etwa 131 Euro. Berenberg bleibt bei der Einschätzung „Verkaufen“ und gibt 119 Euro als Kursziel an. Die reduzierten Ziele dürften sich negativ auf die Dividendenentwicklung, die mehrjährigen Marktprognosen und die Bewertung der Anteilscheine auswirken, so die Hamburger Privatbank.
- Airbus: Erster Langstreckenflug mit neuem Modell – wo es Tickets gibt
- Airbus plant Nachfolger für A320 – wird das Flugzeug in Hamburg gebaut?
- Airbus A380 – auf diesen Routen fliegt das Riesenflugzeug aktuell
Die Deutsche Bank sprach von einer „überraschenden Gewinnwarnung“ und stufte die Titel von „Kaufen“ auf „Halten“ herab. Die Schätzungen für den operativen Gewinn und den freien Barmittelzufluss senkte der zuständige Analyst bis 2026 um 13 bis 20 Prozent. In ähnliche Dimension abgesenkt wurde die Gewinnprognose für den gleichen Zeitraum von der UBS. Die Schweizer Bank reduzierte das Kursziel von 160 auf 151 Euro, hält an der Einstufung „Neutral“ aber fest.
Goldman Sachs bleibt bei der Einschätzung „Kaufen“ und behält das Kursziel 187 Euro bei. Die Unsicherheit habe sich nun aber deutlich erhöht, hieß es von der US-Investmentbank. Am 30. Juli werden Anleger mehr Klarheit haben: Dann werden die Halbjahreszahlen veröffentlicht.